Ich heiße Maria-James Mc Morrison. Ich wurde am 20.August.1616, in einen kleinen Dorf an der Küstenlandschaft von Island geboren. Unser Dorf hatte keinen Namen, oder er war vergessen worden. Unser Leben, hier gestaltete sich sehr einfach. Wir kannten uns alle untereinander, obwohl unsere Hütten weit auseinanderlagen. Hier war man als Einzelgänger verloren. Meine beiden älteren Geschwister Elsa und Elis waren wie ich eine Zierde für meine Eltern.

Obwohl der Hunger immer unser Gast war, beklagten sich unsere Eltern nie über ihr Schicksal. Statt dessen waren sie dankbar, dass sie mit uns gesegnet waren. Eigentlich war unser Familienname, kein einheimischer Name. Ursprünglich stammten meine Vorfahren aus Schottland. Meinen Namen erhielt ich unter besonderen Umständen. Mein Vater wünschte sich einen Sohn. Doch zweimal wurde er mit einem Mädchen beschenkt. Als meine Mutter mit mir schwanger war, da hoffte mein Vater wieder auf einen Sohn.

Aber dann kam ich zur Welt, und mein Vater schien enttäuscht zu sein. Dennoch sammelte er sich schnell und gab mir den zweiten Vornamen James. So wurde die Tradition in unserer Familie gewahrt. „Dann versuchen wir es so lange, bis ein Sohn herauskommt“, scherzte mein Vater. Doch jede Geburt kostete viel Kraft für meine Mutter und war deshalb ein Risiko für sie. Ich verstand mich sehr gut mit meinen Schwestern. Natürlich gab es auch bei uns, ab und zu Streit. So sind Mädchen eben untereinander . Doch meistens waren wir unzertrennlich.

Wir teilten alles miteinander. Uns verband eine unsichtbare Kraft, die Fremden wahrscheinlich Angstschauer über den Rücken laufen ließe. Als jüngstes Kind in der Familie hatte ich ein Angstgefühl gegen Gewitter entwickelt. Meinen beiden Schwestern hatte ich diese Art von Gefühlen zu verdanken. Sie waren wahre Meister, im Grimassen schneiden und Gruselgeschichten erzählen. Letztere machten mir Angst. Wir drei Mädchen schliefen auf dem Dachboden des Hauses. Hier machte manche unheimliche Geschichte die Runde, die mir dann wilde Träume bescherte. Meine Eltern legten sich im Wohnzimmer zur Ruhe, das gleichzeitig Esszimmer und Küche war. Wir Mädchen wünschten uns schon immer ein Pferd, um uns das Leben hier zu erleichtern. Doch unser Einkommen reichte nie für so ein edles Tier.

Wir lebten im 17 Jahrhundert, und es begann wie die anderen zuvor. Man glaubte an eine göttliche Macht und die Kirche. Aber auch die Existenz von Geistern, Dämonen und Hexen waren uns nicht fremd. Meine Eltern waren gläubige Christen, und dennoch unterschieden sie sich von den anderen Leuten. Mein Vater sagte immer: Wer an Gott glaubt, der öffnet auch dem Teufel die Tür. Denn je näher Gott einem Menschen steht, so wird auch Luzifer seine Nähe suchen.“ Mein Vater sollte recht behalten. Auch wenn in unserem Haus, nie ein Gottesdienst abgehalten wurde, so lebte der Herr doch in unseren Worten und Herzen. Wenn meine Familie fest eingeschlafen war, betete ich zu Gott, ohne zu ahnen, dass ich meiner Familie damit den Tod bringen würde.

Ich kann mich noch genau an diesen schicksalhaften Tag für mich und meine Familie erinnern. Inzwischen schrieben wir das Jahr 1627, und dunkle Wolken zogen bedrohlich über die Küste von Island. Unser Dorf schien das Ziel des aufziehenden Unwetters zu sein. Man hatte das Gefühl, die schwarzen Wolken, wollten unser Dorf erdrücken. Und da war es wieder, dieses Gefühl einer drohenden Gefahr lag in der Luft. Was hätte an diesem heiligen Sonntag schon passieren können? Doch mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht, nein – im Gegenteil - es enthüllte am Sonntagmorgen sein trauriges Antlitz.
Die Horde des Todes raste auf unser friedliches Dorf zu. Schnell und auf Pferderücken kamen die schwarzen Ritter mit ihren kalten Rüstungen und dem tödlichen Stahl, der Leben nahm. Ohne Erbarmen schnitt dieser durch unschuldiges Menschenfleisch. Meine Freunde fielen wie der Weizen bei der Ernte. Sie wussten nichts von unserem Leben, und doch nahmen sie unser Leben. Für Sie waren wir nur leichte Beute. In diesem Chaos, wurde ich von meiner Familie getrennt. Ich war elf Jahre alt, und voller Angst schrie ich nach meiner Familie. Doch meine Stimme verstummte bald, und ich war nicht mehr fähig ein Wort zu sprechen. Auf einmal packte mich eine Hand an der Schulter, und ich drehte mich blitzschnell um. Ich schaute in ein Gesicht voller Schmerz, es war meine Mutter. Ich wollte sie umarmen, doch meine Mutter mahnte zur Eile.

„Maria, mein Kind. Höre mir jetzt gut zu. Ich will, dass du in den Wald läufst, ohne dich umzusehen. Laufe in Richtung Norden, bis du ein altes Holztor erreichst. Dort klopfe an und bitte um Einlass. Lauf jetzt und schau nicht zurück. Wir werden dich finden, mache dir keine Sorgen, mein Kind.“ Ich rannte los und weinte mir die Seele aus dem Leib.

Ich schaute nicht zurück. Leise, fast lautlos, hallten die letzten Worte meiner Mutter in mir nach: „Maria, ich liebe dich. Vergiss das nie mein Kind.“ Diese Worte gaben mir Kraft und Hoffnung. Im Hintergrund hörte ich die Todesschreie meiner Freunde und Nachbarn. Ich versuchte ihre entsetzlichen Schreie auszublenden, um meine Flucht nicht in Gefahr zu bringen. Jetzt wurde mir auch klar, dass meine Familie zum Opfer der Krieger geworden war. Ich fühlte ständig diese Unruhe in mir, und alle, die ich liebte, starben früher oder später. Seit meiner Geburt lastete ein Fluch auf mir. Endlich am Abend erreichte ich dieses Holztor. Ich musste Stunden gelaufen sein. Hinter dem Holztor verbarg sich eine heilige Stätte. Diese war wie eine Festung gesichert. Die Höhe des Bauwerkes zeigte, dass Fremde hier unerwünscht waren. Versuchte man sich vor der Außenwelt zu schützen, oder musste die Außenwelt vor dem geschützt werden, was hinter den Mauern passierte? Welches Geheimnis verbargen diese Mauern? Jeder Mauerstein schien ein Schicksal zu verbergen. Aber genau diese Mauern gaben mir Sicherheit. So stand ich vor diesem Eichentor und nahm all meinen Mut zusammen, und klopfte mit all meiner Kraft. Daraufhin brach ich erschöpft zusammen. Was dann geschah, erfuhr ich von den Mönchen. Einer von ihnen hatte mein Klopfen wahrgenommen. So wurde ich in diesem Kloster liebevoll aufgezogen.

Ich hatte Zugang, zu dem Wissen des Klosters und lernte sehr schnell. Als Gegenleistung half ich den Mönchen bei ihrem Tagewerk. Zwei Brieftauben dienten als Kontakt zur Außenwelt. Die Mönche vermieden den Kontakt, und nur in Ausnahmefällen suchten sie die Gesellschaft der Menschen. Ja, hierher verirrte sich keine Menschenseele, vielleicht lag es auch an den Legenden, die von dem Kloster erzählt wurden. Eine dieser Legenden besagte, dass dieser Wald von mächtigen Wesen beschützt werde. Man nannte diesen Wald: das Reich der verlorenen Seelen. So übernahmen die Mönche meine Erziehung, und ich erhielt eine Ausbildung zur Nonne. So wandte ich meinen Glauben dem einen Gott zu.

Was die Mönche nicht wussten: Ich tat alles nur aus Dankbarkeit, und nicht weil ich daran glaubte. Ich wusste, dass ich mich nicht ewig hier verstecken konnte. Das konnte nicht mein Schicksal sein. Auch die Mönche wussten das und redeten oft darüber. Sie wussten, dass Alt und Jung unter einem Dach nicht lange zusammenleben sollten. Die Jugend dachte anders als die Alten. So trafen wir gemeinsam eine Vereinbarung. Nur solange würde ich diesen Schutz genießen, wie mein Gewissen es zulässt. Man würde mich nie nach dem Grund fragen, wenn ich das Kloster verließe. Sie ist tapfer, sagte der Abt. In ihr ist der Wille ungebrochen. Dass Einzige, was wir ihr geben können, ist der Glaube an das Leben selbst. So wuchs ich behütet im Kloster heran, bis ich mein 17 Lebensjahr vollendet hatte. Von da ab drängte mein Körper und Geist nach neuen Welten. Die Mauern des Klosters, die mich beschützt hatten, Sie wurden mir zu eng. Der Abschied von den Mönchen war ein tränenreicher. Die Mönche würden es nie zugeben, dass sie mich liebten wie ihr eigen Fleisch und Blut. Doch ihre traurigen Augen sprachen eine andere Sprache. Nach sechs Jahre öffnete sich nun für Maria, wieder das schwere Eichentor. Ich zögerte einen Augenblick und schaute wehmütig zurück.

„Worauf wartest Du mein Kind?, fragte der Abt.
„Das Leben ist da draußen.
Hole es dir, mein Kind.“

Du hast alles von uns gelernt, was du zum Leben brauchst. Du weißt, was Recht und Unrecht ist. Wir werden immer für dich da sein mein Kind. Du bist ein Teil von uns. Unsere Gebete werden dich begleiten, Maria.“

Ein kurzer Blick zurück, um ein Bild von meinen Freunden im Geiste zu behalten. Dann schreite ich, durch das Holztor, in eine für mich fremde Welt.

Und wieder betrat ich den gleichen Weg wie vor sechs Jahren. Doch diesmal war ich nicht auf der Flucht. Der Wald, der mir als Kind Angst gemacht hatte, war nun ein Bote des Friedens. Er war voller Leben. Ein Leben, das keinen Stillstand kannte. Für einen Augenblick blieb ich stehen und schloss meine Augen. Die Kraft der Elemente durchflutete meinen ganzen Körper. Diese kleine Pause stärkte meine Seele, und ich setzte meinen Weg fort. Endlich, nach einem langen Fußmarsch, gelangte ich an eine Waldlichtung. Die Lichtung war von verfallenen Gebäuden gesäumt. Die Ruinen sahen in der Ferne aus, wie kleine Hügel. Und dazwischen saftige Viehweiden.


© Rene Eichelmann


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Beschreibung des Autors zu "Der Bote des Luzifer"

Der neue Roman von Rene Eichelmann, der 2011 erscheinen wird. Infos dazu auf:www.rene-eichelmann.de

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