Was haben wir bloß immer mit diesen kleinen, putzigen Viren?! Die wollen doch auch bloß leben! Wir Menschen machen wirklich alles, aber auch ALLES kaputt! Wären wir nur eine Spur bescheidener, dann müssten wir sagen: „Nein, es genügt nicht, daß wir kein Fleisch mehr essen, wir sollten uns auch von den Pflanzen fernhalten – das sind auch Lebewesen!“ Außerdem und überhaupt: Die Pflanzen gehören den Heuschrecken!

OK, wir dürfen die Felder bestellen, wir sollten aber auch abwarten und sie nicht einfach brutal abernten, sondern erst mal schauen, ob da außer uns noch irgendwer Hunger hat. Wir sind soooo reich und wir wollen alles für uns selber verprassen. Dabei haben wir den anderen alles weggenommen! Und die stehen jetzt da und bekommen riesengroße Augen, wenn wir mit unseren fetten Limousinen, die wir aus unseren Garagen, neben unseren schönen Häusern, oder unter unseren feudalen Wohnungen geholt haben, an ihnen vorbeifahren. So geht das nicht, liebe Freunde!

Ratten, Asseln, Spinnen und Spinner suchen schließlich auch standesgemäße Unterkünfte – und was ist mit den Vampiren? Haben wir schon mal gefragt wie es denen ergeht, wenn wir uns teuer anziehen und sie nicht mehr an unser Blut lassen? Unser Blut haben wir in Beutel verpackt, um es den Kannibalen unter uns vorzuwerfen, die es freudig zur Bank tragen, um es gewinnbringend anzulegen…das ist die Wahrheit und nichts Anderes!

Bedenken wir doch endlich, daß wir auch mit den Bazillen verwandt sind! Mit Bakterien aller Art, mit Amöben und Mehlwürmern…es ist alles enthalten in einer einzigen, homogenen, oder diversen DNA, die unseren Ursprung darstellt – und der liegt bekanntlich wo? Genau: bei uns jedenfalls nicht!! Wir können froh sein, daß uns die Schlammspringer akzeptieren! Genau genommen müssten wir allen, die da sind, jegliches Terrain überlassen, Wasser und Luft. Und ja, genau, wir sollten auch ganz dringend sofort mit dem Atmen aufhören, weil eines ganz sicher ist: Wir atmen irgendjemandem etwas weg…und wenn es die Luft ist!

Pflanzen, Tiere, Insekten und anderes Irgendwas, das wir hundsgemein auch noch bisweilen als „übles Geschmeiß“ bezeichnen, haben uns gegenüber, wenn man’s genau nimmt, einfach angeborene Vorrechte: Sie sind urtümlich und von daher überall indigen! Haben wir das jetzt kapiert?! Wir haben nichts „entdeckt“! Es war und oder entweder alles schon da, oder jemand war schon vor uns da und deshalb sollten wir schleunigst von dort (das überall ist) verschwinden. Aber wir sehen das ja (noch) nicht ein!

Wir Deppen wissen alles besser, wir glauben wir könnten friedlich mit Ungeziefer zusammenleben! Keine Wanze wird uns beißen, keine Schlange vergiften, kein komischer Vogel vögeln, kein Trampeltier uns zertrampeln, kein Mücke stechen, kein Macky uns messern und uns niemand in Sekten zur Türe hinaus bekehren, egal wie groß die Insekten sind. „Tod, wo ist dein Stachel?!“

Wir sagen: „Er ist bei den Beeren, die uns nicht geheren, er fällt mit den Äpfeln aus bäumlichen Wäpfeln, die, genau genommen „Wipfel“ ausgesprochen werden würden, wenn Früchtchen sprechen könnten! Aber an dieser Stelle sollten wir zugeben: Es gibt grundsätzlich nur saubere Früchtchen, keines ist verwurmt…uns muss nichts wurmen, denn wir führen die Heuschrecken zum frischen Wasser, wenn sie woanders grad nichts zum Abernten finden, sondern halt lieber ausschwärmen.

Sie dürfen sich gütlich tun, uns sind sie willkommen, denn wir hatten sowieso vor uns unsichtbar zu machen, damit etwas Nützlicheres für den Armageddon, an unsere Stelle tritt und dem übrigen Ungeziefer dann alles wegfrisst…was wir natürlich auch gleich hätten machen können, wären wir nicht so ungeheuer rücksichtsvoll gewesen. Wir könnten aber auch einen neuen Affengott anbeten, einen goldenen Kalbskopf, der z.B. ein Riesenreich aus dem Staub der Jahrhunderte zerren will, wo es, genau genommen, vorzüglich aufgehoben war.

Lassen wir also den Viren den Vortritt und beschäftigen wir uns mit dem Rücktritt, aber nicht mit der Rücktrittbremse – wenn überhaupt noch einer weiß was das ist, im Zeitalter einer gewaltigen Bildungsoffensive, die sich hauptsächlich mit Vampiren und Ratten beschäftigt, mit den Heuschrecken, denen unsere Felder gehören, weil das Insekten so gepredigt wird, egal wie groß sie sind, oder mit unserer Hilfe noch werden können, weil wir uns kaum noch zu atmen trauen. So, jetzt ist alles gesagt – also reißt euch gefälligst zusammen!!

Die armen Viren

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Die armen Viren"

Re: Die armen Viren

Autor: Bluepen   Datum: 16.08.2020 10:03 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,

ich habe mich köstlich bei diesem Essay unterhalten. Du beschreibst mit soviel Wortwitz das Leben der unsichtbaren und wenig beliebten Tiere, dass es eine Freude ist.

LG - Bluepen

Re: Die armen Viren

Autor: Verdichter   Datum: 16.08.2020 11:25 Uhr

Kommentar: Lieber Alf, mir geht es wie Bluepen. Sehr geschmunzelt! Bist du unter die Umweltpassivisten gegangen?

Gruß, Verdichter

Re: Die armen Viren

Autor: Alf Glocker   Datum: 16.08.2020 13:20 Uhr

Kommentar: Bluepen - das freut auch mich... LG Alf

Verdichter - Ich danke Dir... nö, ich hab nur mal so alles überschlagen... LG Alf

Re: Die armen Viren

Autor: Vergissmeinnicht   Datum: 16.08.2020 14:41 Uhr

Kommentar: ....ja Alf....ich hatte Spass beim Lesen...gruß Vergissmeinnicht.

Re: Die armen Viren

Autor: Alf Glocker   Datum: 16.08.2020 17:03 Uhr

Kommentar: Dank Dir liebes Vergissmeinnicht!

LG Alf

Re: Die armen Viren

Autor: Sonja Soller   Datum: 16.08.2020 18:59 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
du bringst mich nicht nur zum Nachdenken mit Deinen Gedichten und Texten,
nein, auch zum Schmunzeln und zum herzlich Lachen.
Es hat Spaß gemacht diese Zeilen zulesen!!!!

Herzliche Grüße aus dem noch schmunzelnden Norden, Sonja

Re: Die armen Viren

Autor: possum   Datum: 17.08.2020 1:47 Uhr

Kommentar: Ja dies ist eine Kunst man darf grinsen und doch triffst du aus dem Hinterhalt genau ins Schwarze in deinen Werken lieber Alf,
Dank!!!!
lieben Gruß!

Re: Die armen Viren

Autor: Alf Glocker   Datum: 17.08.2020 7:44 Uhr

Kommentar: Vielen Dank liebe Freunde...
ich muss mich wieder mal beeilen.

LG Alf

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