„The Global Village – Der Weg der Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert.“ ist ein zentrales Werk des kanadischen Medienwissenschaftlers Herbert Marshall McLuhan. Bereits Anfang der 1960er Jahre, in dem Zeitalter, wo Fernseher, Radios und Telekommunikationsgeräte bereits sämtliche Haushalte in der westlichen Welt bewohnten, beschreibt McLuhan im Allgemeinen die Ursachen und Auswirkungen der technisierten Prozesse, sowohl auf der individuellen, sozialen als auch auf der globalen Ebene.

Weiteres Augenmerk legt er auf die Folgen der technisch angewandten Elektrizität und die daraus entwickelten Medientechnologien. Der unverkennbare Einfluss beider auf unser Kulturleben, die ansteigende Informatisierung und die ausbreitende mediale Vernetzung hinterlassen ein unleugbares Gepräge innerhalb der gegenwärtigen Gesellschaft. The global Village stellt sich den heute aktuellen Fragen wie: Wie beeinflussen die technologischen Entwicklungen die kulturelle und politisch-ökonomische Einstellung von Gesellschaften? Nach welchen Regeln setzen sich technologische Innovationen in der Gesellschaft und bei den Nutzern durch? Wie formt und normt die Technikgenese unser Verhalten, unsere Wahrnehmung, unsere Interessen? Was trägt die anhaltende Implementierung technischer Produkte zur gesamtgesellschaftlichen Dynamik und Organisation bei? In welchem Verhältnis stehen Ökonomie, Technik und Gesellschaft? usw.usf.

Seine weitreichenden Überlegungen erfassen ein breites Spektrum an öffentlichen, sozialen, kulturellen, psychologischen und medientechnischen Fragestellungen und Faktoren. Aufgrund der ausufernden Themenvielfalt und den unzähligen Verbindungen zu weiteren Wissenszweigen geht McLuhans Erklärungsansatz weit über eine reine Medientheorie hinaus. In ganzheitlicher Absicht, assoziativem Geschick und mit künstlerischem Erkenntnisvermögen ausgestattet, versucht er künftige Folgen aus damals gegenwärtigen Tendenzen abzuleiten. Die anhaltende Technisierung sämtlicher Lebenswelten haben strukturverändernde Gesamtwirkungen auf gegenwärtige und zukünftige Globalprozesse. In dem Zusammenhang redet er von einer übernationalen Vernetzungskultur, die durch die Möglichkeiten des Internets und der multimedialen Kommunikation, mehr und mehr zu einer elektronischen, informationsgeladenen und technisch optimierten Gesellschaft zusammenwachsen.
Medien und ihre Wirkungen sind aussagekräftige Vermittlungsinstanzen, um mitunter auch ein neues Bewusstsein zu etablieren. Das planetarisch vernetzte Kollektivbewusstsein ist stärker als die Macht von Nationalstaatgrenzen, als die Gewohnheit von kleingeistigen Egoismen und stärker noch als der durch den Kapitalismus hervorgerufene Wahnsinn, diese gehässigen Alltagsfaschismen, die intolerante, kompromisslose und winterliche Härte in menschlichen Beziehungen und die maßlose Profitorientierung auf Kosten fühlender und lebender Organismen.
Die Welt schrumpft zusammen, indem wir uns psychisch ausdehnen. Sie bekommt einen dörflichen Charakter, weil der Einzelne anfängt weltoffen zu denken, global zu sein und weltverantwortlich zu handeln. „Der Mensch wird zum Piloten eines Raumschiffes, zum Kapitän des Raumschiffes Erde, was dann erst die Idee der Ökologie – Erde, Luft, Feuer und Wasser als allumfassende Ganzheit - entstehen ließ. In diesem Gefährt gibt es keine Passagiere mehr, sondern nur noch Besatzung.“ (. The Global Village, McLuhan ,s.133)

Vorwiegend möchte ich in meiner schriftlichen Ausarbeitung auf das Kapitel "Die globalen Wirkungen videoverwandter Technologien - Globaler Robotismus" eingehen.
Hierbei werden solcherart Fragen stets im Hintergrund mitschwingen wie:

Welcherart Vorteil haben wir von der technischen Entwicklung und welche Auswirkungen müssen wir eventuell zu befürchten haben? Ist die planetarische Technisierung dazu befähigt, uns Erfüllung oder Glückseligkeit zu bringen? Oder streut sie aufgrund der ökonomischen Verschmelzung mehr Unzufriedenheit und Leere in die menschlichen Gemüter? Sind die Bedürfnisse der kulturindustriell genormten Individuen, nur Scheinbedürfnisse oder versteckt sich hinter der allgemeinen Elektronisierung mitunter schöpferisches Potential, dass wohlmöglich tiefverwurzelte Sehnsüchte des menschlichen Wesens wirklich werden lassen?

Die elektronischen Stromkreise als Nervennetz unseres Planeten

Um ein richtiges Vorverständnis der medientheoretischen Reflexionen von McLuhan zu erlangen, bieten sich seine Überlegungen über die Veräußerlichung der menschlichen Innerlichkeit an.

Laut McLuhan sind alle Medien Erweiterungen einer psychischen oder physischen Fähigkeit des Menschen: das Rad, zum Beispiel, ist eine Erweiterung des Fußes; das Buch ist eine Erweisung des Auges, die Kleidung eine Erweiterung bzw. Ausdehnung unserer Haut und das elektrische Stromnetzwerk ist eine Ausdehnung des zentralen Nervensystems unserer organischen Leiber.(vgl. The Global Village, McLuhan, s. 121)

Generell kann man mit McLuhan sagen, dass alles vom Menschen Hervorgebrachte, sein Werkzeugbau, sein technisches Instrumentarium, seine geformten Gegenstände und konzeptionellen Manifestationen im Reellen, seine Wörter, wie auch sein Handeln, dass all das Projektionen sind, die aus dem Inneren ins Äußere des Daseins drängen und somit all jene technischen Errungenschaften äußerst praktische, produktive und zum Handeln befähigende Ausdehnungen unseres eigenen Wesens darstellen. Wir erweitern uns, um folglich wieder auf uns einzuwirken. Die Natur erzeugt Technik, und die Technik formt rückwirkend wieder auf die Natur ein. Dabei gesellt sich die Kunst zur Natur und die Natur bietet dem Künstlichen ein Raum für dessen Entwicklung. Eine gegenseitig beeinflussende Interaktion zwischen Natur und Technik entsteht. Weiterhin verändern Medien die Umwelt und damit die Gewichtung der Sinneswahrnehmung. Schon die Erweiterung eines einzigen Sinnes verändert unser Denken und Handeln im Bezug auf die Wahrnehmung unserer Welt. Die Ausdehnung spezifischer Sinne, das Zusammenwirken verschiedenster elektronischer Schaltkreise und die unablässige globale Verbreitung der Elektrotechnik führte dazu, dass uns Erdlinge nun ein elektronisches Netz, eine „kosmische Membran“ umspannt, an der wir alle angeschlossen sind und sie bzw. wir das Gesicht der Erde in steter Wechselbeziehung formen und gestalten.
„Wenn die Medien zusammenwirken, können sie unser Bewusstsein derart verändern, das ganze Universen neu in der Sinnenwelt unserer Psyche entstehen.“ (vgl. The Global Village, McLuhen,s.121)

Allerdings können die Medien, wie jedes andere Instrument, auch negativ verwendet werden. Multimediale Technologien fanden schnell Einzug in unsere Wohnzimmer. Dabei stimulieren die visuellen Reize das sich im alpha- Zustand befindliche Gehirn. In jenem entspannten Zustand können die Zuschauer leicht zu „Opfern von nichtrationalen Verkaufsstrategien“ werden. Mit psychologischen Tricks und unterschwelligen (subliminalen) marktrelevanten Botschaften werden so dann Gehirne strukturiert, die nicht zum kritischen Denken taugen sollen, sondern unablässig konsumieren, sich zerstreuen und unhinterfragt gehorchen sollen. Bedürfnisse werden künstlich erzeugt; was dem wirtschaftlichen Wachstum bisweilen positiv zugute kommt, schlägt sich in vollkommen widernatürliche Bedürfnisse im Menschen aus. Erfüllungszustände haben nämlich einen Mangel an- sich, sie sind unfähig finanziellen Mehrwert zu produzieren. Wenn man in Sättigung, Erfüllung und Zufriedenheit verharrt, was braucht es da noch weitere Produkte. Deswegen werden Scheinbedürfnisse regelrecht eingepflanzt, gezüchtet und in propagandistischer Weise vermarktet. Unzufriedenheit, Neid und innere Leere sind die Folgen. Konsumsucht, maßlose Geldanhäufung bzw. Verschwendung, unkritischer Zweckrationalismus und zwischenmenschliche Kälte sind die Folgen der Folgen. (vgl. Adorno/Horkheimer, Dialektik der Aufklärung)
Bezeichnend in McLuhans Buch ist, dass das Kapitel über „Satisfaction“ in etwa 3 mal kürzer ist als das über „Dissatisfaction“. Dieser Umstand kommt der Vermutung nahe, dass das Missbrauchspotential solch hochentwickelter Techniken doch höher liegt als allgemein angenommen. Bewusstseinsprägende Medien haben informierenden aber auch formierenden Charakter, sie sind dazu befähigt aufzuklären, werden aber auch dazu benutzt manipulativ das Wahre zu verschleiern.
Das Computersystem kann auch einen militanten Charakter annehmen, wo Lebensformen sich aus Abhängigkeit dem Programmschemata unterordnen, wo Logarithmen anfangen den biologischen Rhythmen Diktate vorzuschreiben, wo selbstständiges Denken, Handeln und Kreieren aufgegeben wird, aufgrund von Passivität, Hörigkeit, Frustration und Ängsten. Was tut Technik mit uns? Wer kontrolliert wen?
Zudem kommt noch die Amputation von bestimmten Fähigkeiten z.B. das Kopfrechnen; Kognitive Prozesse sind nicht ausschließlich an die Arbeitsleistung des Gehirns gebunden, sondern erstrecken sich mittlerweile in die Elektro-Technische Dimension unserer Existenz. „Der elektronische Mensch trägt sein Gehirn außerhalb des seines Schädels und das Nervennetz oberhalb seiner Haut.“ (The Global Village, McLuhan s. 130)
Die externe Kognition ist nicht mehr nur Hirngespinst, sondern ein entscheidendes Phänomen unserer Bewusstseinsqualität. (vgl. Holger Lyre/ Erweiterte Kognition und mentaler Externalismus) Hierbei sollten sich meiner Meinung nach, Vertrauen und Skepsis gegenüber technischen Geräten die Waage halten.

Denn durch neuartige Innovationen und Weiterentwicklungen sind auch gleichzeitig technisch generierte Möglichkeiten zutage gefördert worden, eine variiert neue Sprache für das Innenleben zu finden. Einige Programme bieten ein feines Instrumentarium zur künstlerischen Arbeit und Bearbeitung von Rohmaterial.
Die Kunst wird durch eine Darstellungsdimension erweitert. Das Leben findet interessante Formen, außergewöhnliche Gestalten, sonderliche Figurationen, denen man zuvor noch nicht begegnet ist. Durch das visuelle Potential aufkommender Techniken werden weitere Formen von Ausdrucksverhalten erzeugt. 3-D –Programme z.B. ermöglichen die Erschließung von virtuellen, filmischen und hybriden Realitäten. (vgl.: Susanne Jaschko/ Performative Architektur.)
Parallel zur transformierenden Wirkungsweise von Medien sollte die Verantwortung des Gestalters aber nicht außer Acht gelassen werden. Denn durch seine Arbeit suggeriert er dem Zuschauer Eindrücke, ausgewählte Bilder und visuelle Impulse, die wiederum den Rahmen für weitere Bewusstseinsinhalte darstellen.
Mitteilungsbedürfnis und kunstvolle Umsetzung der eigenen Erfahrung können aber in kaum vergleichbarer Weise an ein Medium gebunden werden, dass den Charme und Reiz von etwas Neuem und Unbekannten abstrahlt. Zudem erscheinen die Kreationen und Konfrontationen mit Irritation und Uneindeutigkeit bewusstseinserweiternde Möglichkeiten zu sein, allgemein- unverbindliche Denkprozesse in Gang zu setzten, um die je eigene Sinnlichkeit für Unsinnliches zu sensibilisieren. Eine Empfänglichkeit, die zum Ausgangspunkt für verborgene Wesenseinsichten wird. Eine neue Taktilität, ein anders gearteter Wahrnehmungsvorgang in den elektronischen Umgebungen ist möglich. Weiterhin erschaffen visuelle Experimente, gestaltete Kreation und in Bilder fließende Dynamiken, Spielräume für ungebundene Reflexionsbewegungen und bieten zusätzlich Erlebnisräume für neue Qualitäten von Sinneserfahrungen.

Und trotzdem, jede Erweiterung der Menschheit hat den Effekt, dass ein Teil erweitert und ein Teil amputiert wird. Das Telefon erweitert beispielsweise die Reichweite der Stimme, amputierte aber die Kunst der Brief-Freundschaft. Das Auto ermöglichte uns schnell und einfach weite Strecken zu überwinden, bescherte uns damit einen kaum wegzudenken Lebenskomfort, doch zugleich beeinträchtigte es die körperliche Beweglichkeit, gab der allgemeinen Bequemlichkeit Anlass sich auszubreiten und zunehmende körperliche Beschwerden, Fettleibigkeit und Unlust zur Bewegung erzeugten Gesundheitsrisiken, die heutzutage in unserer westlichen Welt ein unübersehbares Problem darstellen. Natürlich kann uns die Technik schwere, monotone, anstrengende und schweißerzeugende Arbeit abnehmen, aber zu welchem Preis und wem nützt es? Oder anderes gefragt: Wer sind diejenigen die bewusst Amputationsarbeit leisten, d.h. einige der menschlichen Individuen vorsätzlich dick, dumm, klein machen, absichtlich psychisch als auch physisch verstümmeln und wer verdient im Folgeschritt an den medialen Körperprothesen? (Hartmann/

Die Beschleunigte Welt
Bereits damals, als die industrielle Revolution ihren Vormarsch antrat, beobachtete der Dichter Heinrich Heine, dass mit dem Aufkommen der Eisenbahn und der damit verbundenen Verkürzung von Reisezeit der Raum getötet werde, und alles was übrig bliebe, wäre die Zeit. Doch gewinnen wir mit der Entwicklung künstlicher Geschwindigkeiten wirklich mehr Zeit? Sind wir noch Herr unserer eigenen Zeit?
Videoverwandte Technologien (wie: Glasfaser, Computer, Satelliten, Telekommunikation, Datenbanken und horizontal organisierte MultiDienst – Unternehmen) lösen die räumlichen Entfernungen auf, datenverarbeitende Systeme berechnen in ultraschneller Geschwindigkeit Unmengen an Informationsmaterial, und Hochgeschwindigkeits- Datenübertragungen lassen eine Art Simultanität im Raum entstehen. Medieninhalte werden zeitgleich ausgearbeitet, gesendet, empfangen, wahrgenommen, weiterverarbeitet, wieder gesendet, wieder empfangen usw.usf. „Das elektronische Feld der Simultanität verbindet jeden einzelnen mit jedem Andren. Alle Individuen mit ihren Bedürfnissen und Ihrem Streben nach Befriedigung existieren im Zeitalter der Kommunikation zur gleichen Zeit.“ (The Global Village, McLuhan, s.130)

Die nahezu uneingeschränkte Verfügbarkeit von Informationen zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten lässt aber auch eine gewisse Art von Lähmung und Passivität aufkommen. Das Angebot ist buchstäblich so massiv geworden, das es einen fast erschlägt, einfach unter sich begräbt. Wenn man nicht zu schwimmen gelernt hat, dann versinkt man in den sich überschlagenden Informationsstromschnellen.
Desweiteren kommt der Umstand, dass mit der Beschleunigung der Welt auch ein Komplexitätsknäuel entstand, das sich in sich verhedderte und viele den Überblick verloren haben. Das Streben nach Entwirrung, die Suche nach Komplexitätsminimierung und die Sehnsucht nach einem einfachen Leben sind unter den Bedingungen des beständigen Leistungsdrucks, der Getriebenheit und der Überanstrengung, nur allzu verständlich. Ist von daher die menschliche Psyche für die Simultanität geschaffen? Ist die andauernde Verfügbarkeit Segen oder doch Fluch für den Menschen? Diese Fragen bleiben für diese Hausarbeit vorerst offen.

Die traditionellen Vorstellungen vom dreidimensionalen Raum- und einer linearen Zeit sind zugunsten weiterer Wirklichkeitsdimensionen verfeinert worden, da wir heutzutage zeitgleich und über räumliche Fixpunkte hinweg miteinander kommunizieren, Tiefenstrukturen des Seins in erhebenden Bewusstseinszuständen erleben und allmählich auch anfangen unsere Lebensweise wie in einem Dorf global zu organisieren. Die Medien erschaffen neue Wirklichkeiten, eigenständig organisierte und strukturierte mediale Umgebungswelten, die mitunter eigene Naturgesetzte aufweisen und mit einer von der reellen Welt verschiedenen Logik funktionieren.

„Die Erde wird im nächsten Jahrhundert ein kollektives Bewusstsein erlangen, welches in einer alles umfassenden, elektronischen Symphonie von der Oberfläche des Planeten abheben wird, auf dem alle Nationen- wenn sie noch als unabhängige Einheiten existieren- in einem Nest spontaner Synästhesien zusammenleben, schmerzhaft der Triumphe und Wunden der jeweils anderen bewusst.“ (vgl. The Global Village, McLuhan ,s. 130)

Der Computer ist eine Veräußerung des menschlichen Gehirns

Unfertig kommen die Menschen zur Welt, wodurch Sie sich selbst zur Aufgabe werden und in handelnder Weise ihr Inneres veräußerlichen. Sie schaffen Künste, Handwerke, Innovationen, praktische Erfindungen, Instrumente und nützliche Werkzeuge zur Bearbeitung reeller und möglicher Welten. Der Computer ist ein solch erweitertes Instrumentarium des menschlichen Selbst, etwas Entäußertes.

Das Medium Computer steht nicht nur für sich selbst, jeder vereinzelte Computer ist eine materialisierte Erscheinung des hintergründigen Elektroniknetzwerkes; um up-to-date zu bleiben, wählt man die Abhängigkeit an die medialen Kommunikanten. Was macht Technik mit uns? Welche Macht hat Technik über uns? Technik und Gesellschaft sind unentwirrbar miteinander verschränkt. Dieses Hand in Hand gehen von beiden, bedeutet dass die Technikentwicklung zugleich auch ein sozialkonstituierender Prozess ist. Aber in welche Richtung driften die Tendenzen? In die totale Abhängigkeit oder in die selbstgewählte Freiheit? In eine technokratisch gesteuerte Gesellschaft mit absolutistischen Zügen, voll von Überwachung, elektronisch gelenkten Verhaltenskontrollen und eigenwilliger Beherrschung des Planeten auf Kosten der Mehrheit? oder in eine liberale Elektrokultur, eine sozialistisch-solidarische Tauschgemeinschaft, die grundlegende moralische Werte und humanistische Ideale schon so in ihre Biopsyche verinnerlicht hat, dass die technokratische Gewaltherrschaft schlicht und ergreifend aus einem besseren Bewusstsein heraus überflüssig wird?

Schon damals sagte McLuhan, dass an die Stelle der bürgerlichen Öffentlichkeit eine neue Form von sozialen Beziehungen treten wird: Geborgenheit durch Teilnahme am digitalen Schein,(vgl. ebd. S.120) Interaktive Vernetzung der Psyche mit physisch unabhängigen Prozessabläufen. Der Schauplatz des Politischen bekommt einen neuen Standort: die digitale Plattform. In Diskussionsforen, auf Internet-Videokanälen und in digitalen sozialen Netzwerken wie: Facebook, Twitter usw. werden mehr und mehr politische Debatten geführt, Meinungen ausgetauscht und aktiv am politischen Prozess teilgenommen. Eine in der Geschichte noch nie dagewesene Form von Partizipation, oder zumindest eine Möglichkeit an kritischer Anteilnahme entstand, die zum Teil sogar von Zuhause aus geschieht. Hier fungieren die Medien als neutrale Vermittler, die meines Erachtens primäre Funktion ihres Aufgabenbereichs auf der sozialen Ebene.
Nicht jeder kann aber an dieser digitalen Zugehörigkeit oder Geborgenheit teilhaben, nicht jeder kann diese elektronischen Medien nutzen. Gleichberechtigte Emanzipation ist schwierig, aus unterschiedlichen Gründen.
Schon seit 1964 beobachtete Marshall McLuhan, dass wir immer mehr in einem globalen Dorf leben, welches so groß wie unser Planet und gleichzeitig so klein ist, dass es in unser Wohnzimmer, ja sogar auf den Schreibtisch passt.

McLuhans Idee vom Global Village' scheint im World Wide Web von Tag zu Tag mehr Gestalt anzunehmen. Gerade die Kollektion und instantane Kommunikation des Internets scheinen der Vorstellung einer elektronisch vernetzten und dadurch zusammengerückten Welt noch viel näher zu sein als McLuhan es je für möglich gehalten hätte. (Second-Life, Bloq-Sport, das eskapistische Versinken in die Computerspielwelt, Chats, die physisch soziale Kontakte ersetzen, die partielle Entkörperlichung und die sich dafür einschleichende Virtualisierung der Psyche, integrieren sich in kaum aufzuhaltenden Schleichprozessen in die praktische Umwelt des Homo Sapiens.) Die Technik wird unsichtbar. Sie wird selbstverständlich und schürt zugleich unsere Abhängigkeit von ihr.

Der moderne Mensch lebt bereits heute in der digitalen Welt, denkt digital, sieht und hört elektronisch und die Digitalität wird zum unverzichtbaren Teil des menschlichen Seins. Das globale Gehirn wird jedenfalls keine entsagende Position zur Digitalität einnehmen, aus welchem es ja hauptsächlich besteht.
Globale Datenströme, hochfrequente Mikrowellen und den gesamten Globus überziehende Funkwellen durchfluten Sinnesorgane, Körper, Gehirne, Biologisches und beeinflussen gleichzeitig Wahrnehmungsmuster, Emotionen, Verstandeskräfte. Die psychischen Dispositionen sind ebenso von unsichtbaren Wellen beeinflusst. Obwohl uns kaum bewusst, baden wir tagein, tagaus in einem unsichtbaren Wellenmeer. Diese Hochfrequenzen haben spürbare Auswirkungen auf Innenleben und Organismus. Informationen fluten nicht nur in der digitalen Welt, sondern schwappen über ihre Ufer hinaus, überschwemmen trocken gewordene Bewusstseinslandschaften und bewässern die Reale Welt mit nährreichen Informationen. Wie der Nil in Ägypten damals wie Heute die umgebende Uferlandschaft mit nahrhaften Wasser versorgt und so staubige Erde zu fruchtbaren Schlamm umwandelt, durch welchen die Agrarwirtschaft prächtig gedeihen konnte, und gesunde, ausreichende Ernteerträge zustande kamen, so bewässert und befruchtet auch der digitale Informationsfluss das Saatgut der reflexiven Bewusstseinsebene.

Leider gibt es im Informationsmeer auch viel Informationsmüll, sodass kolossale Verschmutzungen, Verfälschungen und folgenschwere Vergiftungen aus manch einem fischartigen User nicht mehr wegzuimpfen sind. Denn selbst falsches Wissen hat die Neigung, sich zu reproduzieren, indem es durch ausgeklügelte Effekte tief in das Emotionsleben eingreift und somit sich im Gedächtnis verankern kann. Illusionen und Lügen entfalten dadurch eine ungeheure Resistenzfähigkeit. Das Unwahre bildete nämlich geschickte Mechanismen aus, die es ihr ermöglicht, trotz allem am Leben zu bleiben. So stehen gewisse Unterscheidungen zwischen Sein und Schein, zwischen wirklichkeitsgetreuer Abbildung und wirklichkeitsentstellender Betrügerei, zwischen Wahrheit und Fiktion zunehmend auf wackligen Beinen.


Die vernetzte Elektrokultur

Ursachen auf der einen Erdhalbkugel, wie zum Beispiel der technische Ausfall eines Betriebes, erzeugen Wirkungen auf der anderen Hälfte des Planeten, wo folglich die Weiterverarbeitung des Produktes in Stagnation gerät. Der bekannte Schmetterlings-Effekt wird zum Sinnbild von modernen Globalprozessen.

Hier und dort wird die Verantwortung spürbar dezentralisiert, entpersonalisiert, sozialisiert sowie auch horizontalisiert; das Gefühl und das Bewusstsein eigener Verantwortung breitet sich im globalen Raum aus und sickert in alle sozialen Schichtungen und Bewusstseinsöffnungen.

Mit der Fortentwicklung der Technik, der zunehmenden Technisierung des Lebens und dem drahtlosen Netzwerk des WorldWideWeb ummantelte ein teils unsichtbares, elektromagnetisch– geladenes Informationsgeflecht den Globus. Informationen und Wissenspartikel fließen und breiten sich nahezu auf der gesamten Erde aus. Die Erde ist elektromagnetisiert. Das menschliche Individuum und die Gesellschaft ebenso. Elektrizität, Strom, Lichtenergie wellt sich um die Erde, umarmt den Planeten und gibt ihr hoffentlich die nötige moralische Gerichtetheit. Denn elektronische Felder erzeugen einen all-einheitlichen Verbund der Organismen. Das kollektive Bewusstsein lässt uns mental, emotional und global zusammenrücken. Das durch Elektrizität geformte Weltdorf mitsamt der „elektronischen Gesellschaft“ und den am Gemeinschaftsgeist teilhabenden Individuen sensibilisieren sich so für die Wünsche und Bedürfnisse der Mitmenschen.( The Global Village, McLuhan, s.133)
Mitgefühl, Achtsamkeit und ein tieferes, feinfühligeres Verständnis vom Sein und Werden reihen sich ungezwungen in die innere Struktur der Individuen ein. Intuitionen werden zu Gewissheiten. Emotionen zu handlungsanleitenden Impulsen. Ein gemeinschaftlicher Verbund, geprägt durch finanzielle Ausgeglichenheit und emotionale Vernunft.

Unzensierte Informationen, Mikrowellen und interaktive Satellitensignale, die sich über Nationalstaaten hinweg ausbreiten, können sogar unterstützend zur Destabilisierung von politisch fehlorganiserten Regierungssystemen führen. Aktuelle Beispiele: Tunesien, Ägypten, Libyen usw. (Arabischer Frühling) Kommunikationsmedien, wie Mobiltelefone, Internet, aber auch der Empfang vom Satellitenfernsehprogramme führten vermehrt zu sozialen Mobilisierungen und Protestbewegungen.
Die Informations- und Telekommunikationstechniken expandieren und ihr Einfluss steigt ins Unermessliche. Nicht ohne Grund wird unsere postmoderne Zeit als Informations- und Wissenszeitalter betitelt.
Dabei tragen sie zu einer Art Enthierarchisierung bei und befördern den Aufbau von horizontal organisierten Gesellschaftsordnungen.

Laut Francis Bacon ist Wissen gleich Macht. Und indem sich Wissen unaufhörlich repliziert, neue Formen von sich kreiert und Eingang ins individuelle Bewusstsein findet, lösen sich vertikale Autoritätsverhältnisse zugunsten von horizontalen Interaktionsbeziehungen auf. Der uneingeschränkte Zugang zu Wissen hebt die Unsymmetrie von Herr und Knecht auf. Damit einher geht eine Verlagerung von dem Schema: Befehl –Ausführung hin zum verhandelnden Gespräch und zum informellen Austausch. Wissen erzeugt Aufklärung, Gleichberechtigung und Offenheit. Da nicht jeder alles überblicken kann, und der Einzelne nie vollständig über etwas bescheid weiß, sind die vorhanden Wissenslücken hervorragende Ansatzpunkte zur kommunikativen Ergänzung. Diskursivität und Wissensausgleich (einem Konzentrationsausgleich bei Gasen gleich) ersetzen Starrheit in der Meinungsbildung und dogmatische Verhärtungen von Überzeugungen. Das autonome Eingeständnis, dass niemand vollständig über etwas Auskunft erteilen kann, schafft kritische Distanz zum Gesagten, eine gesunde Skepsis und schult den inneren Sinn zum uneigennützigen Verstehensprozess.

„Über der verkabelten Gesellschaft, die geschichtlich durch Telegraphen- und Telefonverbindungen verkörpert wird, schließt sich seit etwa 1900 langsam ein kabelloser Baldachin aus Fernfunk, Hochfrequenztechnik und Satellit. […] Die offene kabellose Übertragung, da in ihrem wahren Kern akustisch, ist eine Gruppenstimme.[…] Der HörRaum besitzt die Eigenschaft des interaktiven Modus: des Dazwischen.“ (The Global Village, McLuhan s.158)

Die akustische Sphäre des Seins verschmilzt mit der visuellen Dimension. Das Ergebnis sind fluide Raumgestaltungen, die durch multimediale Ergänzungen zu ihrer temporären Form gelangten und den vorhandenen Raum somit erweitern, dehnen, aufladen, gleichsam entsteht einen Raum im Raum.
McLuhan: „Es werden neue Räume hervortreten, der simultane wird aus dem sequentiellen, der mystische aus dem historischen, der akustische aus dem visuellen Raum auftauchen.“ (ebd. S. 144)

Schon heute leben wir in einem globalen Dorf, einem Happening der Gleichzeitigkeit. Laut McLuhan kehren wir wieder in den akustischen Raum zurück, wir entwickeln wieder jene urtypischen Gefühle und Stammestypischen Empfindungen aus, von denen uns einige Jahrhunderte der Schrift, der industriellen Entfremdung und der Glorifizierung des Egos getrennt haben.
„Die alles verschmelzende Kraft, die von der Fusion des Digitalcomputers und der Hochgeschwindigkeits-Übertragungsanlagen ausgeht, erzeugt den Stammesmenschen.“ (ebd. s.163)
Vermeintlich primitive und vor-alphabetische Kulturen verstehen Raum und Zeit als Einheit, leben weniger in einem visuellem, sondern eher in einem von Geräuschen, Gerüchen und intuitiven Gedanken bestimmtem Raum, ohne Horizont, ohne Grenzen.
Die Stammeshaltung, die sich wieder auf jenes intuitiv richtige Urvertrauen zurückbesinnt, weiß um die simultane Differenz und Einheit vom Sein als solchen.
Ein von McLuhan gewünschtes: Zurück zur Natur durch die Technik.










Literaturverzeichnis:

Marshall McLuhan, The Global Village – Der Weg der Mediengesellschaft in das 21. Jahrhundert, Junfermann Verlag, Paderborn, 1995

Susanne Jaschko, „Performative Architektur – Mediale Erweiterung und Dekonstruktion von Räumen“, in „Raum und Gefühl“ Hg. Gertrud Lehnert, transcript Verlag, Bielefeld 2011

APuZ, bpp., 39/2008 22.Semptember 2008 Bundeszentrale für politische Bildung,
„Neue Medien – Internet – Kommunikation.“

Max Horkheimer/ Theodor W. Adorno, Dialektik der Aufklärung, , Verlag De Munter Amsterdam, 1968


© Alexej


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