„Ich bin immer noch immer für dich da“

Jedes mal wenn ich von ihr erzähle, beginnen alle Sätze in meinem Kopf mit „Sie war…“. Sie war witzig. Sie war mutig. Sie war laut. Sie war voller Liebe. Sie war meine beste Freundin. Sie war wie eine Schwester für mich. Sie war mehr für mich als jemand je wieder für mich seien könnte. Wir hatten diese Verbundenheit zwischen uns, dieses tiefe Vertrauen und so viel Geborgenheit. Ich habe nie wieder jemanden auf diese Weise geliebt. So sehr, dass ich mich oft frage, ob ich in sie verliebt war. Ich bin sicher, dass ich das nicht war. Das weiß ich. Aber unsere Liebe ging trotzdem über Freundschaft hinaus. Über jede Art Beziehung, die ich kenne. Uns konnte man in keine Kategorie stecken. Und meine Liebe zu ihr auch nicht. Wir gehörten zusammen. Als teilten wir uns eine Seele und die eine wäre nie komplett ohne die andere. Sie war mein Zuhause. Ich rede von ihr als sei sie tot mit dem ständigen „war“. Und in gewisser Weise ist das auch wahr. Die Person in die ich mich (auf nicht romantische Art) verliebt hatte, ist tot. Wir beide zusammen waren so intensiv, so viel. Und irgendwann gab es kein „wir beide“ mehr. Es war im Sommer. Wir versuchten uns zu retten, aber schafften es nicht. Also sahen wir dabei zu wie unsere Beziehung still und leise ertrank, ohne uns dabei in die Augen zu blicken. Wir sagten uns nie Tschüss. Haben uns nie verabschiedet oder darüber geredet. Wir waren einfach tot. Die alten Versionen unserer Selbst gab es nicht mehr, wurden ausgetauscht durch billige Kopien, die nur noch ein paar für uns typische Charakterzüge imitierten. Doch wir wussten, dass es anders ist. Dass wir anders sind. Nicht mehr wie die Versionen von uns, die sich so liebten. Wir redeten nicht darüber, weil es nichts zu reden gab. Es war vorbei.

Ich vermisse sie. Die alte sie und werde nie damit aufhören. Als sie mir gestern sagte sie sei immer noch immer für mich da, wollte ich laut loslachen. Um zu übertünchen wie viel mir das bedeutete. Wie sehr ich das gebraucht habe. Um ihr nicht sofort um den Hals zu fallen und sie damit zu überfallen, wie sehr ich uns vermisse. Um ihr nicht jedes Detail meiner Gefühlswelt an den Kopf zu werfen. Ich muss Tschüss sagen, doch kann es auch nach Jahren nicht. Frieda, ich vermisse dich. Und doch will ich uns nicht mehr zurück, weil ich weiß, dass wir nicht mehr funktionieren. Ich will nur endlich Abschied nehmen können.


© leni.shl


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Kommentare zu "Frieda."

Re: Frieda.

Autor: Hartmut Holger Kraske   Datum: 27.03.2022 12:37 Uhr

Kommentar: Oh, Mann! Das ist so gut! Das hat sprachlich die Klarheit eines Ernest Hemingway und den bittersüßen Geschmack eines traurigen Jazz-Songs.

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