Bäume brauchen keine Spiritualität, Tiere auch nicht. Das ganze Universum schwingt und ist in Bewegung, es tönt und es leuchtet, es entfaltet sich und zieht sich wieder zusammen - aber es ist nicht fromm. Der Mensch ist das einzige Wesen, das Spiritualität lebt.

Das hat wohl mit dem zu tun, was der Mythos erahnt: dass der Mensch sehr weit gegangen ist in seiner Entwicklung. Er hat vom Baum der Erkenntnis gegessen. Er steht nun quasi 'über den Dingen' und hat die Möglichkeit zu herrschen. Er isst und tötet und nimmt nicht mehr nur das, was er braucht, sondern nimmt sich auch das, was ihm gefällt. Dadurch entfernt er sich deutlich von allem anderen. Und er fühlt es auch, dass kein anderer dafür verantwortlich gemacht werden kann: er wird selber schuldig in seinem unendlich wachsenden Begehren. Angefangen von den persönlich hochgesteckten Lebenserwartungen bis hin zu dem Glauben an immerwährendes Fortschreiten und Wachsen unserer modernen Welt. Die Re-ligion, die Rückbindung an unsere ursprünglichen Wurzeln, ist ein Gegenmittel, aber Rückwärtsgewandtheit allein dient dem Leben nicht. Was gefordert ist, ist nicht, dass wir Erkenntnis und Spiritualität lassen und die Religion abschaffen, sondern dass wir von unseren Begehrlichkeiten und Ansprüchen Abstand nehmen, dass wir nicht alles tun, was wir können und unser Bild von uns selber überprüfen, wir stünden 'über' den anderen Wesen und wären etwas Besseres, weil wir differenziert denken, in einer hochentwickelten Sprache sprechen und viel Macht ausüben können. Wir sollten unsere Macht einsetzen zum Wohle aller Wesen - das ist die Geisteshaltung, die heilsam und klug wäre.

Spiritualität und Religion

© Igor Kireev/Fotolia


© Jürgen Wagner


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