Die Stadtführung begann unter einer Rosette in der Rheinstraße. Die dazugehörigen Gebäude wurden 1905 als Synagoge aufgegeben. Die Häuser werden heute als Wohnhaus und als Jugendhaus genutzt. An die Rheinstraße und an die benachbarte Rathausgasse, der ehemaligen Judengasse , schließen sich mehrere tiefe Höfe an, mit vier bis sechs alten, einstöckigen Wohnhäusern und Werkstätten. Wenn noch überhaupt jemand, leben Zugereiste in den Höfen.
In einem dieser Häuser befand sich im 19. Jahrhundert eine Tabakfabrik.
Eine Brandunglück verwüstete große Teile der alten Stadt. Der Tabak wurde noch zu meiner Zeit im Binger Ländchen angebaut.
Ein erfolgreicher Arzt baute im 19. Jahrhundert sein Haus an einer Nebenstraße,
der bebaute Hof ist von der ehemaligen Judengasse zu erreichen. Der Boden des Hausflures ist mit farbig-leuchtenden Fliesen ausgelegt. Die Erzählerin berichtete von der nächtlichen Behandlung einer Schwindsüchtigen in Münster, dem nächsten Dorf an der Nahe.
Rabbiner Grünfeldt hat 1905 eine Geschichte der Juden zu Bingen veröffentlicht.
Auf dem Weg zur neuen Synagoge in der Rochusstraße , die 1905 eingeweiht wurde, liefen wir am Standort des einstigen Tempels der Vernunft vorbei, der in der napoleonischen Zeit in einer ehemaligen Kirche errichtet worden war, in der Kirchstraße 18. Nach dem Ende der Franzosenzeit wurde dieser Tempel abgerissen. Die napoleonische Besetzung des linken Rheinufers hatte u.a. die erste staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Juden , auch in Bingen, zur Folge.
In einer Nebengasse liefen wir am Haus der Freimaurerloge vorbei. In ihr versammeln sich die Freimaurer und ihre Freunde.
In der Ruine der neuen Synagoge endete unser Rundgang. Dort hängen Fotographien von der Deportation der Binger Juden , vermutlich 1942. Den Leuten
waren die Ausweispapiere abgenommen worden. Auf der Fahrt in das Vernichtungslager diente noch das Pappschild um ihren Hals als ihr Ausweis.

Im Verein TIF-TUF lebt das heutige Judentum in Bingen wieder auf. Die Menschen gehörten zu den Juden in der Sowjetunion, welche die deutschen Truppen und SS-Leute und Polizisten nicht ermorden konnten von 1941 bis 1944.


Mai, 2017, Bingen am Rhein


© hartmut


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