An dem Tag meiner Geburt hattest mich die Luft dieser Welt atmen lassen. Irgendwann konnte ich mich auch aufrichten und selbstständig gehen. Ich sah Wege, die für mich offen standen und spürte, du wünschtest, dass ich sie beschreite..
Das tat ich auch und liebte dabei jeden Schritt, weil er mich auf eine unerklärliche Weise auf Dich zu bewegte und gleichzeitig zu mir selbst führte. So kamen wir uns näher und ich konnte mich immer mehr in Dir erkennen und auch Dich – in mir. Ich wusste, wenn ich so weiter ginge, würden wir irgendwann miteinander verschmelzen und war neugierig darauf.

Doch dann erkennte ich, voller Verwirrung, dass ich immer öfter daran gehindert wurde: plötzlich aufgehalten und unterschwellig gedrängt, die Richtung zu wechseln, und es passierte, dass ich stehen geblieben war. Denn die Schritte weg von Dir sehr mühsam waren, jeder von ihnen voller Vorwurf an Dich: warum hast Du mich verlassen?! Das Atmen fiel mir dabei schwer und jede Nahrung verlor in meinem Mund den Geschmack. Ich konnte nichts behalten.

Mit zunehmender Entfernung von Dir wuchs eine schmerzhafte Sehnsucht, die mich immer mehr durchdrang. Ihr Gewicht wurde schnell so erdrückend, dass ich jede kleinste Bewegung fürchtete. Weil jede falsch war und die Distanz zwischen uns nur noch vergrößerte.

Ich wollte leben und zwang mich zu atmen und zu bewegen, wodurch aber die Kraft mich immer mehr verlies. So verstand ich, dass das Leben auch das Getragensein bedeutet - von Dir getragen. Und dass es nur auf den Wegen, die zu Dir führen, möglich ist. Nur dann bekommt das Leben seinen Lauf, - wie ein Fluß, der unbeirrt vom Wind und Wetter, zu seinem Meer fließt.

Seitdem bleibe ich, nach dem ich mich verlaufen hatte, lauschend stehen und warte, bis Du mich zurückrufst. Auch diesmal.


© Ree


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Beschreibung des Autors zu "An den großen Unbekannten"

Ein meiner früheren Versuche, mir durch das geschriebene Wort ein Stück aus der Depression zu helfen ..

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Kommentare zu "An den großen Unbekannten"

Re: An den großen Unbekannten

Autor: noé   Datum: 07.07.2014 0:16 Uhr

Kommentar: Ein feiner Text, fein, sensibel, mit ganz vorsichtig ausgestreckten Tentakelchen, zu fühlen, zu ertasten, ob da jemand, ob da etwas sei, das Halt bieten könne.
Dieser Text, liebe Ree, gibt freie Sicht auf Deine verletzliche Seele.
noé

Re: An den großen Unbekannten

Autor: Ree   Datum: 07.07.2014 10:41 Uhr

Kommentar: Ja, du hast es erkannt, liebe noé, und es sehr schön, behutsam und feinfühlig zum Audruck gebracht, - ich danke dir dafür, weil es meiner Seele gut tut. :)

L.G. Ree

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