Über die Schwierigkeiten eine Liebesgeschichte zu schreiben:

Wissenschaftler: Über was brütest du gerade?
Autor: Es ist eine Geschichte.
Wissenschaftler: Eine Geschichte? Wie aufregend! Lass mich dir helfen.
Autor: Ich weiß nicht...
Wissenschaftler: Was ist es denn für eine Geschichte?
Autor: Eine Liebesgeschichte.
Wissenschaftler: Eine Liebesgeschichte? Wie bei Rosamund Pilcher?
Autor: Nein, eben nicht. Das kann ja jeder schreiben. Es soll etwas Besonderes sein.
Wissenschaftler: Etwas Besonderes... Was hast du denn bis jetzt?
Autor: Na ja, nicht sehr viel. Eine Idee... Also, eigentlich noch nichts.
Wissenschaftler: Ich hab eine Idee. Wir machen eine Art Brainstorming. Ich sage dir drei Worte, die du unbedingt in deine Geschichte einbauen solltest. Das wird aufregend!
Autor: in Ordnung... Welche Worte?
Wissenschaftler: Polenta.
Autor: Polenta?
Wissenschaftler: Die gab es heute als Beilage zum Mittagessen.
Autor: In Ordnung. Weiter!
Wissenschaftler: Glenn Seaborg.
Autor: Glenn Seaborg? Wer ist Glenn Seaborg?
Wissenschaftler: Der mit dem Element. Außerdem: Fluxkompensator!
Autor: Was?
Wissenschaftler: Fluxkompensator: Der darf in keiner guten Geschichte fehlen.
Autor: Wie soll ich aus den drei Worten eine Geschichte schreiben?
Wissenschaftler: Das ist doch ganz einfach: Glenn Seaborg sitzt zuhause beim Mittagessen. Als er in seiner Polenta stochert, kommt ihn plötzlich eine entscheidende Idee zur Konstruktion des Fluxkompensator. Daraus folgt: Ruhm, Ehre, Zeitmaschine. Was will man mehr?
Autor: Das ist doch keine Liebesgeschichte.
Wissenschaftler: Das ist viel besser als eine Liebesgeschichte.
Autor: Ich brauche aber eine Liebesgeschichte.
Wissenschaftler: Na gut... Also Rosamund ist in den jungen, hübschen Henry verliebt...
Autor: Ja...
Wissenschaftler: Aber Henry hat nur Augen für die böse Henriette und heiratet sie. Henriette ist in Wirklichkeit aber nur hinter Henrys Geld her. Während er den ganzen Tag schuftet, gibt sie alles aus. Mmmhh...
Autor: Hab alles mitnotiert...
Wissenschaftler: Dann verschluckt sich Henriette an einem Stück Polenta. Rosamund tröstet Henry. Aber der kommt drauf, dass er bankrott ist, geht in eine Bar und will sich betrinken. Dort trifft er auf einen netten, alten Herrn aus Berkley. Er stellt sich als Glenn vor und hat einen seltsamen Elementspruch auf dem T-shirt.
Autor: Glenn... ja...
Wissenschaftler: Glenn ladet ihn auf einen Drink ein. Eine Horde Studenten hat er gerade unter den Tisch gesoffen. Aber Henry, der auf einer russischen Ölplattform gearbeitet hat, ist auch nicht ohne. Gemeinsam haben sie eine zündende Idee. Sie bauen einen Fluxkompensator. Henry bekommt jede Menge Geld und kann Rosamund heiraten. Glenn bekommt Rum, Ehre und eine Zeitmaschine.
Autor: Was? Das ist doch völliger Humbug. Total unrealistisch!
Wissenschaftler: Also wenn ich Glenn Seaborg in einer Bar treffen würde, ließe ich mich auch auf einen Drink einladen. Ehrlich!
Autor: Nein... nein... Wir fangen noch einmal von Vorne an. Also Henry und Henrietta...
Wissenschaftler: Henry und Rosamund?
Autor: In Ordnung: Henry und Rosamund verlieben sich.
Wissenschaftler: Aber Henry ist mit Henrietta verheiratet. Die gibt all sein Geld aus um einen Flux...
Autor: Kein Flux... Dingsbums!
Wissenschaftler: Na gut! Henry geht in eine Bar um dort Mittag zu essen: Polenta mit...
Autor: Keine Polenta! Niemand erstickt an Polenta!
Wissenschaftler: Nein, er erstickt nicht. Aber er trifft dort...
Autor: Auch keinen Glenn!
Wissenschaftler: Nein, Enrico!
Autor: Enrico?
Wissenschaftler: Ja, ein Italiener.
Autor: Ein Latin-Lover! Ja, das könnte gehen.
Wissenschaftler: Er ist der Geliebte von Henrietta.
Autor: Klingt noch besser... Mach weiter!
Wissenschaftler: Er sitzt dort in der Ecke und besäuft sich, weil Glenn Seaborg vor ihm den Fluxkompensator gebaut hat. Rum, Ehre, Zeitmaschine: alles dahin, weil du ihm die Forschungsgelder gestrichen hast.


© lerche


1 Lesern gefällt dieser Text.


Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Glenn Seaborg und der Fluxkompensator"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Glenn Seaborg und der Fluxkompensator"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.