Liebe Studierende und Freunde des Längs-, Quer- und Diagonaldenkens,

der Mensch denkt und handelt anthropozentrisch. Natürlich kann er dafür Gründe, oder besser, Rechtfertigungen, benennen. Die Evolution, so argumentiert er, habe alle Wesen so ausgestattet, dass sie das Überleben der eigenen Spezies für das Allerwichtigste auf der Welt hielten. Deshalb stünde die Verbreitung des eigenen Genmaterials immer im Vordergrund, und das gelte natürlich gleichermaßen für den Menschen.

Lassen wir es einmal dahingestellt, ob die Erhaltung oder gar weitere Verbreitung des menschlichen Genmaterials wirklich wünschenswert wäre, und wenden wir uns der Hirn- und Verhaltensforschung zu. Ein Zweig dieser Wissenschaft beschäftigt sich ja vornehmlich mit der Erforschung der tierischen Intelligenz.

Ein ernsthafter Wissenschaftler bemüht sich in der Regel als erstes einmal darum, den Begriff zu definieren, den er erforschen will. Er muss also zuvorderst fragen, was „Intelligenz“ denn nun eigentlich sei. Ist es die Fähigkeit selbst als Individuum zu überleben? Ist es die Fähigkeit für das Überleben der eigenen Spezies zu sorgen? Ist es die Fähigkeit bis drei – oder möglichst auch ein wenig darüber hinaus – zählen zu können? Oder ist es gar das Talent, wie Mozart komponieren, wie Einstein denken oder wie Shakespeare schreiben zu können? Oder am Ende gar die Fähigkeit, überhaupt schreiben zu können? Was natürlich die Fähigkeit einschlösse, auch einfache Informationen – beispielsweise den Satz „RAUCHFREIER BAHNHOF“ lesen und begreifen zu können, der ja sogar in Druckbuchstaben daherkommt.

Vielleicht aber ist es ja ein Zeichen von Intelligenz, überhaupt in der Lage zu sein, sich um die Definition des Begriffes Intelligenz bemühen zu wollen. Wie würde dann eine Fledermaus Intelligenz definieren? Als den Grad der Feinfühligkeit, die ein Sonarsystem aufweist? Oder eine Mücke? Als die Ausprägung der Fähigkeit, die Durchblutung einer menschlichen Hautpartie einschätzen zu können?

Wir sehen schon, dass wir uns für berechtigt halten, Intelligenz im Habitat Erde, in dem sich unvorstellbar unterschiedliche Fähigkeiten seiner Bewohner herausgebildet haben, danach zu bemessen, mit welchen sie eine einzige von Millionen Spezies ausgestattet hat, nämlich unsere.

Elefanten halten wir dann für intelligent, wenn sie begreifen, dass im Experiment Zusammenarbeit sie schneller ans Futter gelangen lässt. Übertragen auf den Menschen, hieße das, dass derjenige, der schnell zum nächsten Supermarkt findet, intelligenter ist als der, welcher mühsam biologischen Ackerbau betreibt, um seine Familie zu ernähren. Oder dass demjenigen, der im Sessel sitzend einen Film über eine Segelregatta anschaut, mehr Intelligenz zu bescheinigen sei, als dem, der selbst ein Segelboot besteigt und es über gefährliche Gewässer lenkt. Sogar die Evolution ist mit uns in diesem Punkt einer Meinung, auch sie vergibt Maluspunkte an diejenigen, die Energie dort verschwenden, wo die gleiche Handlung auch energieeffizienter möglich wäre.

Als sicherstes Zeichen von Intelligenzmangel betrachten es viele Wissenschaftler jedoch, wenn es Tieren nicht möglich ist, mit uns zu kommunizieren. Wir Menschen sind ja hochintelligent und wären auch in der Lage, eine Kommunikation über ungewöhnliche Körpersignale, beispielsweise Schwanzwedeln zu verstehen. Ein Hund würde es deshalb wahrscheinlich als Zeichen von Erregung einstufen, wenn auch wir mit dem Schwanz wedelten, ihm fehlt jedoch ganz eindeutig die Intelligenz, zu erkennen, dass der Pegel unserer Erregung – vorzugsweise bei männlichen Exemplaren – im um so mehr steigt, je steifer und infolgedessen u n b e w e g l i c h e r unser Schwanz wird. Frauen, das sei hier der Vollständigkeit eingeflochten, wedeln dagegen lieber mit den Schwänzen der Männer.

Der Hund kann also noch nicht einmal die Wahrnehmungen, die innerhalb seiner eigenen Spezies Gültigkeit haben, bei uns deuten. Er denkt canozentrisch.

Ich habe mittlerweile in langen Forschungsreihen versucht, folgende Hypothese zu erhärten:

Tiere, beispielsweise Regenwürmer, Maikäfer, Raupen oder Kellerasseln, die nachweislich keine „Unterhaltung“ mit uns führen, sind dazu nicht etwa unfähig, nein, sie v e r m e i d e n sie sogar. Dies tun sie, weil sie eine Kommunikation mit uns als vollkommen unergiebig betrachten. Sie halten die menschliche Spezies für strunzdumm und versprechen sich von einer Kommunikation mit diesen unbehaarten Deppen keinerlei Erkenntnisgewinn. Ja, sie sind sogar überzeugt, dass ein solcher Erkenntnisgewinn, wäre er denn möglich, für ihr Leben keinerlei Vorteil ergäbe. Wer diese Argumentation dadurch entwerten will, dass er sagt, dieses Gewürm denke eben nur insektozentrisch, zeigt, indem er mit dem Finger auf diese Lebewesen weist, zugleich mit drei Fingern auf sich selbst.

In diesem Sinne empfehle ich Ihnen, wenn sie Intelligenz bewerten wollen, spaßeshalber ein kleines Experiment durchzuführen – betrachten sie die Welt einmal aus der Perspektive einer Butterblume oder einer Eintagsfliege. Und dann wenden Sie sich Ihren Kommilitonen zu. Sie werden in diesem A-B-Vergleich feststellen, dass der Intelligenzpegel sich bei allen Lebewesen in etwa auf dem gleichem Niveau eingependelt hat.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.




© Peter Heinrichs


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Beschreibung des Autors zu "Über die Intelligenz von Tieren (Episode 37)"

Professor Schwurbelzwirns 37. Vortrag an der Schnackademie

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Kommentare zu "Über die Intelligenz von Tieren (Episode 37)"

Re: Über die Intelligenz von Tieren (Episode 37)

Autor: possum   Datum: 09.08.2020 0:48 Uhr

Kommentar: Gerne wieder reingelesen beim Professor ... interessantes Werk ...

lieben Gruß!

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