Eine banale Geschichte

Sie sei Journalistin gewesen, erzählte sie mir. Doch eines Tages hätte ihr Verlag geschlossen und sie stand auf der Straße. Journalisten stehen immer auf der Straße. Entweder suchten sie nach Fakten oder einem Job.

Sie hatte keine neue Stelle mehr gefunden. Ihr alter Verlag war links ausgerichtet und solche Journalisten finden keine neue Stelle. Links ist zu links und rechts ist zu rechts, sagte sie. Die Mitte ist Mode. In unserer Gesellschaft ist jede Meinung erlaubt. Doch nicht die linke und die rechte. Die Mitte ist gefragt.

Wohl dem, der noch Ideale hat. Die linke Meinung ist ein Ideal. Sie ist die wahre Demokratie. Doch wie weit seien wir davon entfernt. Der Kommunismus macht die Menschen gleich. Alles gehört allen. Die vollkommene Gesellschaft. Doch linke haben es schwer. Besonders linke Frauen. Frauen müssen doppelt so gut sein wie Männer.

Als Mann müsse man geboren sein. Als Mann der Mitte. Die haben es leicht. Aber linke Frauen? Es ist schwer, mit Idealen zu leben, wenn sie niemanden interessieren. Ideale sind gut für Gespräche. Ideale imponieren. Ideale zeigen die Andersartigkeit. Ideale sind schön.

Doch als linke Frau ist es schwer, zu leben. Als Journalistin findet man dann keinen Job mehr.

Alles müsse allen gehören. Besitz macht träge. Wer besitzt, möchte noch mehr. Es gibt kein Ende. Jeder denkt nur noch an sich. Niemand denkt mehr an die linken Journalistinnen, die einen Job suchen.

Was sie damals gemacht habe? Als freie Berichterstatterin hätte sie arbeiten können. Freischaffende aber wollte sie nicht sein. Die wissen doch nie, was sie am Monatsende nach Hause bringen.

Sie ist in die Wirtschaft gegangen. Zehn Stunden arbeitet sie am Tag, denn sie wolle ja aufsteigen und als Frau müsse man doppelt so gut sein wie ein Mann.

Frauen haben es schwer, besonders linke Frauen mit ihren Idealen. Sie sind gut für Gespräche. Ideale imponieren.

© Mark Gosdek

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