So stand sie da und starrte auf den Boden.
Den Boden voll bunter Scherben mit scharfen Kanten –
Die Kanten waren glatt und sahen recht ordentlich aus.
Sie starrte und die Scherben starrten zurück.
Es drängte sich die Frage auf, woher die Scherben kamen.
Der Boden wusste nichts davon, es war ihm nur höchst unangenehm –
Sonst sah er immer recht ordentlich aus.
Sie tat so, als würde sie den starrenden Boden nicht bemerken –
Immerhin wusste niemand außer ihr Bescheid.
Der Boden war so glatt, dass es ihr vorher einfach aus der Hand geglitten war,
ja, der Boden war schuld. Immer dieser Ordnungswahn.
Und jetzt die Scherben.
Lange würde der Boden nicht mehr glatt sein.
Also nahm sie sich ein Herz und sammelte die Scherben auf.
Dem Boden fiel ein Stein von einem anderen Herzen, ein eigenes hatte er ja nicht.
Die Scherben starrten immer noch.
Ach, was solls, dachte sie – und lies sie fallen.
Sie stieg über die scharfen Kanten hinweg und verließ die bunte Szenerie.
Der Boden blieb zurück und schmollte, als plötzlich Licht auf die Scherben fiel.
Da erst bemerkte er, wie hübsch und gefährlich ihn die Scherben aussehen ließen.
Und ein kleines bisschen abenteuerlustig.
Als sie zurückkehrte und das Bild anstarrte, das sich ihr bot, dachte sie bei sich:
Wer hätte gedacht, dass mein Leben noch eine solche Schönheit in sich birgt, wenn es mir entgleitet.

Glücklich über diese wundersame Entdeckung, sammelte sie erneut alle Scherben ein.
Sie setzte sie zu einer Diskokugel zusammen und machte sich von dannen, um zu feiern.
Der Boden war wieder so glatt und ordentlich wie zuvor.


© Bücherdiebin


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Kommentare zu "Tiefpunkt."

Re: Tiefpunkt.

Autor: Uwe   Datum: 05.01.2015 17:43 Uhr

Kommentar: "Wer hätte gedacht, dass mein Leben so schön aussieht, wenn es mir entgleitet...", gilt zwar selten, wäre trotzdem oft genug notwendig und ist schön in eine Geschichte eingebunden und gesagt.

Re: Tiefpunkt.

Autor: Bücherdiebin   Datum: 05.01.2015 19:42 Uhr

Kommentar: Ja, habe beim nochmaligen Lesen festgestellt, dass das vielleicht etwas unglücklich formuliert ist. Ich wollte damit betonen, dass, auch wenn alles schief läuft und schlecht scheint, es immer etwas geben wird, das Bestand hat und das Leben noch lebenswert macht! :)

Re: Tiefpunkt.

Autor: Bücherdiebin   Datum: 05.01.2015 19:44 Uhr

Kommentar: Ich habs etwas umformuliert, hoffe es gefällt!

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