„Jule essen ist fertig!“ – einer der schlimmsten Sätze des Tages…shit. Warum? Warum kann niemand sich treffen oder unterhalten oder chillen oder, oder, oder ohne einfach immer und jedes Mal zu essen. Schon morgens beim Frühstück wird man gefragt was es denn zum Mittagessen geben soll. Ich finde das krank. Die Leute müssen sich dann nicht wundern warum die Gesellschaft immer fetter wird, nein ganz ehrlich ich habe null Verständnis dafür. Wenn die Medien über den „Schlankheitswahn“ labern bekomme ich jedes Mal nen halben Lachflash, weil das so absurd ist. Die wollen doch alle nur nicht wahrhaben das sie alle unter „Essenswahn“ leiden.
„Jule! Essen! Kommst du jetzt mal.“
„Nein, ich…hab keinen Hunger.“ Und wenn sie es nicht glaubt, dann hat sie halt Pech.
„Okay.“ Aufatmen. Meine Mutter hakte zum Glück fast nie nach.

Jule, 15 Jahre alt, 1,72 groß, 53,5 Kilo, Wunschgewicht 45 Kilo
Diese Angaben verfolgen mich überall hin: Proana-Blogs, Twin-Suche, Whatsapp-Gruppe…überall. Selbst in meinen Gedanken, Tagebüchern und so weiter. Das einzige was sich gelegentlich ändert sind die Kilogramm.

2 Uhr nachts. Das quälende Hungergefühl weckt mich, dicht gefolgt von unglaublichen Gliederschmerzen. Ich stehe auf…wach sein verbrennt sowieso mehr Kalorien. Leise wie eine Fee tapse ich die Treppen runter und doch fühle ich mich wie ein Elefant. Ja, genau wie die restliche fette Gesellschaft, mit Ausnahmen einiger beneidenswerter Schönheiten. Die Küche fast erreicht halte ich einen Moment inne, einatmen, ausatmen. Ich hasse diesen Ort. „Süße du hast keinen Hunger. Nimm dir ein paar Eiswürfel die verbrennen Kalorien.“ Mit einer engelsgleichen, liebevollen, beinahe flüsterten Stimme taucht Ana neben mir auf. Ohne zu zögern oder ihre Worte anzuzweifeln gehe ich in die Küche und öffne den Gefrierschrank. Schlagartig fang ich an zu frieren, auch wenn ich mich langsam dran gewöhnt haben sollte. „Sehr gut. Ich bin stolz auf dich. Nun nimm dir ein paar und geh wieder ins Zimmer bevor deine Eltern was merken.“ Ich hol die Eiswürfel und gehe wieder aufs Zimmer. „Danke Ana“, flüstere ich und schaue sie an. Sie setzt sich gegenüber von mir auf Sofa und winkte ab. Ich kuschele mich unter meine Bettdecke, denn mir ist eiskalt. Ein Würfel nach dem anderen nehme ich und lutsche bis nur noch Wasser in meinem Mund ist. Ana schaut mir dabei zu und wirft prüfend einen Blick in meinen Mülleimer. Sofort schäme ich mich. Es liegt die Verpackung von einem Kinderriegel darin. „Willst du mich verarschen!? Warum enttäuscht du mich immer wieder so? Ich will nur dein bestes und helfe dir und du machst alles zunichte!“, mit ihr war nicht zu spaßen. Wenn ihr etwas nicht gefiel kann das unangenehme Folgen für mich haben. „Du weist was zu tun ist…“ Mit einer Mischung aus Enttäuschung und Wut im Gesicht zeigt sie auf den Boden. „Aber sei bloß leise“ Ich nehme den letzten Eiswürfel in den Mund und gebe nach. Eine Liegestütz nach der anderen, ein Situp nach dem anderen, ein Burpee nach dem nächsten…das wird eine lange Nacht.


© Kerstin


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Beschreibung des Autors zu "My best friend Ana"

Falls sich jemand nicht so auskennt:
Ana = Spitzname für Anorexia Nervosa
Proana = eine Community die "pro" also für Ana ist




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