Mitte November dieses Jahres erhielt der Weihnachtsmann eine höchst offizielle Vorladung beim Finanzamt. Obwohl die Vorbereitungen für Weihnachten schon voll im Gange waren und seine Zeit knapp, erschien er zu dem befohlenen Termin. Gut gelaunt und heiter betrat er also das Büro der Finanzbeamten. Die beiden Herren hinter dem Schreibtisch teilten seine gute Laune nicht. Streng blickten sie drein, immerhin baten sie den Weihnachtsmann Platz zu nehmen. Er setzte sich und fragte freundlich: "Was kann ich denn für sie tun, meine Herren?" Nun, begannen sie in unpersönlichem Ton, er könne ihnen einmal darlegen, wieso er in der Lage sei so viel zu verschenken. Wovon all dies finanziert werde, wollten sie wissen.
"Jaa, also..." begann der Weihnachtsmann und erklärte den Beamten, dass es ja die Zwerge seien, die die Geschenke alle herstellten. Aha, Angestellte in seiner Werkstatt? Wo, bitte schön, sei dann die abzuführende Lohnsteuer? Und auch für den Einkauf der Materialien müsse es doch Nachweise, Quittungen, geben. Auf diese Weise ließen sich Umsatzsteuer und Erlöse berechnen. Als der Weihnachtsmann erstaunt erklärte, dass er all diese Sachen doch zu Weihnachten an Kinder verschenke, wurden die Beamten erst recht hellhörig. Sollte der Weihnachtsmann vielleicht irgendwo Kapitalvermögen haben, wäre jetzt eine gute Gelegenheit, dies anzugeben. Also bitte jetzt: wovon wird all dies finanziert?
"Meine Zwerge besorgen die Teile und basteln dann die Geschenke. Ich kümmere mich nicht darum, das läuft von alleine" erwiderte der nun etwas verwirrte Weihnachtsmann.
"Ach, handelt es sich etwa um ein nicht angemeldetes innerbetriebliches Gewerbe?" Ein WAS??
Oder, sinnierten die Beamten spitzfindig weiter, habe er doch ein illegales Spendenkonto in der Schweiz oder in Luxemburg?
Der Weihnachtsmann war nun vollens irritiert. "Ja, aber...ich bin doch der Weihnachtsmann! Ich brauche kein Geld. Ich beschenke die Kinder auf der ganzen Welt! Aus allen Ländern kommen die Sachen....(jetzt reimte er ein bisschen, um die Beamten aufzulockern)...mit denen wir die Kinder glücklich machen".
Die beiden waren aber weit entfernt davon, diese heikle Angelegenheit locker zu sehen. So, aus dem Ausland! Und an wen habe er dann die Zölle abgeführt? Die Einfuhrumsatzsteuer bezahlt? Man werde die Sache wohl auch noch der Steuerfahndung zukommen lassen müssen. "Bitte verlassen Sie das Land nicht, bis wir alles geklärt haben!"
Der Weihnachtsmann war entsetzt! "Dann kann ich nicht mehr arbeiten! ich agiere international, wie ich gerade gesagt habe. Ich fliege zu allen Kindern auf der Welt!" Tja, sehr bedauerlich, aber er müsse sich der Anordnung fügen. "Bis die Angelegenheit geklärt ist, wird Ihnen hiermit der Gewerbeschein vorläufig entzogen."
Jeder weiß, dass beim Finanzamt die Mühlen nur sehr langsam mahlen.
Das wird wohl nix mit Geschenken in diesem Jahr....

Bürokratie zu Weihnachten


© Verdichter


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Kommentare zu "Bürokratie zu Weihnachten"

Re: Bürokratie zu Weihnachten

Autor: Karwatzki,Wolfgang   Datum: 22.12.2017 18:19 Uhr

Kommentar: Tolle Idee. Klasse umgesetzt. Habe mich steigern können vom anfänglichen Schmunzel bis zum heftigen Lachen.
So geht " verdichten".
Gruß
Wolfgang

Re: Bürokratie zu Weihnachten

Autor: Sandro N   Datum: 22.12.2017 18:57 Uhr

Kommentar: Äußerst kreativ. Sehr amüsant. Sowohl der Schreibstil, als auch der verpackte Humor: beides hervorragend.
Und um ehrlich zu sein, eine der besten und lustigsten Geschichten, die ich bisher auf dieser Seite gelesen habe :D
Danke für die Unterhaltung.
Gruß, Sandro

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