Die Sprache der Stasi
hartmut
Autor: hartmut Datum: 13.07.2014 Aufrufe: 138 Kommentare: 0 Gefällt mir: 0

Kategorie: Texte -> Kolumnen










Die Sprache der STASI


Christof Bergmann: Die Sprache der Stasi. Ein Beitrag zur Sprachkritik

Göttingen, 1999

"...und wenn sie mich zerreißen, das Buch ist in der Welt!..."


Das Autor nimmt den Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik bei seinen Worten.
Viele Menschen empfinden, vermutlich, die Sprache der Staatssicherheit als abstoßend. Christof Bergmann, ein erimitierter Professor für deutsche Sprachwissenschaft der Universität Chemnitz, ist es in seiner Arbeit gelungen, einige Gründe zusammen zu tragen,
die die abschreckende Wirkung der untersuchten Sprache deutlich erkennbar machen. Der Autor analysierte deshalb die Sprache der Akten u.a. nach den Veränderungen, die das ausgeprägte Freund-Feind-Denken des Dienstes in den Sprachgebrauch trug.

So entspricht der Gebrauch des Wortes „aufklären" bei der Staatssicherheit keiner bisher gebräuchlichen Form. Dieser Sprachgebrauch hat kein Beziehung zur Sprache von Immanuel Kant, der die Aufklärung 1784 als den Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit bezeichnete. Kant fährt fort: „ Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit , wenn dieselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Ist also der
Wahlspruch der Aufklärung."
Auch der umgangssprachliche Gebrauch des Wortes "aufklären", im Sinne von einweihen, insbesondere in geschlechtliche Vorgänge, hat mit dem Gebrauch des Wortes durch die Staatssicherheit nichts gemeinsam. Dieser Ausschluß gilt auch für den Gebrauch des Wortes durch das Militär: diese klären Gelände auf, Nachschubwege und militärische Kräfte. Der Staatssicherheitsdienst dagegen klärte Menschen auf, als wären sie ein feindlich besetztes Gelände. Für den Dienst war in einem Operativplänen z.B. „ die Aufklärung der Ehefrau" und „ die Aufklärung des Sohnes" wichtig. Der Staatssicherheitsdienst benutzte das Verb normenwidrig: bezogen auf Menschen. Bei seiner Aufklärung verschaffte sich der Dienst Wissen über die Persönlichkeit des Betroffenen. Dieses Wissen sollte u.U. operatives Handeln gegen diese Person ermöglichen. Es ging dabei um die Ermittlung von
Schwachstellen, mit denen man Menschen im je gewünschten Sinne zusetzen konnte.
Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit dem Gebrauch der Tätigkeitsworte „herausbrechen" und „zersetzen". Der Autor erläutert die Bedeutungsverschiebungen (verglichen mit der Normalsprache) von Verben mit einem Akkusativobjekt. In der Umgangssprache werden Steine z.B. aus einer Felswand gebrochen. In der Sprache der Staatssicherheit wurden Menschen aus ihren Beziehungen „herausgebrochen". Auch andere Tätigkeitworte nutzte die Staatssicherheit eigentümlich, etwa: bearbeiten, arbeiten an, nutzen. Fast immer wird anstelle eines unbelebten Objektes, wie es die Umgangssprache fordert, ein menschlicher Bezug gesetzt. Die Menschen werden sprachlich zu Objekten. Diese Veränderung der Sprache
hat einen fürchterlichen Bezug zur Wirklichkeit: in operativen Vorgängen wurden Menschen zu Objekten.

Des weiteren beschäftigt sich der Autor mit Wortfeldern im Sprachgebrauch des Dienstes.Das Wort „lügen" bezieht sich in den Akten in den allermeisten Fällen nicht auf die Staats-
sicherheit, sie wählt für ihr diesbezügliches Handeln die Worte konspirieren, geheim halten,tarnen oder täuschen. Öfter noch werden die entsprechenden Dingworte genutzt:
Konspiration, Geheimhaltung, etc. Die Verdinglichung der Sprache ist einer Tradition der Amtssprachen entnommen.
In dem Kapitel über die Struktur des geheimdienstlichen Apparates beschäftigt sich Christian Bergmann mit den Machtebenen des Dienstes und mit den unterschiedlichen Sprachformen und Sprachinhalten , die auf jeder Ebene geschrieben wurden.
Im letzten Kapitel geht es um die Sprachformen aus denen die
Sprache des Staatssicherheitsdienstes sich entwickelte. Herr Bergmann weist auf Geheimsprachen und Zeichen von Geheimgesellschaften als einige Vorgänger. Eine geheime
Sprache stellen die Abkürzungen dar, die die Texte nur für Eingeweihte verständlich machen. Für Außenstehende waren viele Abkürzungen unverständliche Zeichen. Dies nützte der Geheimhaltung der Arbeit. Noch nach der Wende 1989 kannte fast kein Außenstehender
die Bedeutung des Zeichen „IM". Außerdem haben Militärsprache und die Sprache anderer Geheimdienste (wahrscheinlich vor allem der sowjetische) die Sprache der Staatssicherheit
geprägt.
Das Buch bietet einen neuen Blick und frische Belehrung zu dem traurigen Thema: „Staatssicherheitsdienst der DDR„.


Hartmut Holz (Berlin)


© Hartmut Holz


2 Lesern gefällt dieser Text.



Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Die Sprache des Staatssicherheitsdienstes der untergegangenen sowjetischen Besatzungszone"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Die Sprache des Staatssicherheitsdienstes der untergegangenen sowjetischen Besatzungszone"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.