Ich hab geglaubt, mit uns, das wär für immer, ich war mir sicher, du würdest niemals gehn.
Jetzt sitz ich hier in unserm kleinen Zimmer, ich kann den Regen durch das Fenster sehn.
Dein Abschiedsbrief liegt drüben in der Küche, ich fand ihn dort, als ich nach Hause kam.
Du schreibst, dein Glück ging in die Brüche, nun fängst du noch mal ganz von vorne an.

Wir beide warn wie Turteltauben, ich fühlte mich von dir geliebt.
Wie konnte ich so lang nur glauben, dass es ein „Wir“ tatsächlich gibt.

Wir hatten Pläne für ein ganzes Leben und nie gezweifelt, dass es uns gelingt.
Jetzt hast du plötzlich aufgegeben, und dir das Lachen abgeschminkt.

Wer bin ich noch nach all den langen Jahren? Wer gibt mir jetzt noch Kraft und Mut?
Wie kann ich meine Würde noch bewahren? Was schürt am Ende meine Glut?

Wer hält mich fest, wenn ich verloren bin? Wohin führt mich mein Weg?
Was gibt mir Wert, wie find ich Sinn? Wo hab ich mich schon festgelegt?

Ich funktionierte wie ein Automat und folgte dir auf Schritt und Tritt.
Ich war dein braver Zinnsoldat und machte alles klaglos mit.

Ich hab mich irgendwo verloren, war der, der niemals aufbegehrt,
hab meiner Seele abgeschworen und mich zuletzt nicht mehr gewehrt.

Vielleicht kommst du noch einmal wieder, vielleicht hältst du mich nochmal fest.
Ich sing dir keine Klagelieder und baue uns kein neues Nest.

Ab heute dreh ich fleißig an den Uhren, ich nehm mich selber an die Hand
und folge nur noch meinen eignen Spuren mit Liebe, Mut und mit Verstand.


© Ulrich Kusenberg


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