Viren sind Lebewesen, die aus einer Proteinhülle und einem Erbmolekül bestehen. Viren im Computer sind Programme, die die gewöhnlichen PC-Programme in ihrer Funktion verlangsamen oder aufheben. Meine verblichene Festplatte wurde durch einen Virenbefall nicht mehr steuerbar für mich, das gewohnte Startbild konnte ich nicht mehr einstellen. "Das Betriebssystem ist zerstört", sagte ein junger Techniker zu mir. Wie bei Menschen, die die eigene Kontrolle über ihr inneres Sprechen verlieren, dachte ich. Sie denken dann oft Unsinn und tun ihn auch.
Vielleicht sollte ich meine Texte auf einer Erika-Maschine tippen.

Nach den Frostnächten blühten Nesseln weiß und blau am Weinberg. Weit spannte sich wieder nach Westen das Tal auf, einst von Wasser gegraben. Wald wächst nach Westen und nach Süden, nach Norden liegen Weinberge.
Alles Ferne lag im Dunst, auch die Windräder auf dem Kantrich, auf dem damals, im kalten Krieg, die Marschflugkörper in Bunkern lagen. Manchmal wurden sie rausgezogen, bei Übungen. Heute sollen sie sich auf Schiffen befinden.

Zerlegte Stämme lagen am Weg, bei einem silberfarbenem Pick-up.
Brau und grau stehen Stämme, Fichtennadeln leuchten dunkelgrün. Sacht duftete Harz. Wir luden bei der roten Wiese drei Fichtenstämme auf einen Anhänger, schälten die Rinden ab und fuhren die Stämme in das Tal. Sie sollen an einem Wandertag im Juni als Fahnenstangen neben Weinständen stehen.

Vom Bahnsteig sah ich den Dunst, in den die Sonne schien. Das gebrochene Licht leuchtete hell, flussaufwärts. Im Zug sah ich hinter der Scheibe ein Spiegelbild der Sonne, ein dunkler Ausschnitt lag auf dem hellen Kreis.
Die Knospen der Magnolienblüten am Marktplatz von Oberwesel sonnten sich. Hinter
ihren grau- grünen Schalen schienen rosa-weiße Blütenblätter. Auch den Kirschbäumchen, die am Ufer des Flusses wachsen, wuchsen dicke Knospen, lassen, in denen es weiß leuchtet. Drüben, bei Kaub, sind gerodete Weinbauterrassen mit Gras bedeckt. Helles Licht schien aufWände und Dächer.

20.3.15

An einer Ecke der Liebfrauenstraße in Oberwesel erinnert ein "Stolperstein" an Herrn Lichtenstein, der im Vorgängerbau dort lebte. Herr Lichtenstein wurde 1888 geboren
und 1943 nach Theresienstadt verschickt und später in Auschwitz ermordet. Ein Denkmal auf der anderen Strassenseite erinnert an die seit 1933 vertriebenen und ermordeten Mitbürger. Auf dem Denkmal stehen auch die Namen seiner Frau Selma
und dreier Kinder.
In den Gärten neben den Gleisen in Bacharach blühte ein Mandelbäumchen. In den grauen Bäumen auf der Rheininsel grünte es. Ein kalter, nördlicher Wind wehte den Fluß hinab.

Die Luft hier war geruchlos, ohne Gestank und ohne Düfte.

22.3.15

Weißdornbäume blühten im Dunkeln, weiße Äste ragten in das schwache Licht.
Forsythien funkelten stark gelb, Mandelbäumchen trugen Rosa dicht.

Es zog ein Duft über den Weinberg, Holunderbüsche trugen schon Blättchen. Im schwarzen, grauen Waldwerk grünten alte Zweige.

Hecken von Blütenbäumen stehen in Rheinhessen, Weissdorngebüsch und wilde Kirschen, auch Forsythien leuchten hell. Blüten hängen wie graue Schleier.
Buschreihen, Baumreihen wachsen weiß auf grau-braunem Acker. Der graue Himmel
dämpft die Farben.

28.3.15

Palmsonntag

Die Schar zog nach Jerusalem ein. Greift euch einen Esel, sagt den Leuten, er wäre für mich, sagte ihr Anführer. Kein Zeichen erschien.
Die Weltmacht arbeitete die Zwischenfälle ab. Die Priester konnten auch keinen Erlöser erkennen. Sie fragten den Anführer ihre Kontrollfrage:" Bist du der Gottgesandte?" Nach dem Gesetz darf das kein Mensch von sich sagen.

Am Kreuz war in der Mittagshitze sein Kopf schwarz von Fliegen, seine Achseln von Bremsen, schreibt Bulgakow. Jesus schrie und starb, wie alle Irdischen.

Jemand kaufte der Besatzungsmacht seinen Leichnam ab.
Schon nach siebzig Jahren wurden die Priester , nach einem niedergeschlagenem Aufstand, aus Israel vertrieben.
Nach vierhundert Jahren zerfiel das Imperium. Völkerscharen drangen ein.
Die letzten Kaiser erinnerte man an jenen Jesus, der Anhänger hatte und der alle zu erlösen versprochen hatte, die an ihn glaubten.
Sklaven und Barbaren richteten ihre Blicke auf. Ein Kaiser ließ sich taufen.
Das späte Reich nannte sich christlich und zerfiel.

Einige solcher Geschichten wurden in der Kirche vorgetragen, Kinder klatschten und stampften. Der Nachbarjunge Oskar erkannte mich beim Anstehen zum Abendmahl, er stemmte sich , neben seiner Mutter Svenja, zwischen zwei Kirchenbänke.

Worms
Violette Veilchenflächen, gelbe Bockskautbeete Gänseblümchen wachsen am Willy-Brandt-Ring in Worms auf dem tausend Jahre alten Friedhof. Die alten Sandsteine
stehen dünn, abgeschliffen vom Wetter. Einen sah ich wie einen Schwamm.
Auf einem Grabstein liegen viele Steine und Zettel. Hier wurde vor tausend Jahren
ein Rabbi begraben. Seine mit ihm schwangere Mutter drückte ihren Bauch gegen die Wand der Synagoge, um sich vor durchgegangenen Pferden zu schützen. Die Mauer gab nach, die Wölbung ist noch heute zu sehen.
Neben der Synagoge führt eine Treppe abwärts, ungefähr vier Meter tief. In zwei Meter Tiefe ist ein Podest mit romanischen Bögen gemauert, zwei Meter tiefer kann man im klaren Wasser baden. Grundwasser und Regenwasser speisen den Brunnen.

Der Synagogenraum wird von zwei romanischen Säulen gestützt. Bänke stehen darin, ein Beschneidungsstuhl, zwei große Holzstühle stehen sich gegenüber.
Ein Lesepult sah ich und den Schrein mit den Thorarollen.
Die Nazis hatten fast alle Bauten verwüstet und vermutlich tausend von zweitausend Menschen getötet. Kriegsbomben zerschmetterten noch einmal die Trümmer.
Demokraten sammelten die Trümmer auf. Ab ungefähr 1955 begann man mit dem Wiederaufbau der Synagogenanlage im Stil des 18. Jahrhunderts.
Wahrscheinlich hat damals schon die SPD die Stadt mehrheitlich regiert.
Der Friedhof überstand die Nazizeit. Wahrscheinlich haben Nazis viele Steine umgestoßen.


© hartmut holz


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