123. Schritt

Sich am allgemeinen Wahnsinn beteiligen zu wollen ist für Nichtwahnsinnige wahnsinnig schwierig. Weiter erschwerend kommt noch hinzu, daß sich sowohl Wahnsinnige, als auch Nichtwahnsinnige als nicht wahnsinnig bezeichnen.

Wie viel Wahnsinn das Treiben der Wahnsinnigen erfordert, können zwar nur Nichtwahnsinnige beurteilen – ungefähr so wie nur Nichtraucher beurteilen können, daß Rauchen gesundheitsschädlich ist – aber der Mitmachaufwand ist so beträchtlich, daß er selbst schon wieder als Wahnsinn bezeichnet werden muss.

Um nicht aufzufallen ist es zu allen Zeiten nötig gewesen wahnsinnsimitierend aktiv zu werden. Ob das nun ein Mitscheitern beinhaltet oder nicht. Wer nicht mitwahnsinnig ist und nicht mitmacht, der scheitert noch früher als die vom Wahnsinn befallene große Mehrheit. So ist man als Nichtwahnsinniger gezwungen einen Wahnsinnigen seiner Wahl zu spiegeln, seinen Scheinerfolg mit zu erleiden und später, wie er, sagen, man habe von nichts gewusst.

Das Fatale dabei ist, daß der Imitator mitscheitert, aber im Gegensatz zum Original sehr wohl wusste was tat, tun musste, um nicht schon früher zu scheitern als der zum Scheitern verurteilte Wahnsinnige. Man könnte sich also fragen wer von beiden nun der Wahnsinnigere gewesen ist, der Wahninnige oder der Nichtwahnsinnige.

Der Nichtwahnsinnige ist von Natur aus schuldig, der Wahnsinnige jedoch unschuldig. Seine „Krankheit“ spricht ihn von allem frei! Er ist quasi ebenso das Opfer seiner Taten, wie das/die Opfer selbst und muss daher praktisch als erstes Opfer des Wahnsinns bezeichnet werden.

Auf diese feine Art und Weise regelt sich wieder einmal alles wie von selbst. Der Wahnsinn kann, nein, er darf nicht erkannt werden, weil niemand beleidigt werden darf, sobald er als vollwertiges Mitglied einer (wahnsinnigen) Gesellschaft bezeichnet werden kann.

Das wiederum setzt dem Wahnsinn die Krone auf. Und die hat er ja auch verdient, denn er regiert schließlich die Welt. Wehe dem, der das vergisst! Er würde von Wahnsinnigen wie auch von Nichtwahnsinnigen, mit vollem Recht als wahnsinnig bezeichnet werden!

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

© Alf Glocker


© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: axel c. englert   Datum: 10.05.2015 13:37 Uhr

Kommentar: Der Wahn hat einen in der Krone!
(Und Merkel ist seine Ikone...)

LG Axel

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten

Autor: Alf Glocker   Datum: 11.05.2015 14:32 Uhr

Kommentar: Harharr, das kann man getrost behaupten - die arme Frau, sie tut doch ihr Möglichstes...

LG Alf

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