Es gab einst eine riesige Apfelplantage in einer noch größeren Wüste. Eines Tages kam ein Mann in zerrissenen Kleidern zu jener Plantage. Er erreichte diese nur noch mit größter Mühe und Not. Man sah ihm die Strapazen seiner Reise an. Er war ausgezehrt und von der Sonne versenkt. Seine Lippen waren spröde gewesen und teils aufgeplatzt. Sie wurden teils durch seinen Bart verdeckt, welcher wie Fetzen herunterhing. Er wollte gerade nach einen der Äpfel greifen als ihn der kräftige und gut gekleidete Besitzer der Plantage ansprach.
„Was machst du da?“, fragte er. „Ich möchte nur einen Apfel essen.“- „Meinst du, dass kannst du einfach so machen? Die Äpfel gehören schließlich jemanden.“- „Doch habt ihr so viele Äpfel mehr als ihr Essen könnt. Ich möchte nur einen.“, sagte der Ausgezehrte mit eine unterwürfigen Geste. Der Besitzer sah den Mann musternd an: „Sag mir bist du allein?“- „Allein? Nein, dass bin ich nicht. Ich bin der erste von vielen.“- „Von vielen sagst du... gut. Du darfst dir einen Apfel nehmen, nicht mehr. Nur einen! Doch sage ich dir, dass wenn du diesen Apfel isst, du nie mehr etwas anderes haben möchtest und dich nach ihnen verzehren wirst. Dein Leiden danach wird noch viel schlimmer werden, als die unzähligen Leiden und Entbehrungen deiner Reise bis hier her. Also, du kannst den Apfel haben. Aber überlege es dir gut.“
Der Ausgezehrte nickte und setzte sich neben den Baum hin und dachte über die Worte des Mannes nach. Dieser verschwand und kam nach kurzer Zeit wieder. Er hatte einiges an Werkzeug geholt und begann einen Zaun zu bauen. Der Ausgezehrte fragte ihn: „Wofür ist der Zaun?“- „Seit ihr viele?“- „Wir sind tausende.“ Der Besitzer nickte und ging weg.
Nach einiger Zeit kam der Besitzer wieder zurück. Er hatte Steine und Mörtel mitgebracht, sah den Ausgezehrten an und fragte ihn: „Und wirst du den Apfel essen?“- „Ich weiß es nicht.“, sagte er aufrichtig und schaute zu wie der Besitzer nun hinter dem Zaun eine Mauer erbaute. Als die Mauer 3 Meter hoch war, fragte der Ausgezehrte den Besitzer: „Wofür ist die Mauer?“ - „Seit ihr viele?“- „Wir sind tausende und werden jeden Tag mehr.“ Der Besitzer nickte und ging erneut weg.
Nach einiger Zeit kam der Besitzer wieder zurück. Er hatte nun Stacheldraht und Pfähle mitgebracht, sah den Ausgezehrten immer noch dort sitzen und fragte ihn: „Wirst du einen der Äpfel essen?“- „Ich bin mir noch nicht sicher.“, sagte er nachdenklich und schaute zu wie der Besitzer die Mauer mit dem Stacheldraht und den Pfählen ausbaute. War dies erledigt fragte der Ausgezehrte erneut den Besitzer: „Wofür ist dieser Stacheldraht und die Pfähle?“- „Seit ihr viele?“ - „Wir sind tausende, werden jeden Tag mehr und streben nur von der Hoffnungslosigkeit fort.“ Der Besitzer nickte und ging wiedereinmal fort.
Nach einiger Zeit kam der Besitzer wieder zurück. Er hatte diesmal ein doppelläufiges Gewehr in den Händen, sah den Ausgezehrten an und fragte ihn: „Und wirst du den Apfel essen?“- „Ja, ich werde den Apfel essen. Ich möchte wissen, wieso du ihn mit einem Zaun, Mauern, Stacheldraht und Pfählen schützen willst. Der Ausgezehrte griff nach einem Apfel, pflückte ihn vom Baum und biss hinein. Seit langem hatte er nichts mehr gegessen und seine Sinne waren berauscht. Am liebsten würde er nun jeden Tag solch einen saftigen, süßsauren, kräftigen Apfel essen.
Der Besitzer sah wie gierig der Ausgezehrte den Apfel verspeiste und warf ihm das Gewehr hin: „Du darfst jeden Tag so viele Äpfel essen wie du magst, wenn du mir deines Gleichen von der Plantage fernhältst.“ Der Ausgezehrte griff nach dem Gewehr und nickte. Seit diesem Tag ist niemand mehr auf die Plantage gekommen.


© PeKedilly 2014


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