Eine Zeitlang habe ich in einem Schuh- und Schlüsseldienst ausgeholfen. Da habe ich die üblichen arbeiten, wie z.B. Absätze und Sohlen neu machen, Schlüssel nachmachen oder Türen aufmachen erledigt. Und um letzteres geht es bei dieser Geschichte.
Ich war gerade dabei ein paar Schuhe zu besohlen, als eine Frau total aufgelöst in den Laden reinkam. Sie hatte sich ausgesperrt, als sie sich kurz Zigaretten vom Kiosk holen wollte und dabei ihren Hausschlüssel vergessen hatte. „Bitte hilf mir, ich weiß nicht was ich tun soll?“ sagte sie, eine sehr, sehr, sehr hübsche Endvierzigerin mit holländischen Akzent. Sie stand kurz vor einem Heulkrampf. Da es eh ein ruhiger Nachmittag war und ich deshalb nicht besonders viel zu tun hatte, sagte ich ihr, das ich gleich vorbei kommen würde, ich müsse nur kurz die Schuhe fertig machen „Gut, ich werde auf dich warten.“ sagte sie, gab mir ihre Adresse und ging.
Fünf Minuten später suchte ich das passende Werkzeug zusammen und machte mich dann auf dem weg. Ihre Wohnung war gleich um die Ecke. Sie wartete schon an der Eingangstür als ich ankam. „Da bist du endlich!“ sagte sie erleichtert und mit stiller Hoffnung in der stimme. Ihre Wohnung war im ersten Stock eines Wohn- und Geschäftshauses. Es war ein altes Gebäude im Jugendstil, das Treppenhaus war aus Holz und dementsprechend alt. Beim rauf gehen hat fast jede stufe geknirscht. Zum meinem Glück, war die Tür genauso so alt wie die Treppe und so war es für mich ein leichtes sie aufzumachen. Die Frau machte es sich schon mal auf einer der stufen bequem. „Mach es dir nicht zu gemütlich, gleich ist die Tür offen.“ meinte ich zu ihr. „Ach, es wäre schön. Ich kann mir einen richtigen Notdienst gar nicht leisten. Die wollen bestimmt 200 € von mir haben.“ erzählt sie mir, mit ihrem sexy Akzent. Ein paar Augenblicke und ein geübter Handgriff mit einem gebogenen Draht später war die Tür auf. Sie sprang vor Freude auf und umarmte mich. „Du bist mein Held.“ schrie sie „Danke, danke, danke, danke, danke!“ und gab mir dabei einen Kuss auf die Wange. Ich war etwas überrascht, aber nicht abgetan von dieser Aktion. Als wir so in den armen lagen fragte sie mich „Ich habe nicht so viel Bargeld bei mir. Ich weiß nicht,was ich dir gebe soll?“ Da zog ich sie näher an mich ran, sie war nicht davon abgeneigt und augenzwinkernd meinte ich nur zu ihr „Überrasche mich...“. Als sich unsere Lippen sich beinah berührten, hörte ich noch das knirschen der letzten stufe, bevor das Donnerwetter losging.
„WAS IST DEN HIER LOS?“ schrie eine aufgebrachte, ältere Frau uns entgegen.
„WAS IST DEN HIER LOS?“ schrie sie weiter und umklammerte ihre Einkaufstüten umso fester.
Es war die Nachbarin von gegenüber, die grade vom einkaufen zurückkam.
„Er ist mein Held.“ sagte die Holländerin.
„Was soll das den heißen?“ machte die Nachbarin in ihrem Anfall weiter.
„Er hat mir die Tür aufgemacht. Ich hatte mich ausgesperrt.“ versuchte sie, Sie zu beruhigen.
„DAS ist alles? Er hat nur seine Arbeit getan und deshalb schmeißt du dich ihn an den Hals?“
Nachdem wir unsere Umklammerung aufgelöst hatten, wollte sie ihre Nachbarin weiter beschwichtigen.
„Er hat mir nur in einer Notlage ausgeholfen.“
„Ja, ja Notlage. Notlage am Arsch. Wie viele Notlagen in der Woche hast du denn?“
In diesem Moment fühlte ich mich etwas deplatziert und überflüssig. Der Frau war die ganze Geschichte sichtlich peinlich. Als ich gehen wollte drückte sie mir noch einen zwanziger in die Hand und gab mir noch einen Kuss auf die Wange. „Ich hätte dir gerne mehr gegeben.“ flüstert sie mir noch, mit ihrer sinnlichen Stimme ins Ohr bevor ich ging.
Mit voller bedauern machte ich mich auf dem weg in den Laden zurück. In der ganzen Zeit kam kein einziger Kunde. Mir wollte die ganze Sache nicht aus dem Kopf gehen. Was wäre wohl passiert, wenn nicht diese hysterische Nachbarin, von ihren Einkäufen zu Früh, vorbei gekommen wäre.

Blöde Fotze.


© Kai Ohn


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Beschreibung des Autors zu "Ein Paradebeispiel für schlechtes Timing."

Ein wahre Geschichte.

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