Auch für mich ist Terrorismus primär barbarisch, verbrecherisch, unmenschlich. Menschen sind für mich in erster Linie soziale Wesen mit der Sehnsucht nach Liebe, Freundschaft, Gemeinschaft. Sie suchen Vertrauen, Anerkennung, den Ausgleich unterschiedlicher Meinungen und Interessen. Warum gelingt uns also nicht die Gestaltung einer besseren Welt? Es gab den Krieg in Afghanistan, den fatalen verbrecherischen Einmarsch der USA im Irak, den gescheiterten nordafrikanischen Frühling, die erschreckende Vielfalt der Fehler der tonangebenden westlichen Staaten im zwanzigsten Jahrhundert - und davor. Es gab die beiden Weltenbrände im zwanzigsten Jahrhundert. Kluge Soziologen beschreiben die Befindlichkeit eines Teils der Jugend, die speziell in den südeuropäischen Ländern schon als verlorene Generation gelten muss, mit düsteren Bildern: Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit. Hinzu kommt das Wertevakuum, welches entsteht, wenn traditionelle Lebens- und Kulturformen durch immer schnelleren Wandel verschwinden . . . so scheint die Bühne für die noch zu erwartenden Dramen bereitet, der Humus beschrieben für jede Art von Ideologie und für die Karriere falscher und gefährlicher Propheten. Ein Grundproblem unserer Existenz ist sicher das Spannungsverhältnis zwischen komplexer Vielfalt und ihrer oft missverständlichen Reduktion auf einfache Erklärungen, einfache Gründe. Das Problem heißt Reduktion von Vielfalt, heißt damit für mich auch Monotheismus.
Das Christentum ist nach zwei Jahrtausenden nur noch Schatten seiner selbst, blutleer. Es hat sich nach Jahrhunderten geprägt von meist unnötigen Rückzugsgefechten in einer vom Staat geduldeten, durch die Aufklärung entschärften Form, bequem in einer Traditionsnische eingerichtet. Total O.K. ! Nach den vielen Jahrhunderten mit Kreuzzügen, Inquisition, Hexenverbrennungen, christlich motivierter Kolonialgeschichte ist der missionarische Eifer dahin. Der Imperativ für eine Weltdeutung existiert nicht mehr. Ethik wird längst ohne Religion in unserer westlichen Welt wesentlich besser definiert.
Ganz anders der Islam. Hunderte Millionen braver Muslime widerlegen den Gedanken problematischer Zusammenhänge zu Gewalt keineswegs, denn die Idee "Monotheismus" bedeutet in ihrer Konsequenz, es gibt keine Gewaltenteilung im Absoluten, es gibt nur den Einen. Demokratie und aufgeklärte Gesellschaften sind aber undenkbar ohne Pluralität. Auch Rassismus ist übrigens eine unnötige und dumme Reduktion von Pluralität. Er ist eine irrwitzige Behauptung von Überlegenheit auf Grund zufälliger, evolutionär bedingter Unterschiede gattungsspezifischer Merkmale. Amerikanische Verfassung, unser Grundgesetz, die Prinzipien der Aufklärung definieren die Würde des Individuums als unantastbar und nicht verhandelbar. Sie wird geschützt durch den demokratisch legitimierten Staat, dessen primäres Kennzeichen die Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive ist.
Gewalt und Kriege gibt es ohne Zweifel seitdem es Primaten gibt! Der Monotheismus jedoch brachte eine neue Form der Gewalt in die Welt: Den Krieg für den Einen Gott. Die Folgen sind bekannt und beschreiben den Verlauf der Geschichte zweier Millennien. Dabei ist das Potenzial zur Versöhnung mit Hilfe von und zur Friedensstiftung durch Religion unstrittig, gerät aber durch seine korrupte Legierung mit politischer Macht meist in defensive Funktionslosigkeit. Kein gläubiger Christ wird sich in die Luft sprengen. Er glaubt einfach nicht mehr, dass er direkt ins Paradies gelangt. Die Magie der Überzeugungen greift nicht mehr in dieser Religion.
Dagegen finden sich im Islam immer noch verschwindend kleinen Minderheiten nach entsprechender Hirnwäsche dazu bereit. Aber diese Wenigen halten den Planeten in Atem, getragen von nicht wenigen Sympathisanten. Durch modernen Drohnenkrieg und die falsche Politik hält der Westen seit Jahren, Jahrzehnten, Jahrhunderten die Probleme am Laufen. Leider sind darüber hinaus in der islamischen Religion grundsätzliche Fragen zur Weltdeutung, die Klärung der Beziehung zwischen Individuum, Staat, Gott noch auf der Agenda. Auch die prinzipielle Gleichheit aller Menschen, die grundsätzlich freie sexuelle Lebensorientierung, die von einer Religion gänzlich unabhängige Würde des Menschen ist dort immer noch Utopie. Alle Religionen entstanden in den Köpfen von Menschen. Sie können die großen Mysterien der menschlichen Existenz nicht erklären. Die Ahnung, dass unsere legitime Sehnsucht nach verbindlichen Antworten auf die grundlegenden Fragen unserer Existenz unerfüllt bleiben wird, wird sich als völlig zutreffend erweisen. Folglich müssen wir ganz alleine und in exklusiver persönlicher Selbstverantwortung Sinn und Erfüllung in unser kurzes einmaliges Leben bringen. Das ist alternativlos.
Aufgeklärt ist diese Welt erst, wenn die totale Verantwortung für die eigene Existenz endlich von allen Menschen verstanden und angenommen wird. Aufgeklärte religionsfreie Autonomie muss das Ziel sein. Rechtsradikale, Pegida, AfD, Scharfmacher jeglicher Couleur haben die Ideen europäischer Aufklärung und die Frieden stiftende Botschaft des Humanismus überhaupt nicht verstanden. Zu vieldeutig sind die heiligen Schriften der monotheistischen Religionen für dauerhafte Lösungen.
Mein Resümee: der Mensch ist weder gut noch schlecht. Er hat gleichzeitig Potenzial für Auschwitz und für bedingungslose Liebe. Der Weg zu einer besseren Welt bleibt mühsam - keine Aussicht auf schnelle Erfolge. Aber wir müssen ihn gehen. Ich glaube daran, dass Menschen in Frieden miteinander leben können. Imagine There`s No Heaven


© ulli nass


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Beschreibung des Autors zu "Religion/Monotheismus 2014"

Es ist nicht besser geworden in den vergangenen 10 Jahr. Und der skrupellose Verbrecher bedroht und verhöhnt uns ob unseres Zauderns.

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