„Liebe am Nachmittag“, geht mir immer wieder durch den Kopf. Irgendwie ärgerlich, dieser Gedanke.

In der Bahn fühle ich mich nicht so wie sonst. Als ob man es mir ansehen könnte... und trotzdem beobachtete ich die Blicke der Leute gegenüber versteckt. Ich bin ärgerlich mit mir selbst darüber.

Einer dieser Tage „zwischen den Jahren“. Gerade noch rechtzeitig hatte ich meinen Vorsatz umgesetzt. Ich wollte „es“ hinter mich bringen, mich nicht mehr angesprochen fühlen durch „unberührt“, „ahnungslos“... alle diese Ausdrücke kamen mir despektiv vor, sie sollten mich nicht mehr treffen, keinen Tag mehr im kommenden Jahr.

In der Bahn riecht es nach feuchten Mänteln. Rinnsale von schmelzendem Schneematsch änderten im Rhythmus von Anhalten und Losfahren ihre Spur. Ich hatte noch bei Mario geduscht, er war ja allein im Haus. Bloß nicht nachmittags zu Hause duschen, dann könnte ich gleich posaunen, dass ich keine Jungfrau mehr bin.

Während der paar Minuten Fußweg von der U-Bahnstation zu unserem Haus beschließe ich, mit Mario Schluss zu machen. Einfach so, warum nicht. Liebe am Nachmittag... verdammt! von Liebe keine Spur.

Alles muss ganz normal klingen, aussehen, als ich die Tür aufschließe und ein fröhliches Hallo durchs Haus schicke - so ist es üblich bei uns.

In der Küche brät mein Vater Reibekuchen, eingehüllt in den Geruch von heißem Fett und einer Spur von Rauch. Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange lasse mich auf einem Hocker nieder, scheinbar um zuzuschauen. Aber ich fühle mich einfach sicher bei ihm. Es weiß so viel von mir und fragt so selten. Er überlässt es meist mir, ob ich erzähle oder einfach nur da sitze.

Beim Essen finde ich, dass meine Mutter sich etwas mehr Selbstbeherrschung auferlegen könnte, aber ich sage nichts, zähle nur still mit, wie viele Reibekuchen sie mit sichtlichem Appetit verzehrt. Und wie viel meine Schwester frisst ist mir egal.

Mein Vater und ich machen die Küche gemeinsam „klar“. Ich fühle mich angenehm satt, lobe die fettigen knusprigen Dinger und wische das Bratfett von Fliesen und Schrankflächen.


Woran denkst du?“, fragt er mich, als ich nach getaner Arbeit gerade mal wieder auf dem Hocker kauere. Ich lächle nur. Kann ja schlecht sagen, dass ich gerade beschlossen habe, NICHT mit Mario Schluss zu machen.

„Einmal ist keinmal...“


© Leandra


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