Ich lebe in einer Dorfstadt. Ich nenne Sie so, obwohl sie den Stadtstatus hat. Eine Stadt definiert sich nach Einwohnerzahl, Verkehrsanbindung und Zentralität. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, nicht verzweifelt an das Dorfleben klammern und dies auch ausleben. So wie in dem Ort, in dem ich lebe.
Soweit so gut, jetzt werden Sie sich fragen, was das mit dem Neujahrswechsel zu tun hat. Nichts! Ich hielt es für wichtig, Sie darüber aufzuklären, woher ich komme.
Doch nun zum Eigentlichen Thema, dem Neujahrswechsel.
Jedes neue Jahr bringt auch immer wieder neue Hoffnungen mit sich. „Das nächste Jahr kann nur besser werden“, „bin ich froh, wenn dieses Jahr vorbei ist“, Na dann schauen wir mal, was das nächste Jahr für Tiefschläge für uns bereithält“. Ich denke jeder kennt diese Äußerungen, jeder hat sie in seinem Leben schon mal gesagt, oder gedacht. Aber mal ganz ehrlich, hat sich durch den Jahreswechsel schon mal wirklich was für Sie geändert?
Ich glaube nicht. Warum sollte es auch, es ist nur das Ende für die jährliche Zeitrechnung. Der erste Januar bringt selten ein anderes Wetter als der einunddreißigste Dezember. Der Chef bleibt in den meisten Fällen der gleiche, die Kinder ändern sich nicht über Nacht genauso wenig wie der Ehepartner. Die Nikotinsucht verschwindet nicht und der Plan abzunehmen hätte auch schon im Dezember verfasst werden können.
Dennoch, jeder kennt es, man bezeichnet es auch als Tradition und wenn das alles ja nur Schwachsinn wäre, warum geben uns dann einschlägige Zeitungen Ratschläge, was man berücksichtigen muss, damit die Neujahrsvorsätze funktionieren. Ein rational denkender Mensch würde jetzt sagen, weil die Zeitungen sich nach dem richten, was den Leser interessiert. Doch scheinbar geht die Rationalität dem Menschen zum Neujahrswechsel verloren.
Der Ursprung der „guten Vorsätze“ liegt im Mittelalter und hängt mit der Kirche zusammen. Ursprünglich sollten die Menschen durch überdenken ihrer Sünden dazu gebracht werden, keine mehr zu begehen. Durch ausgelassene Neujahrsfeste, drehte es sich immer mehr um dieses Datum. Doch auch die Kirche hat nie verlangt Vorsätze fürs neue Jahr zu fassen, dies entwickelte sich von selber und wurde zur Tradition.
Ich selber habe in diesem Jahr das erste Mal gute Vorsätze gefasst. Einmal damit angefangen konnte ich jedoch nicht umhin, diese kritisch zu betrachten. Also habe ich mich in meinem Freundeskreis umgehört und dabei fiel mir auf, dass es sich um dieselben Vorsätze, wie im Jahr davor und davor handelte. Meine Freundin hat sich für dieses Jahr fest vorgenommen, öfter mal in Ihrer Verwandtschaft den Mund aufzumachen, wenn Sie was stört. Grund hierfür sei ihr Entsetzten, dass ihre Schwester ihren Neffen (14 Jahre alt) Sylvester alleine gelassen hat und dieser bei Ihr war, da „der arme Jung sonst ganz alleine gewesen wäre“. Sie erklärte mir, „so geht das nicht mehr. Diesmal mache ich den Mund auf, egal ob das in der Familie Streit gibt oder nicht. Ich muss mich endlich wehren, sonst machen die mit mir immer weiter den Molli.“ Ein guter Vorsatz. Doch diesen hatte ich schon mal gehört, nur ging es im Jahr davor darum, das sie sich immer um Ihre Mutter kümmern müsse und ihren Geschwistern immer alles egal wäre. Das Jahr davor fühlte sie sich von aller Umgebung ausgenutzt, da alle Kinder immer nur bei ihr wären. Ihr Mann wiederum hat dieses Jahr einen besonders guten Vorsatz gefasst, „weniger arbeiten und mehr Zeit mit den Kindern verbringen“. Ich konnte mir ein Lächeln nun doch nicht mehr verkneifen. Sie erraten es bestimmt. Richtig, diesen Vorsatz fasst er seit 4 Jahren, seit sein Schwiegervater kurz vor Weihnachten gestorben ist. Immer mit der Begründung „von dem Geld hat man in der Kiste nichts mehr“. Seine Kinder sind mittlerweile 13 und 16 Jahre alt und haben sich mit hundertprozentiger Sicherheit an den Zustand gewöhnt Papa nur am Wochenende zu sehen. Aber bei ihm hielt der Vorsatz wenigstens immer so zwei bis drei Wochen.
Eine andere Freundin von mir sah das ganze aus einer anderen Perspektive. Sie hatte sich im vergangenen Jahr ein Haus gekauft und war mit dem Jahr in fast jeder Hinsicht zufrieden. Sie wollte gar nicht so viel ändern. Doch wenn man einmal anfängt genauer hinzuhören kann man nicht mehr aufhören. Auch Sie wünscht sich fürs neue Jahr einen Ehemann, der ihr mehr Aufmerksamkeit widmet und einen Stiefsohn, der weniger provoziert. An sich selber allerdings möchte sie nichts ändern, denn sie macht alles richtig.
Natürlich hat auch mein Mann sich Vorsätze fürs neue Jahr gemacht. Er möchte dieses Jahr durchstarten und gesünder leben und mehr Zeit mit uns verbringen. Realistisch gesehen wird wahrscheinlich nur das mit dem Durchstarten realisierbar sein, der Rest sind schöne Vorsätze.
Jetzt werden Sie sich sicherlich fragen, ob ich es wirklich geschafft habe, mich aus den Vorsätzen rauszuhalten. Nein, natürlich nicht. Meine Vorsätze für dieses Jahr sind, lernen nein zu sagen, mich mehr durchsetzten, mir nicht alles zu Herzen zu nehmen und gesünder leben. Sie haben es wahrscheinlich schon erraten, also wieder die Vorsätze, die ich im Stillen schon die letzten Jahre hatte.
In diesem Sinne wünsche ich ein frohes neues Jahr.


© Riaka


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Kommentare zu "Der Neujahrswechsel"

Re: Der Neujahrswechsel

Autor: noé   Datum: 02.01.2014 10:52 Uhr

Kommentar: Bei den Vorschauen, die sog. Wahrsager von sich geben, habe ich micr schon so manches Mal gedacht: Warum hat eigentlich noch niemand eine "Erfüllungsliste" aufgestellt - eingetroffen/nicht eingetroffen.
Sowas für gemachte Vorsätze zu erstellen, könnte da nicht hilfreich sein? Evtl. monatlich: Wie oft Vorsatz 1(2,3...) eingehalten. Wenn es "abgefragt" wird, hält man sich vielleicht eher dran. Evtl. so einen großen Urlaubsplanerkalender in der Küche oder so an die Wand kleben, aber statt der Urlaubszeiten halt mit unterschiedlichen Farben (pro Person) die Vorsätze eintragen - für jeden aus der Familie gut einsehbar, so dass man nicht schummeln kann.
Und evtl. sogar noch ein "Einfoderungsrecht" von durch diese Vorsätze betroffenen Familienmitgliedern (Kindern?).
Der Mensch braucht Geländer, an denen er sich entlang hangeln kann. So ist er eben...
Ein ERFOLGREICHES 2014 wünscht noé

Re: Der Neujahrswechsel

Autor: katharina.kraemer.10   Datum: 06.01.2014 18:03 Uhr

Kommentar: So trocken wie der Text im ersten Moment rüberkommt, klingt er fasst wie eine Bedienungsanleitung. Aber ich musste schon schmunzeln, weil er mir den Spiegel vorhält.

Re: Der Neujahrswechsel

Autor: noé   Datum: 06.01.2014 20:36 Uhr

Kommentar: Katharina!!! Um des lieben Himmels Willen! Bedienungsanleitung, herbe Kritik an mir und meinem Kommentar, der nichts anderes sein will.
Ich bin halt berufsbildgeschädigt, sieh's mir nach, ich bitte Dich! Wenn ich ein "Problem" höre, schalte ich gleich auf Lösungsmodus. Und im Schreiben (also während des Vorganges selbst) entwickelte sich vor meinem inneren Auge diese Abfolge von evtl. Lösungsbildern. Wenn es vielleicht auch meiner Tiefgründigkeit schmeicheln könnte: Es steckte keine böse Absicht dahinter....Und ich hatte da durchaus auch mich selbst im Blick!
Beschämte noé

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