Da war doch noch was…

© Alf Glocker

Komisch ist es schon, daß, wenn ich mich manchmal nur für einen kurzen Augenblock im Spiegel sehe, dort ein scheinbar ganz anderer steht.
Oder anders ausgedrückt: Ich erkenne mich gar nicht!
Ich weiß, daß ich in der Zeit vorhanden bin, als ein fühlendes Ganzes – eine Gestalt mit Ängsten und der Fähigkeit Schmerzen zu empfinden, doch dann überlegt etwas in mir, wohin das noch führen soll mit diesen unnützen Bemühungen.

Ich wähle, ich arbeite, ich versuche Menschen zu lieben, die mich einfach, ihren Geschmäckern entsprechend in ihr Leben mit eingebaut haben, so als würden sie dort ein Bild aufhängen, aber ich kann nichts bewegen! Die Welt wird jeder Tag ein Stückchen giftiger, ein bisschen zerstörter…und immer mehr ungute Einflüsse strömen auf uns und natürlich auch auf mich ein, deren ich mich einfach nicht erwehren kann.
Und dabei höre ich andauernd komische Appelle von „oben“.

Wir sollen uns bemühen, heißt es da. Demokratie kommt nicht von selber wird behauptet. Und: Wir müssen uns für unsere Freiheit einsetzen… Aha!
Ja, woher denn? Ich glaube schon – sollte ich noch nicht völlig vertrottelt sein – gehört und gesehen zu haben, daß kaum einer in der Bevölkerung möchte was da mit ihm geschieht. Aber was nützt das?! Kaum hat man sich um irgendetwas bemüht, schon schlagen alle Bemühungen fehl und alle Hoffnungen sind ins Leere gegangen!

Und dabei soll das dort im Spiegel dann auch noch ich sein?! So ein Blödsinn! Das ist vielleicht ein Avatar, vielleicht ein Irgendwer, der verschwunden ist, sobald ich keinen Spiegel mehr vor mir habe. In Wirklichkeit (sollte es dergleichen wirklich geben) ist das, was ich da manchmal im Spiegel erblicke, eine Sagengestalt aus der Geschichte der Menschheit, die, sobald vergangen, keine Bedeutung mehr hat, nie eine hatte und niemals eine gehabt haben wird, solange die Dämonen der Angst über sie entscheiden.

Selbstverständlich bin ich mir bewusst, daß „Angst kein guter Ratgeber“ ist, aber was dann? Die Naivität daran zu glauben, daß alles gut werden wird, wenn wir nur lange genug gewartet haben? Wenn ich einfach meinem Schicksal vertraue, mein Dasein vertrauensvoll in die Hände von Augenwischern, Scharlatanen, Gewinnsüchtlern und Despoten lege und meine, daß ich fortgesetzt Halluzinationen auf den Leim gehe, wenn ich meine verraten und verkauft zu werden, dann liege ich richtig???

Wer also ist das dort im Spiegel? Wer soll das sein? Ich fühle nicht, ob oder daß ich das bin! „Ich“ – was für ein kurioses Wort?! Ein Haufen Fleisch, Blut und Knochen, angefüllt und getrieben von Hormonen, ohne sich je absolut darüber im Klaren zu sein warum er (der Haufen) will was er will und warum er gerade mal wieder Opfer anderer Anhäufungen von Fleisch, Blut und Knochen geworden ist, die wesentlich effizienter gedacht haben als er selbst, weil er ehrlich und eben nicht raffiniert war?

Hach, das kann doch nur ein Gespenst sein das haltlos durchs Universum geistert, das den Jahreslauf als sein Drumherum betrachten muss, weil es nicht weiter als bis zum Tellerrand denken kann. Das weiß ich jetzt! Wie kann ich mich nun aber „vergessen“? Kann ich tatsächlich so tun als gäbe es „mich“ nicht und kann ich alle Empfindungen verweigern, die auf mich einzustürmen versuchen? Soll ich mich einfach hinsetzen und warten bis es zu Ende ist, ohne Rücksicht auf alles was ich zu sein scheine?

Das könnte euch so passen!! Ich vergehe und viele andere (bis hin zu Halbaffen) nehmen meinen Platz ein. Von wegen! Da spiele ich doch lieber diese kuriose Person, die da in Raum und Zeit vorhanden ist um einen Ablauf mit zu verfolgen, der in sich unlogisch und an sich nicht vertretbar ist und lasse mich misshandeln: geistig und körperlich. Was bildet sich diese Schöpfung eigentlich ein?! Daß ich den Schwanz einziehe und mich geknickt nach Hause ins Jenseits verziehe? Ich habe nur was ich habe, also bleibt mir vom Leibe, sonst…


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Da war doch noch was…"

Re: Da war doch noch was…

Autor: Sonja Soller   Datum: 20.10.2021 8:45 Uhr

Kommentar: Deine Zeilen lassen mich nachdenklich werden.
Das "sonst" gefällt mir sehr gut!!!!

Herzliche Morgengrüße aus dem sonstigen Norden, Sonja

Re: Da war doch noch was…

Autor:   Datum: 20.10.2021 10:53 Uhr

Kommentar: Oh ja, die Frage der Identität ist zweifelhaft - man bekommt eingetrichtert, dass man diese Person ist, aber wenn man genau hinschaut, so bleibt ein sterblicher Körper und ICH sehe das. Der Rest ist ein Mitschwimmen im Strom des Lebens …

Tolle Ideen und Worte deinerseits, lieber Alf!

Lg Herbert

Re: Da war doch noch was…

Autor: Wolfgang Sonntag   Datum: 20.10.2021 11:05 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
wertvolle Zeilen. Ich weiß, dass du mit deinem Spiegel Text auf die inneren Werte anspielst. Es erinnert mich aber auch etwas an meine Vergangenheit: Die ganze Nacht Musik gemacht, gesoffen und am nächsten Morgen das "Monster" da im Spiegel nicht erkannt.
Liebe Grüße Wolfgang

Re: Da war doch noch was…

Autor: Alf Glocker   Datum: 20.10.2021 14:09 Uhr

Kommentar: Sonja - danke dir herzlich!
Herbert - Ja, das ist so ein Gefühl das mich immer intensiver beschleicht wenn ich mir anschaue was mit uns (und mir) passiert...
Wolfgang - erfrischend...kenn ich. Nur Musik hab ich keine gemacht. Dafür gehört. Der Rest passt aber wieder ganz gut!

LieGrü an alle!
Alf

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