Denn siehest du einen Menschen dahertreten mit stolzen, hohen Tritten, mit einer fechterischen Miene, mit einem unbändigen Gesichte, mit einer Ochsenstimme, mit harten Reden, wilden Gebärden und mit zerrissenen Kleidern, so wirst du gleich judizieren können, dass es ein Teutscher sei. Den Franzosen erkennen wir gleich an seinem massvollen Gange, an den weichen Bewegungen, an dem freundlichen Gesichte, an seiner süssen und leichten Sprache, an seinen modesten Sitten und lockern Habit. Den Spanier an seinem hochtrabenden Gange und Gebärden, an erhobenem Kopfe, kläglicher Stimme, schöner Rede und prächtiger Kleidung. Den Italiener aber an seinem langsamen Gange, an gravitätischen Gebärden, unbeständigem Gesichtsausdrucke und sanfter Stimme, einschmeichelnder Rede, hohen Sitten und ordentlichem Habit. So wissen wir auch, wie bei dem Singen die Italiener blöken, die Spanier seufzen, die Teutschen heulen und die Franzosen dem Gesang artliche Weise geben. Die Italiener sind in ihren Reden gravitätisch aber lustig, die Spanier artig aber ruhmredig, die Franzosen hurtig aber stolz, die Teutschen grob und einfältig. Im Ratgeben ist der Italiener vorsichtig, der Spanier listig, die Franzosen unbesonnen, die Teutschen tüchtig. Im Essen und Trinken ist der Italiener sauber, der Spanier delikat, der Franzose üppig, der Teutsche ungeschlacht. Gegen die Fremden sind die Italiener dienstfertig, die Spanier verträglich, die Franzosen sanftmütig, die Teutschen bäurisch und ungastfrei. In der Konversation sind die Italiener verständig, die Spanier vorsichtig, die Franzosen demütig, die Teutschen herrisch und unerträglich. Im Lieben sind die Italiener eifersüchtig, die Spanier ungeduldig, die Franzosen leichtfertig, die Teutschen ruhmredig; aber im Hassen sind die Italiener tückisch und heimlich, die Spanier beharrlich, die Franzosen mit Worten drohend, die Teutschen rachgierig. In Verrichtung ihrer Geschäfte sind die Italiener vorsichtig, die Teutschen arbeitsam, die Spanier wachsam, die Franzosen sorgfältig. Im Krieg sind die Italiener tapfer aber crudel, die Spanier verschmitzet aber räuberisch, die Teutschen grausam aber feil ums Geld, die Franzosen grossmütig aber unvorsichtig und unbedachtsam. Die Italiener sind berühmt wegen der Literatur, die Spanier wegen der Schiffahrt, die Franzosen wegen ihrer Zivilität, die Teutschen wegen der Religion und der mechanischen Künste.


© Agrippa von Nettesheim


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Quelle:
Ungewissheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften, Teil 1

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