Selbst ins Gesicht schlagen
immer wieder
aus grenzenloser Wut,
Anspannung, Ungeduld und Hass.
An den Haaren ziehen,
rausreißen.
So fing es an -
soweit ich weiß...
Dann Magersucht,
aufhören zu essen,
den Mangel spüren,
keinen Hunger mehr,
wie lang kann ich's aushalten?
Über Grenzen gehen.
Schwindel, Kraftlosigkeit
zum Trotz
sportliche Höchstleistungen bringen.
Und ein Lernpensum
in der Schule -
vorbildlich.
Der Liebling aller Lehrer -
wäre da nicht das
hagere Geschöpf gewesen,
das meine Hülle war.
Mit 14 Jahren
das Gegenteil:
Schule schwänzen, schlechte Noten,
aufmüpfig sein und frech.
Sitzenbleiben.
Alkohol in Massen, Joints,
von einem Bett ins nächste.
Jede Woche ein anderer
und immer war's direkt Liebe.
Schwärmte hier, träumte da,
ohne recht zu wissen,
was Liebe wirklich war.
Sex mit dem, dem und mit dem.
Nie von Dauer,
auch wenn's Am Anfang
Ewigkeit hieß.
Meinen Körper gab es gratis.
Eine Nullnummer für mich:
spürte nichts,
erinnerte mich an nichts.
Den Schmerz dissoziiert,
die Lust nie gekannt.
Fühlte mich unwohl.
Den sexuellen Übergriff
mit 12 Jahren
längst verdrängt.
Oder doch nicht?
Körpergefühl gab's woanders.
Im Sport.
Joggen jeden Morgen
bei Regen, Wind, Schnee und bei
30 Grad.
Mich spüren wollt ich
und Anerkennung.
Arbeit ging mir über alles.
Alle Aufträge angenommen,
Überstunden provoziert
und ich ging in die Luft.
Nie war ich
die angenehme Kollegin.
Eher "mit Vorsicht zu genießen"
und so hieß es immer:
"gereizt, gestresst und aufbrausend".
Maßlos in Arbeit,
maßlos in Essen.
Von der Hungerkünstlerin
bis zur Fress- und Kotzmaschine.
Von Anorexia
bis Bulimia.
Extreme ohne Kompromisse.
Ich mache keine halben Sachen.
Schmerzen muss es!
Die Nacht über der Schüssel
mit der Faust im Rachen,
am nächsten Morgen
zum 7-Kilometer-Waldlauf,
danach den Tag durchpowern.
Für die Figur gab's
Fettblocker,Glucosehemmer,
Entwässerungspillen und Abführmittel.
Und was als Teenie
mit gelegentlichem Ritzen,
kratzen und Nagelbett einreißen begann,
steigert sich von der
Nagelschere
zur offenen Klinge.
Ich heiratete,
liebte wie auf Wolken und hasste
abgrundtief,
schwor ewige Treue,
knallte Türen,
war unausstehlich,
scherte alle zum Teufel,
flehte um Verzeihung
und wollte die Scheidung.
Ich verlies,
um nicht verlassen zu werden.

Heute lebe ich alleine.
Arbeite 8 Stunden statt 14.
Versuche mal
mehr als 2 Jahre
an einem Standort
zu wohnen.
Ich weiß um meine
Impulsivität und spüre
sie anrollen.
Tiefer atmen hilft
und Fingernägel in die Haut bohren.
Öfter mal Nein sagen.
Nicht immer
ist die ganze Welt gegen mich -
auch wenn's mir manchmal noch so vorkommt.
Was geholfen hat,
ist die Therapie
und das Bewusstsein dessen,
was war:
Vernachlässigung
emotionaler, psychischer und physischer Art,
Drogenmissbrauch im Elternhaus
und an weiteren Dingen
und an meiner Amnesie
arbeite ich noch...


© schneckerine


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Beschreibung des Autors zu "Mein Leben in Extremen"

Mein Leben mit der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung in absoluter Kurzfassung ohne Anspruch auf Vollständigkeit...

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Kommentare zu "Mein Leben in Extremen"

Re: Mein Leben in Extremen

Autor: OGF   Datum: 16.02.2012 13:03 Uhr

Kommentar: manchmal hilft es nur weiter zu machen- wie entscheiden wir alle selber-wie egal Hauptsache, fühlen, leben, sich verstecken- bin auch dabei so viel zu verarbeiten, fühle mit diesem Text und mit den Gefühlen, die mit Tränen... einen Text entstehen ließen.
lg u. viel Glück Olla

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