„Und da ihr gerade hier seid“, unser italienischer Freund zwinkert mir zu, „habe ich eine Überraschung für euch.“ Er strahlt, greift zum Glas, nimmt einen großen Schluck von seinem selbst angesetzten Prosecco und versucht, die Sache spannend zu gestalten. Wir sehen ihn erwartungsvoll an. „Erzähl‘ schon!“ Fordere ich ihn ungeduldig auf.
„Der Bruder eines guten Freundes bietet sein Haus zum Verkauf an und morgen haben wir einen Besichtigungstermin.“ Vorfreude…
„Weißt du denn näheres über das Objekt?“ Die Neugierde plagt mich jetzt gar sehr. „Wo liegt es denn? Hier in der Nähe? Wie groß ist der Garten?“ Es sprudelt nur so aus mir heraus. Ja ich weiß, ich bin ungeduldig – wie immer.
„Allora“, unser Freund lässt sich Zeit. Erst mal eine Zigarette anzünden. „Es ist nur einen Sprung von hier entfernt. Vielleicht zehn Minuten. Und das Haus, ich sage euch, ein s-u-p-e-r Panorama. Man blickt direkt von oben auf die Küste und das Meer. Davvero – wirklich.“
„Hast du das Haus schon gesehen, oder gibt es Bilder?“ Hake ich nach.
„Nein, gesehen habe ich es noch nicht. Der Bruder hat mir nur computeranimierte Bilder gezeigt, wie es aussehen könnte. Na ja, es muss noch renoviert werden und dann ist es aber… wirklich, dann ist es ein Palast. Der Garten… grün mit großen Bäumen. Ihr werdet sehen.“ Unser Freund ist ganz enthusiastisch und freut sich offensichtlich darüber, uns am nächsten Tag den Super-Panorama-Palast präsentieren zu können.
Ganz ruhig bleiben. Entweder ist es wirklich so ein Super-Haus, dann können wir es wahrscheinlich nicht bezahlen oder aber… na, mal sehen.
Am nächsten Tag im Auto frage ich nach, ob wir denn einen Schlüssel für die Hausbesichtigung dabei haben oder ob der Besitzer bereits vor Ort auf uns wartet.
„Nein, nein, einen Schlüssel brauchen wir nicht, wir kommen überall so rein. Hat jedenfalls mein Freund gesagt. Wir sollen vor dem großen Tor parken und dann am Tor vorbei durch den Garten gehen.“ Das hört sich ja eigenartig an. Oder habe ich nicht alles richtig verstanden?
Ich komme nicht weiter zum Überlegen, da halten wir auch schon vor einem großen mit Maschendraht bespanntem Tor. Aber NUR Tor. Kein Zaun, kein Pfahl rechts oder links, keine Bretter. Nichts, niente, nada, nothing. Ein Tor in die Pampa gestellt und mit einem großen Vorhängeschloss versehen. Wie schräg ist das denn? Wir gehen am Tor vorbei und kämpfen uns durch das hüfthohe Gras, Unkraut, Brenneseln und was weiß ich alles, tapfer vor in Richtung Haus. HAUS? „Oh“, auch unser Freund ist etwas irritiert. Sagt aber sonst nichts weiter. Ich muss schmunzeln und bleibe ganz gelassen. Zwischendurch werfen wir einen Blick Richtung Küste. Ja, das Meer ist gut zu sehen, aber noch besser (weil näher) ist die sechsspurige Autobahn zu sehen.
Der große Palast besteht nur noch aus den Außenmauern. Schöne, alte Steine. Aber auch die sehen schon ziemlich einsturzgefährdet aus. Kein Dach, keine Etagen, keine Fenster, keine Türen (klar, dass man hier ohne Schlüssel reinkommt). Im Inneren sieht es genauso aus wie draußen. Büsche, Unkraut, Gras und sogar ein Baum haben sich hier im Laufe der Zeit angesiedelt. Wahrscheinlich steht das Haus schon hundert Jahre leer.
Nun hält ein großer Geländewagen vor der imaginären Grundstückseinfahrt. Aha, der Herr Hauseigentümer gibt sich die Ehre. Nach einer förmlichen Begrüßung kommt es dann zu einer leidenschaftlichen Debatte (ganz typisch) zwischen unserem Freund und dem Besitzer dieser Fragmente. Leider kann ich diesem Redeschwall nur schwer folgen. Mir schwirrt schon der Kopf und es kommen nur Wortfetzen in meinem Hörzentrum an.
Aber unbeteiligt zu sein gefällt mit nicht und so gehe ich einfach ein paar Schritte (was wirklich schwer fällt ob des hohen Bewuchses) in Richtung ‚Ausgang‘. Weggehen hilft immer. Und schon kommt der Verkäufer hinterher. „Signora, Signora, warten sie.“ Er macht eine ausladende Handbewegung. „Haben sie das Panorama gesehen? Ist das nicht wundervoll. So etwas finden sie heute kaum noch.“
„Ja, vielen Dank. Ich habe das Meer gesehen und die Autobahn. Trotzdem, wenn es hier jetzt auch noch ein Haus geben würde, wäre es wirklich schön.“
Mein Gegenüber kramt in seiner Aktenmappe und zieht ein paar Bilder heraus. „Sehen sie, so könnte es aussehen, wenn die Renovierung abgeschlossen ist.“ Wow. Ja nicht schlecht. Aber wohl eher etwas für die Kategorie George Clooney, als für zwei normal Sterbliche.
„Wie hoch ist denn ihr Preis für dieses Grundstück. Ein Haus ist ja quasi nicht mehr vorhanden.“ Es interessiert mich einfach.
„Fünfhunderttausend.“
Ich wiederhole: „Fünfhunderttausend?“ Mir wird ganz schwindelig. „Ich, äh, ja. Fünfhunderttausend?“ Mir fehlen die Worte (und das kommt eher selten vor).
„Sie müssen die Lage bedenken, Signora. Die Lage kostet so viel.“
Alle völlig durchgeknallt hier. Für ein verwildertes Grundstück und vier verrottete Mauern einen so hohen Preis zu verlangen. Ohne Worte.
Als mein Mann den Preis hört, kriegt er sich vor Lachen kaum noch ein. Wir machen uns noch im Auto lustig über den Ruinenbesitzer und haben ein schönes Gesprächsthema für das anstehende Abendessen.
„Aber“, sage ich zu unserem Freund gewandt, „in einem hattest du wirklich recht. Es war schön grün. Vor allem die Bepflanzung im Haus hat mir gefallen. Ich könnte mir gut vorstellen, mein Sofa genau unter den großen Baum in der Mitte des Hauses zu platzieren. Da spart man sich doch jegliche Topfkulturen.“


© castagnabella


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