62. Schritt


Komm in die Gefährlichkeiten der Gegenwelt.
Dort bist du unsicher! Jenseits
vom rosa Barbie-Haus, in dem, sachwalterisch
die klügeren Kinder wohnen,
bist du genauso beschissen wie nebenan.

Nur eben auf eine andere Weise!
Die Dinge ergeben sich immer da von selbst,
wo, hinter den Allgemeinplätzen
der anerkannten Volksweisheit,
die Elefanten den Protzellanladen verwüsten.

Hier empfiehlt es sich locker zu bleiben!
Und zwar: im Untergang, im Joch,
in den leeren Versprechungen
derer, die ebenso locker geblieben sind und,
nicht zu vergessen: in der Entgleisung.

Denn eines ist sicher: die Entgleisung
der Wirklichkeit, in Anbetracht mehr oder weniger
nachvollziehbarer Gemeinheiten, die uns
von Rechts wegen als Allgemeinbeschlüsse
angezeigt, aufgepfropft und verabreicht werden.

Mein Appell an die Sklaven lautet:
Betrinkt euch an diesen Rauschgiftparolen,
die man hier als Fitnessdrinks anpreist, denn
jeder hat nur ein einziges Leben ohne Zukunft!
Von uns aus, unseren Nachkommen die Sintflut!

*


63. Schritt


Als ich aufstehe stelle ich fest, das sich alles um mich dreht. Schwindel? Träum‘ ich schon oder wach ich noch? Keiner Welle letzter Kragen erfasst mein Herz. Ich fantasiere!

Der Tribut für die Nachtstunden ist hoch: sie waren sehr ereignisreich! Ich ging Wege des Grauens, um im Grauen zu enden. Waren sie das Ziel?

Wichtige Kraftausdrücke streifen mein inneres Ohr. Ich höre – und empfinde mit – die weisesten Sprüche der Erde, aber keiner davon spricht mich an. Niemand spricht mit mir? Niemand spricht mit mir! Keine Sprüche, keine Seelen, nur Nebelformationen aus fatamorganischen Fleischteilen.

Ich sitze fest. Es ist ein Fest! Ein Fest der halluzinativen Bilder und Worte: verschlüsselte Nachrichten aus dem, aus dem, aus dem Kauderwelsch dies- und jenseitiger Quatschfeuerwerke.

Ich frage mich, was Gott sich antworten würde wenn er sich selbst fragte: „Wie gestalte ich eine Schöpfung?“. Sicher würde er sich antworten: „Vor allem absolut undurchschaubar, denn sonst hat sie gar keinen Sinn!“

Ich führe den Gedanken weiter aus und frage mich selbst: „Wie lautete dann die Aufgabe des Menschen?“ Aber nicht ich selbst werde mir antworten… Irgendwann vernehme ich dann ein feines Stimmchen, das mir die Antwort gibt: „Er muss alles herausfinden, sonst hat das Leben gar keinen Sinn!“

Mein noch nicht gefrühstückter Clown dreht sich mir jetzt schon im Magen um. Ich muss lachen und lachen und lachen, usw. Nachdem mir die ganze Kraft weiter zu lachen ausgegangen ist, beschließe ich einen Beschwerdebrief zu verfassen, adressiert an Herrn Sowieso in Postleitzahl 00, Stadt Überhaupt, Wenn-und Aber-Straße 666.

„Euer Gnaden, die Welt ist ein Würfelspiel – wer den dümmsten Hammel hat, verliert sein Seelenbild im Dreivierteltakt an den Oberzocker aus Nichtmenschenhausen an der Kacke! Nehmen sie das bitte meistbietend zur Kenntnis, denn ich bin der größte Bewunderer! Nein, nicht von ihnen, sondern vom Rumpelplatz Dödelheim, Höhlendorf 13 1/3. Untertänigst, ihre Quetschkartoffel vom Dienst.

Dann verliere ich das Bewusstsein und irre mechanisch zum Frühstückstisch. Ort liegen bereits meine Verwünschungen aufgebahrt: Frischfisch aus der Giftküche, fukuschimisch gewürzt, ein Ei aus der Legebatterie Federlos-Blutig…mmmmhhmm! Dazu gibt es Brot aus deutschen Landen, von direkt neben der Autobahn.

Wenn ich jetzt gleich noch die Motorsäge vom Nachbargrundstück höre, dann ist es morgens um 7 und die Welt ist in Ordnung. Der alte Baum dort hat mich ja auch schon länger gestört. Der kann da nicht stehen bleiben, da sieht man nichts mehr von der Sonne, die ist eh schon ganz selten zu sehen, weil die ganzen Abgase den Himmel verdunkeln, weil man zu viele Bäume umsägt.

Es ist ein Graus! Wo bleibt denn da der Verstand? Der Baum hätte schon viel früher weg gemusst! Aber praktisches Denken… mein Gott, praktisches Denken, das hat halt nicht jeder! Dabei müssen wir uns doch endlich den Sachfragen stellen, den Sachfragen, den Sachfragen, den Sachfragen… Schwindel!

Wieder fühle ich nichts als Schwindel. Um mich dreht sich alles, aber um mich persönlich dreht sich wiederum nichts. Wenn sich was um mich drehen würde, dann gäbe es weder Mega-Städte noch Sachfragen. Es gäbe vielleicht nur diesen Schwindel, der sich um mich dreht, wie ich mich um ihn drehe…

Der Schwindel und ich, fällt mir grade ein, wir sind, genau betrachtet, wie ein Doppelstern, ein paar Himmelskörper, die sich gegenseitig die Energie rauben – und das bei dem Frischfisch, nicht zu glauben. Ich müsste doch fischfrisch sein wie ein Frischfisch, jetzt, nach dem erholungslosen Alp-Schlaf und dem Ei aus der Am-Bodenhaltung.

Zum Glück kann man mir nichts recht machen, sonst wäre ich mit viel weniger zufrieden, mit einer Wellblechhütte z.B. und 10 Kindern, mit dies- und jenseitigen Quatschfeuerwerken, sowie der Angst den Tag aus ganz anderen Gründen als den meinen nicht überstehen zu können.

Ich glaube ich geh jetzt mal ins Bad und halte mich unter die kalte Dusche, damit ich von allem abgelenkt werde was nicht körperlich ist.

Guten Morgen!

Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe"

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe

Autor: axel c. englert   Datum: 26.02.2015 17:43 Uhr

Kommentar: Weinproben ja nicht allein –
Auch Leseproben sind oft fein!

LG Axel

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe

Autor:   Datum: 26.02.2015 18:15 Uhr

Kommentar: Ich weiß nicht was die Leute alle gegen die Bäume haben, sie so sehr hassen.
Alle wollen noch mehr Sonne, noch mehr Erderwärmung.
Allein auf meinen Wegen verschwanden 7 oder 8 Bäume im vorigen Jahr.
Leider kann ich solche Menschen nicht in die Wüste schicken.
Aber ich würde sie sehr gerne dort nach einem Baum und nach Schatten
bettlen sehen.

Entschuldige jetzt diesen negativen Kommentar.
Ich weiß, hier in diesem Forum soll man immer nur positiv denken.
Aber ich bin leider nur ein Mann.

Ich mag fast jeden Text von dir... ob wahnsinnig oder von kristallklarer
Vernunft.

LG, Waldeck

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe

Autor: possum   Datum: 26.02.2015 23:46 Uhr

Kommentar: Lieber Alf,
herzlichen Dank für deine Gedanken,
gerne bin ich dabei gewesen, auch dies Bild eine Augenweide!
Mit deinen Zeilen öffnen sich Horizonte ins Innere ...LG!

Re: Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / Leseprobe

Autor: Alf Glocker   Datum: 27.02.2015 7:25 Uhr

Kommentar: Danke Axel - LG

J.W.W. - Dein Kommentar ist absolut nicht negativ. Treffende Bemrkungen sind manchmal wie bittere Medizin: sie schmecken nicht, helfen aber. In diesem Sinne sind sie sehr positiv. Wir schauen viel zu oft drüber weg.

Und danke liebe Possum, ich freue mich, wenn's gut angekommen ist in Down under,
wo die Welt am schönsten ist... LG

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