Ich stehe jeden Tag um 6:15 Uhr auf, außer in den Ferien natürlich. So auch heute. Und glaubt mir: es fällt mir sehr schwer. Deshalb habe ich mir einen super motivierenden Weck-Klingelton auf mein Handy geladen, der ungefähr so klingt: "Aufstehen, du Penner! Hier wird nicht geratzt, also schwing deinen A**** aus dem Bett und lass die Leute nicht hängen, die wenigstens etwas für die Welt und nicht für ihr eigenes Ego tun!" Er wird von derselben Synchronsprecherin von Howards Mutter aus "The Big Bang Theory" gesprochen. Ich schalte den Wecker aus, stehe auf und fange an mich anzuziehen. Bloß weil man mir den Namen Barbie -eigentlich heiße ich Daniela- verliehen hat, heißt das noch lange nicht, dass ich mich auch so anziehe und style. Rosa Lippgloss, Miniröckchen und High Heels sind nämlich echt nicht mein Ding. Vor zwei Jahren, als ich 13 gewesen bin, fand ich den Barbie-Style ganz cool, also habe ich mich angefangen auch so anzuziehen. Okay, es waren zwar keine High Heels, aber Absätze waren immer mit dabei. Ich habe mir die Haare blondieren lassen -ja ich war wirklich 13!!- und bin stark geschminkt in die Schule gegangen. Zum Glück haben mich meine Freundinnen daran gehindert nur mit einem Faden bekleidet -nicht wörtlich nehmen!- das Haus zu verlassen. Das hat mir dann sozusagen die Augen geöffnet. Zum Glück. Jetzt vertraue ich auf die gute, alte Jeans, ein stinknormales Shirt und Chucks, aber Barbie nennen sie mich immer noch. Nachdem ich mich angezogen habe, kämme ich mir die Haare und binde sie mir zu einem Pferdeschwanz zusammen. Schnell trage ich noch mein Deo auf, nehme meinen Rucksack und sprinte ihr habt richtig gehört: ich sprinte (!) in Richtung Bad. Denn wer nach meiner großen Schwester Leonie eintrifft, hat keine Chance sich fertig zu machen, das heißt kein Zähne putzen und kein Schminken. Aber heute meint es das Schicksal gut mit mir. Das Bad ist nicht besetzt und niemand steht an. Ein paar Sekündchen später stehe ich schon vor dem Spiegel und putze mir die Zähne, während Milky Chance im Radio läuft. Danach schminke ich mich, also ich schmiere mein Gesicht mit ein wenig "BB-Cream" ein, fahre meine Augenbrauen mit einem Stift nach und tusche mir die Wimpern. Als ich das Bad verlassen will, kommt mir ein verschlafener, nach Schweiß stinkender Bruder Jakob entgegen. Ich gehe mit einem großen Abstand an ihm vorbei. Glücklicherweise kaschiert er den ekelerregenden Duft mit seinem "Axe"-Deo oder wie auch immer das heißt. Aber hinterher riecht das Bad wie ein indischer Dufttempel. Und wenn sich dann auch noch Leonie deodoriert, ihre Haare mit mindestens zehn verschiedenen Haarsprays fixiert und ihr sltsam riechendes Parfum aufträgt, ist es weise das Bad nicht zu betreten. Meine eigene Erfahrung...Gott sei Dank habe ich damals die Tür gefunden, sonst wäre ich möglicherweise erstickt.
Nun bin ich in der Küche. Meine Eltern begrüßen mich und ich sie. Meine Mutter reicht mir einen Teller mit einem Käsebrot, einen Apfel und ein Glas Wasser. Mein Standard-Frühstück. Ich fange an zu essen und schaue auf die Uhr. Es ist 6:30 Uhr. Der Bus kommt um zehn nach sieben. Ich oder wir -Leonie, Jakob und ich- habe/haben noch Zeit. Gerade als ich in den Apfel beißen will, höre ich Schritte auf der Treppe. Es ist Jakob. Natürich hat er sich die Haare gestylt. Er hat ja jetzt diese eine Frisur die bei Jung so "in" ist. Hätte er weniger Haargel verwendet, hätte es möglicherweise sogar gut ausgesehen.
"Guten Morgen", wünscht ihm mein Vater. Doch Jakob setzt sich einfach an den Tisch, nimmt sich ein Brötchen und fängt an, an seinem Handy rumzutippen. Meine Mutter seufzt.
"Guten Morgen Jakob, gut geschlafen?", sage ich extralaut und extralangsam.
"Morgen", murmelt er ohne den Blick von dem Handydisplay abzuwenden.
"Jakob, du weißt schon, dass das Handy beim Essen nichts verloren
hat, oder?", sage ich.
Er bringt nur ein "Mhm" raus.
"Jakob?", frage ich.
"Jetzt chill mal, du bist doch nicht meine Mutter", giftet er zurück. Das stimmt. Ich bin zum Glück nicht seine Mutter, aber seine Schwester zu sein ist auch nicht besser. Trotzdem reicht ein strenger und genervter Blick meiner-unserer Mutter, um ihn zu bedeuten, das Handy wegzulegen. Er seufzt genervt und schiebt das Handy in die Hosentasche. Hah! Eins zu null für die Sis!
Während unserer kleinen Streitigkeit haben wir nicht bemerkt, dass auch Leonie nach unten gekommen ist. Heute hat sie es mal so hinbekommen, dass ihr Make Up nicht so aussieht, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen. Erstaunlich-Amazing!
"Morgen", sagt sie und schenkt sich ein Glas Traubensaft ein. Meine Eltern erwidern den morgenlichen Gruß. Sie trinkt das Glas aus.
"Können wir los?", fragt sie zickig. Sie klingt immer zickig und hochnäsig. Frühstücken kommt bei ihr auch nie in Frage. Sie müsse schließlich auf ihre Linie achten.
Weil ich keinen weiteren Streit riskieren will, antworte ich mit einem Okay, obwohl es noch zu früh ist. Wahrscheinlich will sie noch zu ihrem Freund Andi. Jakob nickt, wir verabschieden uns und gehen los.


© by Jacqueline


2 Lesern gefällt dieser Text.



Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Barbies Woche (1a/6)"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Barbies Woche (1a/6)"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.