Horst Samson, ein Name, der uns Schülern bis dato gänzlich unbekannt war, uns nun jedoch den Unterricht des Deutsch-Literatur-Kurses hindurch begleiten sollte, ist ein Mann, der auf den ersten Blick einen recht unscheinbaren Eindruck macht. Graues Haar umrahmt die alten, von Falten zerfurchten Züge, die ein krauser Bart ziert. Warme Augen blicken aus dicken Brillengläsern neugierig in die Menge der Schüler und scheinen jeden einzelnen erforschen zu wollen.
Ein älterer Herr wie aus dem Bilderbuch, möchte man sagen.
Doch dieses unspektakuläre Äußere ist nur eine Fassade, hinter der sich die geheimnis-umwobene, ja schreckliche Geschichte eines Mannes verbirgt, der seine Erlebnisse und sein damit verbundenes Leid in der Lyrik verarbeitet.
Er ist ein Mann, der ins Exil getrieben wurde und fortan gezwungen war ein Leben in einem fernen Land zu verbringen; ein Land, dessen Sprache er nicht beherrschte, in dem ihm alles fremd war, nicht zuletzt die Menschen, denen er dort Tag für Tag begegnete.
Zuvor noch von vertrauten Gesichtern umgeben, Menschen, die ihm lieb und teuer waren, so musste er nun die absolute Fremde in Kauf nehmen und diese bestand nicht nur aus einer ihm völlig unvertrauten Sprache oder einem großen unbekannten Land: sie hatte vor allem das Gesicht des Hochmuts und der Intriganz, die sich in vielen Deutschen widerspiegelte.
Denn Deutschland war es, in welches er so fluchtartig gereist war.
Das Leben Horst Samson fällt auf die Nachkriegszeit, sodass dieser den „Kalten Krieg“ miterlebt.

All dies erfuhren wir persönlich vom serbisch-deutschen Dichter und zwar während einer Lesung, die wir genötigt waren zu besuchen, was ich natürlich als Impertinenz erachtete, jedoch keine Erwähnung fand, da es der Harmonie des Lehrer-Schüler-Verhältnisses nicht förderlich gewesen wäre.
Und so fanden wir Schüler uns in jenem Raum ein und hingen gebannt an den Lippen des Dichters. Er trug nicht wenige Gedichte aus seinem eigens verfassten Buch „Kein Schweigen bleibt ungehört“ vor – darunter waren „Pünktlicher Lebenslauf“, das seinem Vater gewidmet ist, „Am Kap der Vergeblichkeit“, „Fahrtwind“, „Die Zerstörung der Welt in sieben Tagen“, welches eine Anlehnung an die biblische Schöpfungsgeschichte darstellt, zudem „Deutscher Soldat“ und „Brennende Zeit“, um nur wenige zu nennen – und so belehrte er uns aus dem Fundus seiner „reichhaltigen Erfahrung.“ Denn seine Texte sind de facto außerordentlich inhaltsreich, was vermutlich daran liegt, dass sie seine Erlebnisse und seine Erfahrungen enthalten. Und man kann wohl mit Bestimmtheit sagen, dass dieser Mann und sein Bart eine Menge davon zu bieten haben.
In seinen Texten findet sich der Schmerz und die Sehnsucht wieder, das, worunter Horst so gelitten hat und vielleicht immer noch leidet.
Damit konnte sie gewiss viele Zuhörer in ihren Bart, oh entschuldige, ich meine natürlich Bann ziehen, da ein persönliches Schicksal Gegenstand dieser Lesung war; das Thema „Exil“ wurde für uns Schüler somit greifbarer und wirklicher.
Trotz alledem konnte ich seinen literischen Ergüssen nichts abgewinnen. Denn seine Gedichte haben, wenn ich mir die Kühnheit erlauben darf, kaum etwas mit Lyrik zu schaffen.
Natürlich ist zu erkennen, dass er seine Texte in Strophen einteilt und somit der Form eines Gedichtes Gerechtigkeit abtut. Doch für meinen Geschmack fehlen jegliche Reime, von der Metrik möchte ich gar nicht erst anfangen. Außerdem konnte ich während der Lesung beim Zuhören feststellen, dass in vielen seiner Texte oftmals das Gleiche stand, bezüglich Wortspielereien und rhetorischer Mittel. Ich lehne mich also weit aus dem Fenster und sage, dass Horst Samson von nicht besonders eloquenter Natur ist. Eine dichterische Seele scheint, so meine persönliche Erkenntnis, nicht in ihnen zu wohnen, auch, wenn er sich als anerkannten Literaten vorstellte.
Mir ist natürlich nicht daran gelegen, negativ von Horst Samson zu sprechen, immerhin finde ich, dass er eine interessante Persönlichkeit ist und offenkundig Experte auf dem Gebiet der Literatur, dennoch wirkten seine Gedichte mitunter bieder und fade auf mich.
Die Lesung konnte mich also nicht so recht begeistern; mein Interesse verhielt sich eher intermittierend, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass Horst Samson und sein Bart uns unentwegt ihre Gedichte zu Gehör brachte, sodass eine gewisse Monotonie entstand, die mich persönlich und ich wage zu behaupten nicht wenige andere an den Rand des Schlafes brachte, um es behutsam zum Ausdruck zu bringen.
Ob der Schlaf mich tatsächlich überwältigte oder nicht – das kann getrost im Dunkeln bleiben.

Zum Ende der Lesung hin war uns das „Privileg“ nicht vergönnt unsere selbst geschrieben Gedichte zum Thema Exil vorzutragen.
Nach anfänglichem Zögern torkelten einige wenige Schüler der Reihe nach zu unserem verehrten Literaten ans Lehrerpult und trugen mal stotternd, mal ganz salbungsvoll ihre Werke vor.
Dabei konnte ich feststellen und gewiss auch andere, dass das lyrisch-poetische Talent nicht unbedingt bei jedem zu finden ist. (Auch wenn ich bei ein, zwei Exemplaren über die geniale Verknüpfung von Gedanken stutzen musste und auch Selvijes Gedicht ließ vor meinem geistigen Auge elysische Bilder entstehen – an dieser Stelle: Hut ab, Selvije.) Auch Horst Samson gab am Ende unmissverständlich seinen Ärger zu dem geistigen Dünnschiss kund, der zu Papier gebracht wurde; ich zitiere „Nun, ich sehe, dass einige von euch sich wirklich Mühe gegeben haben. Ansätze der Lyrik sind teilweise schon vorhanden, aber bis eure Werke wirklich druckreif sind, müsst ihr noch hart arbeiten.“

In anderen Worten, er würde unsere Gedichte lieber in der Biotonne sehen, als in einem Zeitungsartikel oder dergleichen; denn was ließe sich angesichts dieses verschmitzen Grinsens sonst vermuten.
Doch ich möchte mit den mutigen Vorlesern nicht allzu hart ins Gericht gehen. Denn es kostet in der Tat große Überwindung, sich in das gleißende Scheinwerferlicht zu stellen und seine tiefsten Gedanken – zu Papier gebracht – vor einer versammelten Menge offenzulegen.

Zu guter Letzt kann ich sagen, dass die Lesung ein voller Erfolg war, denn wir konnten einige wichtige Impulse der Literatur mitnehmen und vielleicht sind einige von uns sich nun umso mehr bewusst, welch ein Glück es ist, in unserer heutigen Zeit zu leben, wenn man bedenkt, was zur Zeit des Nationalsozialismus alles geschehen ist. Aus seinem Leben gerissen und in ein Land katalpultiert zu werden, das einem völlig fremd ist, muss furchtbar sein; furchtbarer, als wir Jugendliche es uns wahrscheinlich jemals ausmalen können.
Danke an Horst Samson, dass er uns diese Tatsache ein Stückweit näher gebracht hat.


© Poetro


3 Lesern gefällt dieser Text.





Beschreibung des Autors zu "Horst Samson - Ein Zeuge des Exils"

Ein Blog, den ich in der Schule als Hausaufgabe schrieb, als Horst Samson in unsrer SChule eine Lesung hielt...




Kommentare zu "Horst Samson - Ein Zeuge des Exils"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Horst Samson - Ein Zeuge des Exils"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.