Er war ein junger Mann, Ende 20, aber jünger aussehend. Ein freundlicher, aber zurückhaltender, nachdenklicher Mensch.
Als er sie kennenlernte, hatte er den Wunsch nach einer Affäre.
Etwas, das er nie zuvor kennengelernt hatte. Und so näherte er sich ihr eher forsch als frech, wobei ihm sein gesundes Selbstbewusstsein souverän als unwiderstehlich erscheinen ließ.
Vielleicht hatte er auch auf eine gewisse Weise Charme, aber zu solcher Selbsteinschätzung war dieser schüchterne, im Umgang mit dem anderen Geschlecht geradezu unsichere Mensch nicht in der Lage.

Nachdem sie ihm auf ebenso charmante Art klar gemacht hatte, dass sie durchaus keine Frau für einen One-Night-Stand, ihm andererseits jedoch auch nicht vollkommen abgeneigt war, gelangte er in seinem neuronalen Entscheidungsbaum an einen Punkt, dessen Programmablauf folgende Datenabfolge vorsah:
a) Sex mit dieser in jeder Hinsicht attraktiven Frau -> aber Beziehung
b) Nette Frau kennengelernt -> Keine weiteren Treffen

Im Moment des Erreichensdieses Punktes, also als ihm die anstehende Frage ins Bewusstsein trat, war die Entscheidung der Antwort längst gefallen, das merkte er später. Doch in dem Augenblick, in dem sich zwei Menschen gegenüber saßen, deren Hormone eine zauberhafte Anziehung auf den anderen auszuüben schienen, log er die Wahrheit und sagte, dass er zwar nicht vorgehabt hatte, eine Beziehung einzugehen, dies jedoch nicht bedeutete, dass er grundsätzlich einer neuen Beziehung abgeneigt war. Die Entscheidung war längst gefallen, nur wusste er das noch nicht.

So verliebte er sich, wie er es erst zweimal in seinem Leben vor vielen Jahren in seiner Jugend getan hatte. Wie ein Teenager.

Auch in ihr wuchsen Gefühle für ihn. Doch hatte sie das Leben hart im Griff und ihr nahegebracht, den Umständen des Daseins hart zu begegnen.
Er traf auf Mauern und bekam auch Kälte zu spüren. Doch sein eigenes Herz war entbrannt und seine Wärme drang durch ihre Mauern und ließ das Eis tauen. Dies war möglich, da die Wärme, nein - die Hitze, die sie ihm schenkte, ihn rasend machte.
Rasend vor Glück und rasend vor Traurigkeit.

Doch das Schicksal wollte es...


© M.R.


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Berlin, 2006.

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