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Natürlich ist der Wahnsinn, auch nicht der alltägliche, nicht einfach nur eine pseudo-soziale Einrichtung. Er will schon vor allem gekonnt sein. Fleiß und Akribie sind nötig um seine heilsame Wirkung der übrigen Welt angedeihen zu lassen.

Nicht immer erkennen wir seine Grundlagen und Bedürfnisse sofort zweifelsfrei, weshalb es auch nicht genügt, sich einfach seine ureigensten Gedanken dazu zu machen. Zum Glück gibt es jedoch diverse Hand- und Weißbücher, die uns anschaulich schildern wie er zu funktionieren habe (man orientiere sich einfach am vorherrschenden Modetrend).

Aber nicht nur die gewissenhafte Gewissenlosigkeit ist dabei ausschlaggebend, man sollte auch dringend die eigenen Absichten und Anlagen unter die Lupe nehmen. Untersuchen wir zuerst einmal, ob wir vertrauenswürdig sind! Können wir uns, nach außen hin so darstellen wie man es gerne sieht? Gibt es Menschen die uns das abnehmen, die uns bereitwillig Glauben schenken?

Dann sollten wir uns ich Acht nehmen, denn dieser Zustand muss unbedingt erhalten bleiben! Er dient uns als Deckmäntelchen unter dessen Fittichen sich allerhand verbergen lässt. Nicht nur den anderen, sondern vor allem uns selbst sollte es ein Geheimnis bleiben, wie wir wirklich sind. Nur dann kann es uns gelingen mit geschickten Äußerungen, Wehrlose aus der Fassung und uns selbst in den Genuss eines Vorteils zu bringen.

Ein wichtiger Grundsatz aus den inoffiziellen Anleitungsrichtlinien zum Wahnsinn lautet: „Bringe selbst etwas in Erfahrung, teile dies niemandem mit und mache dich rechtzeitig darüber lustig, wenn einer nicht weiß was du weißt“. So verunsichert man, bei regelmäßiger Anwendung, Naive oder Schwächere um sich herum tödlich – es dürfen auch ruhig die Gutmütigen sein.

Jetzt brauchen wir nur noch gekonnt verbergen, was wir alles nicht wissen (damit keiner über uns lachen kann), und alles wird gut! Bald werden wir, sollten wir konsequent und unbarmherzig, pardon, entschlossen und selbstbewusst bleiben, über die Mittel verfügen, nach denen sich jedermann sehnt.

Wer inzwischen auf ehrliche Zusammenarbeit und offene Karten gesetzt hat, der wird uns beneiden. Selbstverständlich haben wir das auch – aber eben nur vordergründig. Im Hintergrund haben wir uns unseren Teil gedacht und gehandelt wo „Dümmere“ noch gezögert haben. Unser mittlerweile ehrlich erworbenes Ansehen verhilft uns zur nötigen Glaubwürdigkeit um nicht aus der Bahn zu geraten.

Das überlassen wir anderen! Und wir werden das auch gleich als ein „Auf-die-Schiefe-Bahn-Kommen“ bezeichnen, wenn uns ein Vorteil dabei winkt. Man bedenke: auch die Darstellung der eigenen Persönlichkeit als absolut integer ist ein Zugewinn! Ein Zugewinn, der andere Gewinne automatisch nach sich zieht, denn mit wem wollte man schließlich lieber Geschäfte machen, als mit einer integeren Persönlichkeit?!

Selbstverständlich dürfen uns, während wir derart „rational“ vorgehen, niemals fragen, was unser Handeln mit dem Wahnsinn zu tun hat! Wir dürfen nur darauf achten wie weit wir damit kommen – nicht in Zukunft, nicht im Interesse späterer Genartionen, nein, ausschließlich in unserem Interesse, von genau hier bis zum Tellerrand. Denn die Grenzen des Wahnsinns dürfen niemals überschritten werden…von innen versteht sich!

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: axel c. englert   Datum: 10.05.2015 13:41 Uhr

Kommentar: Der Wahnsinn bis zum Tellerrand -
Geht niemals über den VERS - tand...

LG Axel

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: possum   Datum: 11.05.2015 1:33 Uhr

Kommentar: nie darüber hinaus dem Rand, dies hast du gut erkannt, wie immer toll aufgeschrieben für uns! Danke dir und liebe Grüße!

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: Alf Glocker   Datum: 13.05.2015 17:59 Uhr

Kommentar: Ich danke Euch für's Lesen und kommentieren und Plussen :-)
LG Alf

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