Es müssen Tage, Wochen, vermutlich sogar Monate vergangen sein. Ich weiss es nicht, denn ausser der schwärze ist nichts. Es sei denn, der Riegel in der Stahltüre wird bewegt. Markerschütternd das Quietschen und Dröhnen des rostigen Riegels auf seinem ebenso rostigen Untergrund. Unvorstellbar laut, wie die Donner bei Sommergewittern, scheint das Geräusch nach Stunden des Stillseins, des Schweigens, des Verlassenseins. Und dann, ein schmaler streifen Gold der sich unter der Türe und durchschleicht, ein kurzer Moment des Lichtes, bevor die Dunkelheit zurückkehrt. Dann kommen sie mich wieder holen, ziehen meinen geschunden Körper in die sterilen Räume die Sie A, B und C nennen. Immer wieder dasselbe Martyrium, fragen mich, schlagen mich, und ich antworte und weine. Ich weiss es nicht, sag ich immer wieder, aber sie können nicht glauben, wollen verstehen. Dabei gibt es nichts zu verstehen. Ich habe Leid gesehen, doch es berührt mich nicht. Ich habe Tote gesehen, doch sie betreffen mich nicht. Ich kann den Tod riechen, jeden Abend, jeden Morgen. Er umgab mich Jahre, wurde Teil von mir, ich wurde Teil von Ihm. Ich wurde der Tod. (M.S.)

Dunkelheit umschliesst meinen Körper, meine Seele, meinen Verstand. Ich spüre die Kälte, wie sie sich durch den lehmigen Boden, durch die dünne, abgenutzte und muffige Schicht Decken kämpft, nur um meinen Körper zu durchdringen und in den innersten Fasern meines Ichs die letzen Reserven an Kraft zu verbrauchen. Mich leer zu saugen, wie ein Durstiger die letzten tropfen Limonade, an einem warmen Sommertag, aus seinem Glas saugt. Öffne ich die Augen sehe ich schwärze. Schliesse ich sie sehe ich schwärze, auch wenn sie nicht zu vergleichen ist mit der kalten leeren schwärze der Zelle, denn diese schwärze steckt in mir. Tief in den Wickeln meiner Seele hat sie sich einen Bunker aufgebaut, undurchdringlich und kalt wie Beton. Seit Tagen schmerzt mein linkes Bein. Ich habe es Ihnen gesagt, aber Sie kümmern sich nicht darum. Wieso auch? Der Tod ist mir bereits bestimmt, ein Kreuz in einem Kalender, an einem mir noch unbekannten Datum. Aber er existiert, die Durchführung ist geplant, organisiert. Sie wissen wie und wo, denn das sagen Sie mir immer wider. Nur das Wann sagen sie nicht. Aber auch über das Wann wissen sie bescheid, nur wollen sie meine Unsicherheit geniessen, sehen wie ich zerbreche, wie ich zusammen sinke vor Angst und Panik. Ich versuche mich aufzurichten, meine Beine halten nicht Stand und so krieche ich auf allen vieren zum Abort, verrichte mein Geschäft in die stinkende Kloake. Erneut möchte ich aufstehen, knicke ab und schreie laut auf. Doch niemand hört den Schrei ausser meinen Kumpanen, den vier dunkeln Wänden, die mich seit dem ersten Tag begleiten. Sie sind es dann auch, die mein Weinen und Schluchzen schlucken, es in sich aufnehmen und wie ein Geheimnis hüten. Alles scheint aussichtslos und ich warte auf den Tod, der bald kommt, hoffentlich schnell und schmerzlos. Weinen liege ich auf dem nassen Boden, und die Bilder ziehen an meinem inneren Auge vorbei. Bilder die sich seit Jahren wiederholen, wiederkehren und mich nicht mehr in ruhe lassen, kaum sind sie da. Ich sehe Hunger, Tod, Qual. Eine Frau die Ihr Totes Kind in den Armen hält und weint, einen schrei tief aus Ihrem inneren presst. Das Kind wird ihr aus den Armen gerissen und auf einen Haufen gelegt damit der Weg frei ist für den Gewehrkolben der Ihr Gesicht trifft. Blutüberströmt liegt sie am Boden und wird in eine Baracke getragen. In der Baracke warte ich, und kümmere mich um Sie. Diese Bilder und ähnliche kommen wieder und wieder. Ich sehne mich nach der Frau, nach Ihrem warmen Atem und Ihrer Nähe. Alle liebten sie mich, alle kamen Sie immer zu mir. Zuletzt. Und ich kümmerte mich um sie. Doch nun ist dies Vorbei, auch man hat mich Ihnen beraubt, mich entrissen aus der Freiheit die ich genoss. In einen Keller gesperrt und in Ketten gelegt.....


© Simeon


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Beschreibung des Autors zu "Tage, Wochen, Jahre"

Novelle wird bei etwas Resonanz vortgesezt...

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