Es war der Moment, als ich mir gegenüber stand. Ich schaue in meine leblosen Augen und fühle rein gar nichts. Weder Angst noch Schmerzen und vor allem aber keine Erleichterung. Warum fühle ich mich nicht besser?
Es ist, als würde ich jemand fremdes anstarren. Vollkommen trocken und emotionslos, stelle ich mich vor den Spiegel, doch ich starre direkt ins Nichts. Fange an zu schreien, so laut und inbrünstig ich nur kann, doch ich höre nichts. Will hier raus, setze einen Schritt vor die Tür und stehe wieder über mir. Die Badewanne läuft über, der Boden färbt sich rot und ich kann nichts dagegen tun. Sobald ich wegschaue, stehe ich wieder über mir. Sehe immer und immer wieder in diese toten Augen, in meine toten Augen. Panik. Ich werfe alles wild um mich, zerbreche den Spiegel, in der Hoffnung, dass mich jemand hört, allerdings rührt sich nichts. Im nächsten Moment ist alles wie vorher. Mir bleibt nichts außer dem, was auch immer ich jetzt bin und meinem Körper, der in der Badewanne vor sich hin vegetiert.
Aber es war der Moment, als sie die Tür aufbrachen und meinen Körper auf den Boden zerrten. Der Moment, als sie alles gaben, um meine Augen wieder mit Leben zu füllen. Ich sehe zu und auch ohne etwas zu hören, weiß ich, was er sagt.
Es war der Moment, als ich nur noch ein schwarzer Plastiksack war. Dieser Moment machte mir bewusst, dass es mehr als einen Ausweg gegeben hätte.
Mir wurde erst klar, was ich will, als ich mich da liegen sah. Ich will leben und diesen Wunsch hatte ich schon lang nicht mehr. Ich musste erst sterben, um zu erkennen, dass ich gelebt habe. Ein wenig ironisch diese Erkenntnis erst zu haben, als ich längst verstorben bin, oder nicht?


© Noemi


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