Menschliche Kommunikation: Zwei kurze Geschichten aus der Steinzeit und dem Heute

(Vorwarnung: Es wird in der zweiten Geschichte ein bisschen eklig)


100.000 vor Christus: Die Kurzgeschichte von Uck und Ock:

Es lebte einst ein Mann in Schöningen, der von den Bewohnern seines Dorfes meistens „Ock“ gennant wurde. Er begleitete seine Frau „Uck“ bei ihrer Suche nach Blaubeeren durch den dichten Wald, um sie vor eventuellen Tierangriffen zu schützen. So stapften sie glücklich vorbei an verschiedensten Bäumen und Pflanzen, Ucks Blick fixiert auf den Boden, Ocks fixiert in die Ferne.

Gerade in dem Moment, in dem Uck mit dem Zeigefinger auf eine reichlich mit Beeren bestückte Blaubeerpflanze zeigte, entglitt ihr ein lautes, aufgeregt ausgesprochenes „Uga! Uga!“.
Ock hielt ihr daraufhin den Mund zu, sah sie mit besorgten Augen an, richtete langsam seinen Arm in Richtung eines etwas entfernten, raschelnden Farnes und flüsterte Leise: „Uga! Uga!“.

Uck riss die Augen weit auf, sah das Raubtier hinter dem Farn, die beiden duckten sich langsam, zwei Blicke trafen sich, Uck richtete ihren Arm in Richtung des Weges, von dem die beiden gekommen waren und fragte leise und mit etwas Verunsicherung in der Stimme: „Uga? Uga?“

Ock nickte langsam und antwortete: „Uga, Uga!“

Unsere beiden Freunde traten vorsichtig den Rückweg an, welcher in dem Bett aus Büffelfellen in ihrer kleinen Höhle endete. Dort lagen sie eng aneinander und warfen sich die glücklichsten, wärmsten Blicke zu.
Uck begann, sanft über die muskulöse Brust von Ock zu streicheln. Mit einem verschmitzten Lächeln und leicht hochgezogenen Augenbrauen sah er in ihre feurigen Augen, ließ seine Hand dabei zart an ihrem Oberkörper entlang gleiten und fragte: „Uga, Uga?“

„Uga, Uga!“ antwortete Uck. Nach einer Weile waren laute, ausdrucksstarke Stimmen aus der Höhle zu hören:

„Uga!“ „Uga!“ „Uga!“ „Uga!“ „Uuuuuuuu!“ „Gaaaaaaa!“ „Uuuuuuuu!“ „Gaaaaaaaa!“

„Uuuuu Gaaaaaa Uck!“ „Uuuuuuu Gaaaaaaa Ock!“ „Ock?“ „Uga Uga Ock?“

„Uga Uga Uck! Uga Uga...“

Die beiden lebten glücklich bis an ihr Lebensende, ohne jemals andere Worte, als die in der Geschichte zitierten, miteinander gewechselt zu haben. Uck und Ock hatten ein so großes Gefühl für einander, dass sie sich vermutlich auch ganz ohne Worte bestens verstanden hätten.

1002020 Jahre vergingen......................................................


2020 nach Christus: Die Kurzgeschichte von Chantal und Justin:

Justin unterdrückte es nun schon seit zwanzig Minuten. Seit dem starken Kaffee und der darauf folgenden Zigarette baute sich das dringendste Bedürfnis in ihm auf, seine Toilette aufzusuchen, um dort ein längeres Geschäft durchzuführen.

Allerdings textete er gerade auf dem Handy mit seiner festen Freundin Chantal und fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, ihr vom Klo aus zu schreiben.
Beiseite legen wollte er sein Smartphone jedoch auch nicht, da er fürchtete, Chantal würde misstrauisch werden, wenn seine Antwort plötzlich ganze 10 Minuten ausbliebe. Meistens war dies nach einer so gewaltig langen Zeit der Fall. Auch wollte er seine Freundin weder belügen, noch ihr sagen, was er vorhatte. Das würde ja schließlich sehr unattraktiv wirken, dachte er sich.

Doch der Drang wurde zu stark: Justin eilte mit dem Handy in seiner Rechten auf die Toilette, zog die Hose herunter und setzte sich. Er las unter dem Profilbild von Chantal die Worte: „Chantal schreibt...“

Gerade in dem Moment, in dem ein lauter Schwall aus heißer Luft Justins Darm verließ, las er dann:

Chantal: „Ich liebe dich <3“

Er presste und presste, während er schrieb und zeitgleich mit dem dumpfen Glucks-Geräusch des Toilettenwassers drückte Justins Finger auf „Senden“:

Justin: „Ich liebe dich auch <3“

Chantal: „:*“

Justin: „:*“

Chantal: „Was machst du gerade :o ?

Justin überlegte, was er antworten soll. Vorsichtig wägte er in Gedanken ab, was nun die beste Antwort wäre. Dreißig Sekunden vergingen.

Chantal: „???“

Justin: „Sag ich nicht :p“

Chantal: „Hä? LOL

Justin griff nach dem Toilettenpapier und versuchte, es so schnell wie möglich das machen zu lassen, wofür der Gott der Supermärkte den Sinn seiner Existenz vorgesehen hat.

Chantal: „Hallo???“

Justin: „<3“

Er hoffte, durch das Herz-Smiley eine Minute zu gewinnen, doch das Vibrieren seines Handys sprach klar gegen diese Hoffnung. „Chantal ruft an“, war nun auf dem Bildschirm zu lesen.
Justin legte das Handy verärgert auf den Boden und wischte sich seinen Hintern ab.
"Kann die mir nicht einfach mal vertrauen", fragte er sich.
So vergingen einige Minuten des Wischens, Spülens und Händewaschens, bis er sein Handy dann wieder in die Hand nahm und sich auf sein Sofa setzte.
Mit seinem Daumen wischte er die Nachricht „1 verpasste Anrufe von Chantal“ weg, öffnete wieder das Chatfenster und las:

Chantal: „...“
„...“
„Hallo??? Was gehst du einfach nicht an dein Handy??? :(((
„WTF!? Bist du wirklich zuhause o.O ?“

Justin schnaubte vor Wut. Er umklammerte sein Smartphone und schmiss es voller Kraft an die Wand, sodass es sich in seine Einzelteile zersetzte. So lebten Justin und Chantal nicht mehr lange als Paar, denn so viele Worte sie auch miteinander texteten, so war es doch das Gefühl für einander, das irgendwann verloren ging.


Fazit: Was lernen wir nun aus den zwei Geschichten?

Sprache besteht aus Worten, Mimik, Gestik und dem Transportieren von Gefühlen. Manchmal sind bestimmte dieser Komponenten wahrhaftig und andere nur Imagination. Ich denke, wir tun gut daran, uns genau zu überlegen, welche dieser Bausteine von Sprache wir wahrhaftig und welche wir nur imaginär wahrhaben wollen!


© AufderSuche1993


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