Er wacht auf, kalter Schweiß am ganze Körper, die Hände gleiten fahrig durch seine verstrubbelten Haare. Blickt sich im Zimmer um. Durch die Lücken der Jalousien kann er die Morgendämmerung erahnen. Wieviel Uhr es wohl sein mag. Sechs? Damit hätte er dann zumindest knapp eine Stunde geschlafen, dachte er.
Bevor er sie in seinem Albtraum schon wieder verloren hatte und deshalb hochschreckte.
Er legt sich wieder hin, schließt die Augen, wälzt sich herum. Zwingt sich dann ruhig liegen zu bleiben während die Gedanken weiterhin toben. Umklammert die Decke und das kleine Kuscheltier. Einige Minuten später, in den Gedanken immer noch bei dem Albtraum von vorhin, döst er wieder ein.

Schreckt wieder hoch. Diesmal kein Schweiß.
Tränen.
Im Schlaf geheult, wie auch im Traum. Geträumt davon, wie er ihr erzählt, wie er sich nun gerade fühlt.
Beschissen.
Sonnenstrahlen durchschneiden die Kälte des Zimmers. Sein Blick wandert ins Leere. So verharrt er dort, reglos, bis er die Musik hört. Ganz leise dringt sie zu ihm durch:
"Another summer evening and the city's barely breathing
It just ain't the same, just ain't the same without you"
Eine passende Stelle. Naja, wenn man oft genug aufwacht ist die statistische Wahrscheinlichkeit wohl irgendwann groß genug mal eine solche beim Aufwachen zu hören.
Lief die Musik eigentlich schon als er beim ersten mal aufwachte?
Vermutlich. Aber sein Hirn hat diese Information nicht bis zu seinem Bewusstsein durchdringen lassen. Vermutlich war es eine unpassende Textstelle gewesen. Und damit als unwichtige Information ausgesiebt worden.
So erschafft sich der Kopf seine eigene Realität.
Er guckt auf seine Handyuhr. Kurz nach Acht.
Dreht sich wieder um.
"Just ain't the same..."

Fährt hoch, weiß nicht wo er ist, dreht den Kopf, realisiert, dass er alleine in seinem Bett liegt, fällt zurück in die Kissen, eine einzelne Träne rinnt seine Wange herunter. Schläft wieder ein.

Wacht auf. Er weiß was er geträumt hat. Inzwischen kann er sich fast immer erinnern. Immerhin hat ihn dieser Traum nicht unsanft geweckt, aber noch lieber hätte er sich nicht an ihn erinnert. Konnte er nicht endlich mal von anderen Dingen träumen? Er wurde wütend. Vor allem auf sich selbst. Das er es einfach nicht packte, es nicht akzeptieren und weiter leben konnte.
Die Wut verflog, sein Körper sackte wieder in sich zusammen.
Mies, wenn die Nächte einen nicht mehr entspannen sondern noch weiter auslaugen.
Er ging inzwischen noch später ins Bett als früher schon. Es war einfach zu anstrengend, die Stunden die er sich nicht ablenken konnte bis er dann irgendwann in die mit schlechten Träumen gefüllten Kurzschlafphasen abdriftete.
Die Erschöpfung am nächsten Morgen und die Gewissheit, dass es an diesem Abend wieder so sein würde. Die Lethargie, wenn man sich mit diesem Gedanken abgefunden hat, und den Tag bis zum Abend einfach irgendwie an sich vorbei gleiten lässt. Gewöhnung an den Wahnsinn. Nach einigen Monaten, aber immerhin.
Dennoch irgendwie krank, dass man sich damit so viel einfacher abfinden kann als mit der Ursache. Dem Verlust.
Wieder ein Blick auf die Uhr. 11:32.
Na OK, langsam konnte er aufstehen. Es brachte ja eh nichts mehr hier zu liegen.
Er setzt sich auf, da hört er wieder die Musik.
Die Textstelle passt nicht.
Aber passt nicht gerade das besonders gut zu seinem Leben?


© Lorenz H. P.


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