Vorhang öffnet sich.

Licht auf der Bühne leuchtet ein Wohnzimmer aus. Drei Schauspieler sitzen gelangweilt auf den Möbeln herum und stieren schweigsam vor sich hin. Vor der Bühne sitzt der Regisseur und blättert griesgrämig durch einen Stapel Papier. Er nestelt ungeduldig an seiner Brille herum. Die Schauspieler ignorieren ihn. Der Regisseur blickt sich suchend um.

Regisseur (brüllt): Wo ist mein Kaffee?

Eine junge Angestellte kommt herbeigelaufen und stellt den Becher auf den Tisch.

Regisseur: Wird auch Zeit!

Der Regisseur trinkt einen Schluck und wirft den Becher vom Tisch.

Regisseur: Der ist viel zu heiß!

Die Angestellte kniet sich eilfertig hin und wischt die Lache mit einem Lappen, den sie bereits mitgebracht hatte, auf. Der Regisseur beachtet sie nicht weiter, stattdessen starrt er verkniffen auf die Bühne.

Regisseur: Also los! Nicht so faul heute Morgen.

Die Schauspieler erheben sich lustlos von ihren Plätzen und schlurfen zum Bühnenrand. Der Regisseur fixiert sie über die Brille hinweg.

Regisseur: Wir proben nun die achte Szene. Die örtliche Theatergruppe bereitet ihr Bühnenstück vor. Der Regisseur sitzt dort auf der linken Seite (er deutet auf einen kleinen Tisch am Rand der Bühne). Er ist schlecht gelaunt, weil er der Meinung ist, sein Talent hier zu verschwenden. Eine Bedienung bringt ihm Kaffee. Er stößt den Becher um, weil er zu heiß ist und ruft die Truppe zusammen. Der Regisseur beschreibt die Szene, in der Constanze auf ihren heimlichen Liebhaber wartet. Als er schließlich kommt, erscheint gleichzeitig Constanzes Mann. Zwischen den dreien entspinnt sich ein Handgemenge. Der Ehemann zieht einen Revolver, ein Schuss löst sich und Constanze sinkt tödlich getroffen zu Boden. Daraufhin entreißt der Liebhaber dem Ehemann den Revolver und erschießt ihn voller Zorn. Dann flieht er aus dem Wohnzimmer. Noch Fragen?

Liebhaber: Warum muss ich den Ehemann erschießen?

Regisseur: Eine solch dumme Frage kann ich nur von dir erwarten!

Der junge Angestellte bringt einen neuen Kaffee. Der Regisseur sieht sie misstrauisch an.

Regisseur: Wird auch langsam Zeit!

Er trinkt einen Schluck und verzieht den Mund.

Regisseur: Schmeckt wie Waschwasser! (dann zum Liebhaber:) Mach dir mal keine Gedanken über das Stück. Davon verstehst du nichts.

Der Ehemann grinst. Der Liebhaber wirft ihm einen abschätzigen Blick zu.

Liebhaber (murmelt): Was für ein schmieriges Theater.

Ehemann (raunt): Das ist doch alles, was wir können.

Regisseur (brüllt): Los jetzt!

Bühnenregisseur tritt vor.

Bühnenregisseur: Constanze fehlt noch.

Regisseur: Wo ist sie schon wieder? Macht nichts als Ärger!

Liebhaber (leise): Wie du sie gestern zusammen geschrien hast, ist das auch kein Wunder!

Ehemann: Geh sie doch trösten!

Regisseur: Wenn sie in fünf Minuten nicht da ist, besetzen wir um!
Bühnenregisseur: Wir haben keine Zweitbesetzung.

Regisseur: So schlecht wie sie ist, kann das jede.

Der Regisseur blickt sich um und entdeckt eine junge Garderobiere hinten im Theater. Er deutet auf sie.

Regisseur: Du da! Komm her!

Der Regisseur winkt ihr zu. Die junge Frau blickt auf und zeigt verwundert auf sich. Der Regisseur nickt ungeduldig und winkt sie herbei. Die Garderobiere kommt den Theatergang entlang zur Bühne. Der Regisseur mustert sie abschätzig.

Regisseur: Schon einmal Theater gespielt?

Garderobiere: Nein.

Regisseur: Macht nichts. Geh da hoch, wir haben keine Zeit mehr!

Der Regisseur weist ihr den Weg zur Bühne. Verunsichert steigt die Garderobiere die Treppe empor. Der Ehemann grinst, der Liebhaber drückt der Garderobiere die Skriptseiten der Szene in die Hand.
Regisseur: Also, fangen wir endlich an! Auf die Plätze!

Der Liebhaber schiebt die lesende Garderobiere zum Sofa. Der Bühnenregisseur geht zu seinem Tisch und setzt sich dahinter.

Regisseur: Action!

Bühnenregisseur blättert griesgrämig durch einen Stapel Papier. Die Schauspieler sitzen gelangweilt im Wohnzimmer herum. Der Bühnenregisseur nestelt an seiner Brille, die Schauspieler ignorieren ihn. Bühnenregisseur blickt sich um.

Bühnenregisseur (brüllt): Wo ist mein Kaffee?

Eine junge Angestellte kommt herbeigelaufen und stellt den Becher auf den Tisch.

Bühnenregisseur: Wird auch Zeit!

Der Bühnenregisseur trinkt einen Schluck und wirft den Becher vom Tisch.

Bühnenregisseur: Der ist viel zu heiß!

Die Angestellte kniet sich eilfertig hin und wischt die Lache mit einem Lappen, den sie bereits mitgebracht hatte, auf. Der Bühnenregisseur beachtet sie nicht weiter, stattdessen starrt er verkniffen auf die Bühne.

Bühnenregisseur: Also los! Nicht so faul heute Morgen.

Die Schauspieler erheben sich lustlos von ihren Plätzen und schlurfen zum Bühnenrand. Der Bühnenregisseur fixiert sie über die Brille hinweg.

Bühnenregisseur: Wir proben nun die achte Szene. Constanze wartet auf ihren heimlichen Liebhaber. Gleichzeitig erscheint ihr Ehemann und zieht einen Revolver. Zwischen den dreien kommt es zu einem Handgemenge, bei dem sich ein Schuss löst und Constanze tödlich getroffen zu Boden sinkt. Daraufhin entwindet der Liebhaber dem Ehemann voller Zorn die Waffe und erschießt ihn. Dann flüchtet er. Noch Fragen?

Liebhaber: Warum muss ich den Ehemann erschießen?

Bühnenregisseur: Eine solch dämliche Frage kann ich nur von dir erwarten.

Die junge Angestellte bringt einen neuen Kaffee zum Tisch.Der Bühnenregisseur sieht sie misstrauisch an.

Bühnenregisseur: Wird auch Zeit!

Bühnenregisseur trinkt einen Schluck und verzieht den Mund.

Bühnenregisseur: Kann ich genauso gut Brackwasser trinken (dann zu L:) Mach dir keine Gedanken über das Stück, davon hast du keine Ahnung.

Der Ehemann grinst, der Liebhaber wirft ihm einen abschätzigen Blick zu.

Bühnenregisseur (brüllt): Los jetzt!

Der Ehemann und der Liebhaber eilen hinter die Kulissen. Constanze geht unruhig durch den Raum. Sie bleibt am Sofa stehen, scheint sich auf etwas zu besinnen, huscht ruhelos weiter. Die Tür öffnet sich und der Liebhaber kommt herein. Constanze eilt ihm entgegen.

Constanze: Endlich!

Liebhaber: Geliebte!

Die beiden fallen sich in die Arme. Die Tür wird aufgerissen und der Ehemann stürmt herein.

Ehemann: Ertappt! Ich ahnte es! Doch mit ihm?

Der Ehemann deutet auf den Liebhaber.

Ehemann: Welch eine Schmach!

Der Ehemann zieht einen Revolver. Der Liebhaber und Constanze springen auseinander.

Constanze (ruft): Tu´s nicht!

Der Ehemann zielt auf den Liebhaber. Der Liebhaber springt herbei und beide Männer kämpfen. Constanze eilt hinzu. Ein Schuss löst sich. Beide Männer blicken erschrocken auf Constanze. Constanze hält sich die Brust, zieht dann jedoch die Hand fort.

Constanze: Nicht getroffen!

Bühnenregisseur (brüllt): Falsch!

Regisseur (brüllt): Falsch!

Bühnenregisseur: So steht das nicht im Skript!

Regisseur: So steht das nicht im Skript! Seid ihr unfähig, ein paar Zeilen zu lesen?

Bühnenregisseur: Seid ihr unfähig, ein paar Zeilen zu lesen?

Constanze wendet sich Regisseur und Bühnenregisseur zu.

Constanze: Ich dachte, so wäre es besser.

Bühnenregisseur: Was besser ist, bestimme ich.

Regisseur: Nein, was besser ist, bestimme ich.

Ehemann und Liebhaber setzen sich auf das Sofa und beobachten die Szene. Constanze geht einen Schritt auf Bühnenregisseur zu.

Constanze: Wenn ich sterbe, tötet mein Liebhaber den Ehemann. Was soll das? Er ist dann ein Mörder und die Geliebte ist tot. Somit hat er gar nichts mehr. Das macht doch keinen Sinn!

Bühnenregisseur: Das ist dramatisch!

Regisseur: Das ist Dramaturgie!

Constanze: Das ist Unsinn!

Regisseur stöhnt auf, Bühnenregisseur stöhnt auf.

Constanze (weiter): Wie wäre es denn so? Der Liebhaber entwindet dem Ehemann nach dem verfehlenden Schuss den Revolver und erschießt den Ehemann. Die Liebenden fallen sich in die Arme und fliehen gemeinsam.
Der Regisseur trinkt seinen Kaffee und schüttelt sich.

Regisseur: Genauso mies wie der Kaffee.

Bühnenregisseur trinkt seinen Kaffee und schüttelt sich.

Bühnenregisseur: So übel wie dieses Gesöff!

Constanze: Ich zeige einmal, wie ich es meine.

Sie winkt den Ehemann und den Liebhaber zu sich. Beide Männer kämpfen erneut. Ein Schuss löst sich, Constanze greift sich an die Brust.

Constanze: Nicht getroffen!

Der Liebhaber entwindet dem Ehemann den Revolver und schießt auf ihn. Der Ehemann bricht zusammen. Constanze eilt auf den Liebhaber zu und umarmt ihn. Beide fliehen aus dem Zimmer. Constanze kommt zurück und bleibt vor dem Tisch des Bühnenregisseurs stehen.

Constanze: Und?

Regisseur: Hm.

Bühnenregisseur: Hm. Also gut, wir machen es so.

Regisseur: Was soll das?

Bühnenregisseur (wendet sich dem Regisseur zu): Ich verbitte mir jedwede Störung bei den Proben!

Regisseur: Ich bin der Regisseur!

Bühnenregisseur (brüllt): Ruhe! Und Action!

Der Ehemann und der Liebhaber kämpfen miteinander. Der Liebhaber entwindet dem Ehemann den Revolver und zielt auf ihn. Constanze wirft sich ihm in den Arm.

Constanze: Nein!

Ein Schuss löst sich, trifft den Ehemann jedoch nicht.

Bühnenregisseur: Halt!

Regisseur: Halt!

Bühnenregisseur: Was ist das denn jetzt?

Constanze wendet sich Bühnenregisseur und dem Regisseur zu. Der Ehemann und der Liebhaber setzen sich wieder auf das Sofa.

Constanze: Ich habe mich gefragt, warum von den beiden überhaupt einer sterben muss.

Bühnenregisseur: Das ist ein Drama!

Regisseur: Das ist eine Tragödie!

Constanze: Das ist lächerlich!

Bühnenregisseur: Constanze will doch mit dem Liebhaber fliehen.

Constanze: Eben nicht!

Bühnenregisseur (verwundert): So?

Regisseur (überrascht): So?

Der Ehemann und der Liebhaber blicken ratlos einander an.

Constanze: In dem Augenblick, als der Liebhaber den Ehemann töten will, erkenne ich, dass ich in Wahrheit den Ehemann liebe und mich mit dem Liebhaber nur an ihm rächen wollte, da er mich so sehr vernachlässigt hat. Im Angesicht der Todesdrohung aber erkenne ich meine wahren Gefühle. Etwa so!

Constanze winkt den Liebhaber und den Ehemann herbei. Die beiden Männer kämpfen. Der Liebhaber entwindet dem Ehemann den Revolver und zielt. Constanze wirft sich ihm in den Arm.

Constanze: Nein!

Ein Schuss löst sich, trifft jedoch nicht den Ehemann. Constanze schmiegt sich an ihn.

Constanze: Geliebter, verzeihst du mir?

Ehemann: Auf ewig, meine einzige Liebe!

Der Liebhaber steht daneben und lässt Revolver und Kopf sinken. Constanze wendet sich ihm zu.

Constanze: Es tut mir leid.

Dann nimmt sie den Ehemann am Arm und verlässt mit ihm das Wohnzimmer. Der Liebhaber verharrt still mit gesenktem Kopf an seinem Platz. Constanze kommt zurück und stellt sich vor dem Tisch des Bühnenregisseurs.

Constanze: Ist das nicht viel besser?

Bühnenregisseur: Das ist Kitsch!

Regisseur: Das ist Schund!

Constanze: Das ist großes Gefühl.

Bühnenregisseur (verzweifelt): Wir können es ja einmal probieren.

Regisseur: Verschwendete Zeit!

Bühnenregisseur (wendet sich dem Regisseur zu): Ruhe im Theatersaal!

Constanze dreht sich zu dem Ehemann und Liebhaber herum und winkt sie herbei. Sie nehmen ihre Positionen ein. Die beiden Männer kämpfen. Der Liebhaber entwindet dem Ehemann den Revolver und zielt. Constanze wirft sich ihm in den Arm.

Constanze: Nein!

Ein Schuss löst sich, trifft jedoch nicht den Ehemann. Stattdessen sinkt Constanze zusammen. Vom Boden aus streckt sie dem Ehemann ihre Hand entgegen.

Constanze: Geliebter! Verzeihst du mir?

Der Ehemann kniet sich hinab und ergreift ihre Hand.

Ehemann: Auf ewig, meine einzige Liebe!

Er beugt sich zu ihr hinunter und küsst sie. Der Liebhaber sinkt hinab, mit Tränen in den Augen. Bühnenregisseur beobachtet die Szene, mit Tränen in den Augen. Der Regisseur sieht weg, mit Tränen in den Augen. Die junge Angestellte bringt Bühnenregisseur einen frischen Kaffee und stellt ihn auf den Tisch. Bühnenregisseur blickt sie gerührt an.

Bühnenregisseur: Danke, meine liebe!

Die junge Bedienung bringt dem Regisseur einen neuen Kaffee und stellt ihn auf den Tisch. Der Regisseur blickt auf den Tisch.

Regisseur (murmelt): Danke, meine liebe!

Constanze steht auf und stellt sich vor den Tisch des Bühnenregisseurs. Der Ehemann und der Liebhaber stützen sich gegenseitig und wanken zum Sofa hinüber.

Constanze: So in etwa habe ich es mir gedacht.

Der Bühnenregisseur schluckt und nickt. Dann blickt er hinüber zum Regisseur und wartet auf Anweisungen. Der Regisseur rührt bedächtig in seinem Kaffee. Er steht langsam auf und nimmt seine Jacke. Der Regisseur zieht sie an und geht durch den Theatersaal zum Ausgang. In der Mitte des Weges bleibt er stehen und dreht sich um.

Regisseur: Wir warten bis morgen auf die Erstbesetzung von Constanze.

Dann verlässt er den Theatersaal.

Vorhang fällt.


© Mark Gosdek


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Kommentare zu "Zweitbesetzung"

Re: Zweitbesetzung

Autor: axel c. englert   Datum: 20.04.2014 10:06 Uhr

Kommentar: Lieber Mark!
Leider ist Dein ebenso kluger wie phantasievoller Text durchaus sehr
realistisch...
Die „Zusammen“ – Arbeit zwischen Regie (Hallo, Sabine!!!) und
eitlem Rampensau – Protagonisten (Axel) erweist sich nicht allein
zur Osterzeit als Quell fortwährender Heiterkeit!

LG und FROHE OSTERN,
Axel

Re: Zweitbesetzung

Autor: Mark Gosdek   Datum: 20.04.2014 11:29 Uhr

Kommentar: Lieber Axel,
ich lese daraus, dass Du durchaus Erfahrung in dieser Beziehung hast. Es freut mich, dass dieser Einakter Deinen Zuspruch findet, entspringt er doch einzig aus meiner Vorstellung. Ich wollte schon lange eine Geschichte in der Geschichte schreiben, glaubte aber nicht, dass sie als realistisch angesehen werden kann.
Ich wünsche Dir auch frohe Ostertage.
LG
Mark

Re: Zweitbesetzung

Autor: noé   Datum: 20.04.2014 20:22 Uhr

Kommentar: Geiles Teil!
Zuerst dachte ich an "Wnd ewig grüßt das Murmeltier" und fand DAS schon gut. Aber das ist ja noch viel besser!
Ich habe den Text ganz extrem genossen, meine Mundwinkel sind immer noch oben!
noé

Re: Zweitbesetzung

Autor: Mark Gosdek   Datum: 21.04.2014 5:02 Uhr

Kommentar: Vielen Dank, liebe Noé. "Und ewig grüßt das Murmelier" mag ich auch. Es ist spannend, wie kleine Änderungen im Verhalten/Ablauf die Umgebung beeinflussen können (meistens jedenfalls), obwohl ich glaube, dass die Zweitbesetzung der Constanze in der Realität nie so weit gekommen wäre. Mark

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