Wenn wir also die Welt in uns aufsaugen... und das tun wir mit allem was da drin ist, sichtbaren und unsichtbarem, nennbaren und unnennbaren, greifbarem und wunderbarem, dann atmen wir wirklich. Dieser Prozess läuft ohne Bewusstsein. Eine unwirkliche Kraft treibt die Lungen an. So automatisch wie eine Maschine, seitdem das echte Licht auf unsere fleischlichen Augen traf. Uns wird nie bewusst wie bedeutsam das ist. Abgesehen davon das unser Blut mit wichtigen Stoffen versorgt wird, geschieht dabei doch so viel mehr. Luft ist nicht gleich Luft. Jeder Ort hat seine eigene Beschaffenheit, jeder Atemzug sein eigenes Leben. Was wir da in uns aufnehmen ist ein Wunder an Wachsen und Sterben zugleich. Erst seit neuestem senden Maschinen wie Autos und Handys ihre Ausdünstungen in das Nichts. Schon immer wandeln die Menschen durch einen Nebel von Seelen. Die Bäume und die Tiere verraten uns ihr Sein durch das Wabern der unsichtbaren Kräfte. Auch die Menschen sind verbunden über ein unsichtbares Band und so atmen wir förmlich die Liebe und den Hass, das Wollen und das Lassen, das Denken und Verstehen, der um uns streifenden Humanoiden ein. Wir fühlen es kaum noch, aber die Wahrheit steht unumstößlich in farblosen Buchstaben in den Raum geschrieben.
Dann atmen wir ein und wie ein Fluss fließt sanft das Kalte und das Warme in unser Innerstes. Es streift die Lippen und benetzt die Zunge. Die Poren erheben sich und erleben die Umgebung auf eine Weise die Jenseits der Sinne ist. All diese Momente, Taten, Emotionen und Situationen des täglichen Lebens vermischen sich in unserem Atem zu einem vollkommendem Elixier. Es läuft wie in eine leeres Gefäß ohne Boden und wird doch gehalten an dem mit Mustern geschmückten Loch. Schließen wir die Augen können wir es sehen. Die Tiefe des Menschen ist unermesslich und niemand vermag zu sagen was mit dem passiert was in uns verschwindet.
Genauso wenig kann man Aussagen darüber treffen wo das herkommt was wir ausatmen. Denn auch dieser Vorgang ist uns von Natur gegeben. Aber in unserem Körper geben die Rezeptoren der Liebe Düfte ab, die noch niemand gerochen hat. Aus einer verborgenen Quelle strömt ein rauschender Saft in die Luft die uns verlässt. Eine unbekannte Welt, die nur dem Einzelnem gehört gerät so in die Wirklichkeit. Vorbei an unserem geschwollenem Hals und unseren aufgeblähten Lungen. Streifend den Eiter und den Schleim unserer Kehle. Schwebend über der gelben Zunge und den mit Karies befallenen Zähnen. Diese hässliche Realität hat mit dem. was ein- und ausströhmt wenig gemein. Nichts wird berührt von der atmenden Seele. So beschiessen wir das Universum in jeder Sekunde aus uns heraus mit einer neuen Welt.


© mobla - André Ritter


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