Bruno habe, wie er sagte, unter Vertrauten schließlich zugegeben, dass er bei seinem letzten Einkauf in einer einschlägigen Filiale einer bekannten Supermarktkette sich habe verleiten lassen, den Werbeversprechen einiger ausgehängter Plakate folgend, etwas zu kaufen, was er eigentlich nicht benötige.

So habe er sich selbst sehr gewundert, als er in der Schlange der an der Kassen Wartenden schließlich ein wunderschön verpacktes Navigationsgerät, welches als Lockartikel in den Regalen gelegen habe, nunmehr dem Band anvertraut habe, welches alle eingekauften Waren unweigerlich der Kassiererin zur Bezahlung zuführen würde.

Noch während das Band vorgerückt sei, habe er mehrere Male darüber nachgedacht, das Navigationsgerät wieder zurückzubringen. Aber sowohl seine Lust, in den Besitz dieses aufregenden Gerätes zu gelangen sowie die Vermeidung der Peinlichkeit, die wegen der nachfolgenden Käuferinnen und Käufern unvermeidlich geworden wäre, ließ ihn von diesem Vorhaben Abstand nehmen.

So gelangte er, Bruno, schließlich in den Besitz dieses Gerätes.

Vertrauensvoll gab er unter Freunden zu erkennen, dass er zuhause voller Aufregung zunächst die Garantiebedingungen und schließlich die umfangreiche Gebrauchsanleitung studiert habe, die ihm zum Erwerb dieses famosen Gerätes ausdrücklich beglückwünschte.

Bruno, so erzählte er mit vorgehaltener Hand, habe schließlich mehrere Stunden damit verbracht, zu beobachten, wie der eingebaute Akku sich mit Energie füllte, um dann mit dem mitgelieferten Plastikstift das Displayfeld mutig an verschiedenen Stellen anzutippen, um alle Funktionen zu probieren. Endlich habe er, Bruno, auch einige Zieleingaben eingetippt, um eine Fahrt mit dem Navigationsgerät zu simulieren.
Fasziniert von den Fähigkeiten dieses Gerätes habe Bruno am nächsten Tage auch Ziele, die nur im benachbarten Ausland zu finden sind, eingegeben. Stundenlang habe er vor dem Gerät gesessen, dessen Pfeil in der Mitte des Bildschirms ihn, Bruno, im Simualtionsmodus nach Wien, Amsterdam oder Zürich führte. Er überquerte den Brenner und den St. Gotthard, umrundete Paris, hielt sich in der Bretagne auf und ließ sich per Fähre über den Ärmelkanal tragen.

Erst als er Besuche in Oslo und Stockholm beendet hatte, habe die Ernüchterung von ihm Besitz ergriffen, die immer eintritt, wenn eine neue Sache allmählich zu einer alltäglichen wird. In seinem Kopf, so erzählte Bruno, habe sich langsam der Gedanke gebildet, dass er im Grunde keine sinnvolle Verwendung für das Gerät habe, es sei denn, eine Nutzanwendung würde sich dann ergeben, wenn er, Bruno, endlich damit beginne, eine Fahrschule zu besuchen und für ein Auto zu sparen.


© Rolf Kirsch


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