Indien - jede Stunde eine!

Mit einem Lächeln auf den Lippen - und einem Lied,
bestückt sie den fruchtbaren Boden mit Reissetzlingen,
tief hinabgebeugt zur knöcheltiefen Wasseroberfläche,
ohne Unterlass, hingebungsvoll, unermüdlich.
Ihr Name ist Sunita. Sie ist fünfzehn.

Sie wird sechzehn.
Alt genug für die längst beschlossene Heirat mit Rahul.
Reich geschmückt - ihr rotgoldener, prächtiger Hochzeitssari unterstreicht ihre Schönheit.
Ihre mit Mehndis kunstvoll bemalten Hände und Füße
schenken Fruchtbarkeit und Ehesegen.

Die geforderte Mitgift verlangt ihren Eltern mehr als das Letzte ab. Sie geben alles, verschulden sich für ihr Kind. Entlassen es in die Familie des Bräutigams, der sie nun gehört.

Mit einem Lächeln auf den Lippen – und einem Säugling auf dem Rücken, erntet Sunita Reis.
Ohne Unterlass, hingebungsvoll, unermüdlich.
Das Kind ist ihre zweite Tochter – es bedeutet Gefahr.

Die Schwiegereltern fordern Mitgiftnachzahlungen.
Ihre Schwiegertochter macht ihnen keine Freude, schenkte keinem Sohn das Leben.

Sunitas Eltern ängstigen sich. Sie haben nichts mehr zu geben.

Als die Zeit gekommen ist, die Reisfelder mit neuen Setzlingen zu bestücken,
fehlt die junge Mutter, die mit einem Lächeln auf den Lippen im knöcheltiefen Wasser steht …

Eine klagende Mutter beweint ihre Tochter Sunita, deren Sari beim Kochen am Herd Feuer fing. Der niemand zur Hilfe eilte. Deren Leib bis zur Unkenntlichkeit verbrannte. Nun werden ihre Überreste endgültig von hochschlagenden Flammen verschlungen und ihre Asche verstreut.

Jaya ist sechzehn.
Alt genug für die Hochzeit mit Rahul.
Reich geschmückt - ihr rotgoldener, prächtiger Hochzeitssari unterstreicht ihre Schönheit.
Ihre mit Mehndis kunstvoll bemalten Hände und Füße
schenken Fruchtbarkeit und Ehesegen.

Die geforderte Mitgift verlangt ihren Eltern mehr als das Letzte ab. Auch sie geben alles, verschulden sich für ihr Kind. Entlassen es in die Familie des Bräutigams, der sie nun gehört.

Jaya vermehrt durch ihre Mitgift den Besitz von Rahuls Familie.
Werden sie es ein weiteres Mal wagen?
Jaya ist eine gute Schwiegertochter.
Mit einem Lächeln auf den Lippen - und einem Lied,
bestückt sie den fruchtbaren Boden mit Reissetzlingen,
tief hinabgebeugt zur knöcheltiefen Wasseroberfläche,
ohne Unterlass, hingebungsvoll, unermüdlich.
Sie schenkt einem Sohn das Leben und einem weiteren und damit auch sich selbst …


Mitgiftmorde!
"Brautverbrennung ist die beliebteste Methode"
Jede Stunde stirbt in Indien eine Frau, in Brand gesteckt von gierigen Ehemännern. Sie verlangen als Mitgift Fernseher, Motorrad, iPad. Liefern die Schwiegereltern nicht, muss die Frau sterben.

http://www.welt.de/vermischtes/article120782429/Brautverbrennung-ist-die-beliebteste-Methode.html


© Corinna Herntier


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Beschreibung des Autors zu "Indien - jede Stunde eine!"

Weil es so erschreckend häufig geschieht und schon fast "normal" ist, möchte ich von diesem schändlichen Tun in dieser Form berichten.

Nicht weniger grausam sind die Mädchenmorde - weibliche Säuglinge, die getötet werden, weil sich die Eltern die spätere Mitgift nicht leisten können. Wer nicht wenigstens einen Sohn hat, der einmal selbst Geld durch Heirat in die Familie bringt, hat schon verloren ...
(Seit es die Möglichkeit gibt, weibliche Föten im Ultraschall zu erkennen, ist die Abtreibungsrate drastisch gestiegen. Wen wundert's?)

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Kommentare zu "Indien - jede Stunde eine!"

Re: Indien - jede Stunde eine!

Autor: noé   Datum: 12.05.2014 0:06 Uhr

Kommentar: Das ist wirklich eine grausame Seite des verzaubernden Indiens. Eine mir bekannte Inderin in GB bekam erst nach dem im 4. Monat der Schwangerschaft von den britischen Ärzten das Geschlecht des Kindes mitgeteilt, was zu ihrem Erstaunen vorher "nicht möglich" war. "Da sind sie in Indien aber weiter, die können das schon früher erkennen." Geheiligte Unschuld...
Dein Text jedenfalls ist klasse, Cori.
noé
P.S.: Diese familiären "Küchenunfälle" mit tragischem Ausgang gehen aber meistens von den Schwiegermüttern aus, weniger von den Ehemännern.
Möglicherweise sind sie auch nur die ausführende Instanz, denn was hat ein Mann schon in der Küche zu tun.

Re: Indien - jede Stunde eine!

Autor: axel c. englert   Datum: 12.05.2014 20:32 Uhr

Kommentar: Liebe Cori,
passend zu diesen Auswüchsen habe ich soeben in der Tagesschau -
(anlässlich der Wahlen in der „größten Demokratie der Welt“ (?)-
einen Horror – Bericht verfolgt (das ist das richtige Wort), der eben die Folgen dieser latenten Misogynie beschrieb: einen akuten „Frauenmangel“, der wiederum einen „schwunghaften Handel“ mit „weiblichen Produkten“,„Stückpreis“ ca. 800 Euro, erst ermöglicht.

LG Axel

Re: Indien - jede Stunde eine!

Autor: cori   Datum: 12.05.2014 22:53 Uhr

Kommentar: Hallo Noé, ich denke, diese "Küchenunfälle" geschehen nicht unbedingt in der Küche ... aber ich glaube auch, dass die Eltern des Mannes den Druck ausüben - in erster Linie. Es ist nicht zu fassen. Danke für dein Lob!
Viele Grüße
Cori


Hallo Axel,
Es ist wirklich absolut unverständlich! Sie wollen keine Töchter aber Frauen!! Damit sägen sie sich den Ast ab, auf dem sie sitzen - und scheinen es noch nicht einmal zu bemerken (bis auf einige, hilflose Ausnahmen). Wohin wird das führen, frage ich mich. Dass die Zahl der Vergewaltigungen stark ansteigt, ist die "natürliche" Folge dieses Horrors.
Habe heute noch gar kein Fern gesehen - das ist ja Wahnsinn mit dem Frauenhandel! Bekommen die Eltern der Braut 800€? Und verzichten die Eltern des Bräutigams dann auf die Mitgift? Wäre ja sonst unlogisch ...
Danke für deinen ergänzenden Kommi!
Viele Grüße
Cori

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