„Was machst du hier Grace?“, sagte eine Stimme, die Grace unter hunderten wiedererkennen würde. Egal wie viele Jahre vergangen sind. „Ben. Ich wusste nicht dass ich dich hier treffe.“, antwortete Grace.
„Du weißt, dass ich hier arbeite.“ „Das ist lange her. Mir war nicht bewusst, dass du immer noch hier bist.“ Ben sah Grace eindringlich an. Er konnte nicht sagen, ob sie ihn anlog oder ehrlich war. Letztendlich spielte es keine Rolle.
„Was willst du?“, fragte Ben. Es konnte kein Zufall sein, dass sie ausgerechnet heute in dieser Bar auftaucht. „Nichts, ich....keine Ahnung.“, Grace hielt kurz inne, atmete durch, „Deine Kollegin versorgt mich hier gut mit Drinks. Du musst dich nicht kümmern.“ meinte Grace und widmete sich wieder ihrem Glas. Ben sah sie eindringlich an und wandte sich schließlich ab. „Hatte ich auch nicht vor.“ Er verschwand hinter der Bar. Grace sah nicht mehr von ihrem Glas auf. „Gut.“ sagte sie mehr zu sich selbst. Hinter der Bar holte Ben tief Luft. Sie zu sehen wühlte mehr Emotionen auf als er sich eingestehen wollte. Und trotzdem war er vor allem wütend. Auf sie. Auf seine Emotionen. Er wollte sich gerade wieder zu ihr umdrehen, doch sie hatte die Bar bereits verlassen. Mit der Wodkaflasche die hinter der Bar gestanden hat. Das hatte sie früher auch immer gemacht. Nur damals fand er sie dann auf der Tanzfläche. Er seufzte und ging ihr nach. Er hatte keine Ahnung wie betrunken sie bereits war. Am Parkplatz musste er sich erst einmal orientieren. Dann sah er sie vor einem grauen kleinen Auto stehen, der seine besten Zeiten definitiv schon hinter sich hatte. Sie suchte wohl nach ihren Autoschlüssel. Oder dem Schlüsselloch. Während sie leise fluchte, weil ihr der Schlüssel immer wieder aus der Hand fiel, kam Ben bei ihr an. „Was machst du da?“ herrschte Ben sie an, als er bei ihr ankoemmen war. Grace seufzte. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. „Wonach sieht's denn aus?“ blaffte sie ihn an. „Du kannst nicht mehr fahren“ sagte Ben in einem ruhigen Ton. „ Kann ich wohl“, meinte sie trotzig. Scheiß Schlüssel. Wieso haben die den so rutschig gemacht?
„Grace, du bist betrunken. Lass das Auto stehen.“ meinte Ben nun in einem versöhnlichem Ton. „Ich werde wohl kaum zu Fuß nach Hause gehen.“ herrschte sie ihn an und sah ihm nun eindringlich und wütend in die Augen. Er verstand und nahm ihr den Schlüssel ab. „Okay ich fahre dich. Gib mir ein paar Minuten“ Damit verschwand Ben mit ihren Autoschlüssel in der Hand in der Bar. Etwas verloren stand Grace nun vor ihrem verschlossenen Wagen. Was sollte sie jetzt tun? Sie überlegte hin oder her und kam dann zum Entschluss, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als hier auf Ben zu warten. Wie sehr ihr das auch zuwider war.
Drin angekommen gab er seiner Kollegin kurz Bescheid und ging wieder zu Grace. Sie stand immer noch vor ihrem Auto und hatte sich nicht bewegt.
„Du musst das nicht tun“, sagte Grace mit leisem Flüstern zu Ben. „Ich weiß. Steig ein.“, meinte Ben nun auch in einem ruhigeren Ton. Er wusste den Weg zu ihrer Wohnung nach wie vor auswendig. Während der Fahrt schwiegen sie. Aus dem Augenwinkel sah er wie Tränen an Grace Wange herunterliefen. Er wagte jedoch nicht sie darauf anzusprechen. Er wusste er würde sich auf gefährliches Terrain begeben, wenn er auf sie zuging. Doch es schien ihm auch nicht als würde sie etwas dergleichen erwarten. Bei ihrer Wohnung angekommen wagte sie es nicht ihm in die Augen zu sehen. Ohne Emotion in der Stimme sagte sie: „Danke. Du kannst das Auto haben und nach Hause fahren. Leg den Schlüssel auf den Reifen, ich hole es dann morgen ab.“ Ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten stieg Grace aus und verschwand in ihrem Wohngebäude. Ben überlegte was er tun sollte. Da es aber bereits zu regnen begann, entschloss er sich das Angebot von Grace anzunehmen und fuhr mit dem Auto davon. Zu seiner Wohnung war es nicht weit aber im Regen nach Hause zu Laufen wollte er dann doch nicht. Wie vereinbart legte er den Schlüssel auf den Reifen und ging in seine Wohnung. Es war ein langer Tag gewesen und Grace nach so vielen Jahren wieder zu sehen versetzte ihm einen Stich. Damit hatte er nicht gerechnet. In der Meinung er würde vor Grübeleien kein Auge zu tun legte er sich auf die Couch und zappte durch die Kanäle. Er merkte nicht einmal wie ihm die Augen zufielen. Am nächsten Tag wachte er erst spät auf. Grace Auto war bereits weg. Gestern hatte er noch darüber nachgedacht wie es wohl wäre heute mit ihr zu sprechen. Die Möglichkeit hatte er verschlafen. Kurz fragte er sich ob er alles nur geträumt hatte. Er straffte die Schultern und ging unter die Dusche. Er hatte die Mittagsschicht im Restaurant und musste sich fertig machen. Dort angekommen traute er seinen Augen nicht. Grace Wagen stand vor der Tür. War sie noch einmal hergekommen? Ob sie wieder getrunken hatte? Da erst merkte er, dass jemand im Auto saß und versuchte es zu starten. Der Motor spuckte und blärrte, aber er ließ sich nicht starten. Er erkannte Grace hinterm Steuer. Sie versuchte es erneut und fluchte. Irgendwann gab sie auf und schlug wie wild auf das Lenkrad ein. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Irgendwann hatte sie genug und ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Sie hatte keine Ahnung was sie jetzt tun sollte. Da klopfte es an ihrem Fenster. Es war Ben. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Sie holte tief Luft und ließ das Fenster einen Spalt nach unten. „Er springt einfach nicht mehr an. Wahrscheinlich die Batterie. Ich hab meine Tasche gestern hier vergessen. Ich wollte längst weg sein bevor du kommst. Tut mir leid.“ meinte Grace entschuldigend. „Du kannst ja nichts dafür. Lass mich mal probieren.“ Er deutete ihr an auf den Beifahrersitz zu wechseln. „Du musst das nicht tun Ben. Ich erwarte keine Hilfe von dir.“ Er sah sie mit undurchdringlichen Blick an und bedeutete ihr auf den Beifahrersitz zu wechseln. Sie gehorchte und Ben versuchte abermals den Motor zu starten. Außer einem leisen Surren kam kein Geräusch durch. „Ja definitiv die Batterie. Da hilft auch keine Starthilfe mehr. Die ist total im Eimer.“ „Na toll. Das hat mir gerade noch gefehlt.
Danke dir trotzdem fürs Versuchen. Ich ruf den Pannendienst, du musst nicht länger mit mir warten. Schon okay.“ Bedrückendes Schweigen legte sich über die beiden. Ben wollte etwas sagen aber er wusste nicht was. Er hatte so viele Fragen und doch kam ihm jede so unsinnig vor. 15 Jahre hatten sie sich nicht gesehen. Wie oft er darüber nachgedacht hatte, wie es wohl wäre sie wieder zu sehen und was er ihr alles sagen wollte und jetzt viel ihm nichts ein. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. „Warum warst du gestern Abend hier Grace? Meinetwegen?“ er wagte es nicht sie dabei anzusehen. Er wusste nicht, ob er seine Gefühle sonst weiterhin unter Kontrolle halten konnte. Grace ließ sich Zeit mit einer Antwort. Sie schien so weit weg mit ihren Gedanken, dass er sich nicht sicher war, ob sie ihn überhaupt gehört hat. Schließlich seufzte sie ergeben. „Ich komme jedes Jahr hier her. Einmal. Für einen Abend. Wenn Claire bei ihren Großeltern ist. Ich erkundige mich jedes Mal vorher ob du Dienst hast. Ich wollte gestern längst weg sein. Ich hab wohl die Zeit übersehen.“ Grace wagte nicht ihn anzusehen. Sie hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren würde. Und Ben auch nicht. Stumm saß er da und versuchte die Information zu verarbeiten. Jedes Jahr. Seit 15 Jahren und sie hatte immer dafür gesorgt, dass sie sich nicht sahen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ergriff Ben das Wort. „Ich glaub ich hab dich einmal gesehen. Ich hab gerade meine Schicht begonnen und wollte zur Bar. Du hast gerade bezahlt und bist zur Tür raus. Ich dachte ich habe es mir eingebildet. Warum solltest du auch hier her kommen?“ Wieder schwiegen sie sich an. Die Minuten zogen sich. Niemand sagte etwas. Fast unwirklich hörte es sich an, als Grace plötzlich wieder sprach. „Claire will wissen wer ihr Vater ist.“ Dann versagte ihr die Stimme. Ben sah Grace überrascht an. „Deswegen ist sie bei ihren Großeltern. Sie will nicht mehr mit mir reden bis ich ihr sage wer ihr Vater ist. Sie will ihn kennen lernen und fragen warum er sich nicht um sie gekümmert hat und ob er bereits eine neue Familie hat.“ Grace klang erschöpft. Sie musste völlig fertig sein. Ben war geschockt. Das war hart zu verdauen. „Was hast du ihr all die Jahre erzählt?“ fragte Ben. „Verschiedenes. Ich wollte sie nie anlügen und hoffte das Thema würde sich irgendwann erledigen. Aber sie ließ nicht locker. Irgendwann glaubte sie mir gar nichts mehr und meinte ich würde ihren Vater absichtlich von ihr fernhalten und dass er vielleicht seit Jahren versucht mit ihr in Kontakt zu treten.“ Grace hatte wieder angefangen zu weinen. Sie machte sich nicht mal mehr die Mühe die Tränen weg zu wischen. Sie musste deswegen schon oft geweint haben, dachte Ben. Vorsichtig ergriff er ihre Hand. Er wusste es war gefährlich für ihn auf sie zuzugehen. Sie hatte ihm damals das Herz gebrochen, auch wenn die Umstände etwas kompliziert waren. Trotzdem verspürte er immer noch etwas Wut auf die Vergangenheit. Grace war angesichts der tröstenden Berührung von Ben überrascht. Sie hatte nicht damit gerechnet, da er bisher ihr gegenüber sehr reserviert war. Ben grübelte ob er etwas sagen sollte da klingelte sein Handy. Er war bereits zu spät für seine Schicht. Er bat Grace mit rein zu kommen doch sie wollte lieber draußen beim Auto auf den Pannendienst warten. Ben wollte sich noch von ihr verabschieden da rief ihm seine Kollegin schon von weitem zu: „Ben, ich brauch dich hier dringend. Der Laden geht über! Beeil dich.“ damit verschwand sie auch schon wieder in der Bar. Er wandte sich kurz zu Grace. So vieles was er ihr sagen wollte doch nichts schien passend.
„Komm doch heute Abend vorbei. Es ist Oldies Night mit allen Hits von früher. Das lenkt dich ab, du hast ein bisschen Spaß verdient“. Er lächelte sie vorsichtig an. Grace schenkte ihm ein leichtes Lächeln und bedankte sich. „Ich werd's mir überlegen.“
Da bog auch schon der Pannendienst um die Ecke und hielt vor Grace Auto. Ben ging ins Restaurant und konnte nicht mehr über Grace und ihre Situation nachdenken. Im Restaurant war wirklich die Hölle los. Auch Grace konnte nicht mehr viel über Ben und das Gespräch ihm Auto nachdenken. Der Pannendienst hatte ihr eine Menge Geld für den Transport in die Werkstatt abgeknöpft und Gott weiß wie viel die Werkstatt noch für die Reparatur verlangen wird. Erschöpft kam sie nach Hause und schenkte sich erst einmal ein Glas Wein ein. Nun hatte sie doch Zeit über alles nachzudenken. Sie grübelte lange ob sie heute in die Bar gehen sollte. Was es wohl zu bedeuten hatte, dass er sie eingeladen hat? Sie schüttelte den Kopf. Es hatte gar nichts zu bedeuten. Er wollte sie einfach nur aufmuntern. Trotzdem beschloss sie irgendwann, sich fertig zu machen und hinzufahren. Sie musste ja nicht lange bleiben. Dank einer neuen Batterie sollte ihr Auto auch wieder einwandfrei funktionieren. Sie stand bereits am Parkplatz und wurde etwas nervös. Die Situation war so ungewohnt. Wie oft stand sie früher mit Freunden vor dieser Bar und trank noch den letzten Rest der Wegzehrung, bevor sie reingingen. An der Umgebung hatte sich in all den Jahren nichts geändert. Trotzdem waren 15 Jahre vergangen. Fast 16. Sie atmete durch und stieg aus dem Auto. Drin angelangt musste sie sich erst mal orientieren. Hier waren deutlich mehr Leute als gestern. Die Musik dröhnte ihr laut um die Ohren und eine Nebelmaschine erschwerte ihr die Sicht. Nachdem sich ihre Augen an alles gewöhnt hatten, erblickte sie Ben der emsig hinter der Bar umher wuselte. Als er sie erblickte, nickte er ihr nur kurz zu und konzentrierte sich schon wieder auf den nächsten Gast. Unschlüssig blieb Grace stehen. Was sollte sie jetzt tun? Früher konnte sie den Raum kaum betreten da traf sie schon auf die ersten bekannten Gesichter aber nun? Natürlich waren die Leute hier alle viel jünger. Die Tanzfläche war bereits voll. Am Rande sah sie ein paar Gruppierungen. Auch ein paar Frauen in ihrem Alter waren dabei aber sie kannte keine von ihnen. Grace fühlte sich um 100 Jahre älter. So hatte sie sich den Abend nicht vorgestellt. Plötzlich stand Ben neben ihr, in der Hand hatte er zwei Shots.
„Hier trink das. Dann fühlst du dich vielleicht etwas besser und nicht so völlig fehl am Platz.“ Er zwinkerte ihr zu. Sie bedankte sich mit einem Lächeln und nahm den Shot entgegen. Sie liebte dieses Gefühl von der brennenden Flüssigkeit in ihrem Hals der sich dann langsam in ein wohlig warmes Gefühl in ihrem Magen verwandelte. Shots wie diese hatten sie schon öfter in Schwierigkeiten gebracht. Beim Gedanken daran musste sie schmunzeln. „Woran denkst du?“ fragte Ben, der sie von der Seite beobachtete. „An die letzte Halloween Party hier.“ Grace sah Ben mit einem wissenden Blick an. Ben runzelte die Stirn, bis er sich auch erinnerte. Grace hatte irgendwann die glorreiche Idee Body Shots zu trinken. Sie erfand eine Wette und je nachdem wer sie verlor, musste sich auf die Bar legen und jemand anderer trank dann mehrere Shots von dessen Körper. Irgendwann landete mehr Alkohol auf der Bar als sonst irgendwo, weil sie alle zu betrunken zum einschenken waren und vor lauter Lachen alles ausschütteten. Irgendwann hatte der Besitzer genug und schmiss sie alle raus. Trotzdem hatten sie eine Menge Spaß an diesen Abend, obwohl sie sich danach alle mehrmals übergeben mussten. „Ohja die Aktion werde ich nie wieder vergessen.“ Nun musste auch Ben lachen, „danach durften wir uns 2 Wochen nicht mehr blicken lassen, bis Barry uns wieder rein ließ.“
„Wir waren trotzdem seine besten Kunden“, erwiderte Grace lachend.
„Die Aktion danach werde ich auch nicht mehr vergessen.“ Grace wusste erst nicht wovon er sprach. Da erinnerte sie sich. Danach hatte ihre Freundin Laurie noch die glorreiche Idee nackt baden zu gehen. Beim Gedanken daran lief Grace rot an. Wozu man sich im Rausch des Alkohols immer hin reissen ließ. Nun musste Ben schmunzeln. „Ach Grace. Du hast es faustdick hinter den Ohren und trotzdem bist du manchmal so verklemmt.“ Er stupste sie bei diesen Worten an die Schulter, „Ich muss mich jetzt wieder um die Gäste kümmern, wir sehen uns später.“ Damit wendete er sich ab und ließ Grace wieder allein. Grace ging an die Bar und bestellte einen Whisky „on the rox“ und einen weiteren Shot. Sie musste dringend etwas lockerer werden. Sie war schließlich hier um Spaß zu haben. Sie kippte den Shot in einem Zug und wollte sich gerade um ihren Whiskey kümmern, als plötzlich ein Mann hinter ihr sie ansprach: „Wenn dass nicht Grace Hantington ist, ich glaub mich tritt ein Pferd.“ Sie wandte sich langsam um, weil sie die Stimme zuerst nicht zuordnen konnte. Als sie ihn erkannte, erhellte sich ihr Gesicht: „Oh mein Gott Barry, dass es dich noch immer gibt. Du musst doch bestimmt schon 100 Jahre sein!“ Grace fiel ihm lachend um den Hals. Barry war der alte Besitzer der Bar, der sie damals nach der Body Shot Aktion rausgeworfen hatte und war höchstens 10 Jahre älter als sie, aber damals fühlte es sich an als wären Welten zwischen ihnen. „Na komm junge Dame. Ich finde wir sollten auf die alten Zeiten anstoßen.“
Lächelnd bejahte Grace und Barry setzte sich neben sie an die Bar. Er bestellte eine weitere Runde Shots für die beiden. Sie prosteten sich zu und tranken den Shot mit einem Zug leer.
Die Zeit schoss nur so dahin und Grace konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal so viel gelacht hatte. Barry und sie ließen die guten alten Zeiten noch einmal hochleben und sie fühlte sich wieder so jung wie damals. Grace vergaß all die Sorgen die sie plagten und fühlte sich rundum wohl. Genau das hatte sich Ben für sie heute gewünscht. Er beobachte die beiden von einem ruhigen Platz hinter der Bar. Grace lachte Tränen als Barry ihr etwas zuflüsterte. Die beiden wurden zunehmend betrunkener und irgendwann gingen sie gemeinsam zur Tanzfläche. Er hatte Grace immer schon gerne beim Tanzen beobachtet. Sie bewegte sich mit einer Anmut, die er kaum bei jemanden sah und er hatte fast jeden Abend die Chance, Frauen beim Tanzen zu sehen. Als könnte sie die ganze Welt um sich ausblenden. Es gab nur noch sie und die Musik. Barry tanzte irgendwann mit einer anderen Frau aus der Gruppierung der Mitte 30er Frauen die vorhin reingekommen waren. Grace schien es nicht zu stören. Sie ließ sich weiterhin von der Musik treiben. Ben konnte nicht umhin als sich wie damals unwiderstehlich zu ihr hingezogen zu fühlen. Er schüttelte den Kopf um sich zur Besinnung zu bringen. Damals war damals. Er wandte sich ab und bediente einen jungen Mann der schwer lallend noch zwei Gin Tonic bestellte. Hinter ihm stand ein junges Mädchen, auch schon sichtlich betrunken. Er wusste wohin dieser Abend für die beiden führen würde. Sooft hatte diese Spielchen von seinem sicheren Platz hinter der Bar beobachten können. „Okay genug für heute.“, Grace klatschte ihre Handtasche auf den Tresen, „Oh Mann, ich hab schon Ewigkeiten nicht mehr so viel getanzt. Ich bin völlig fertig!“ „
Wie kommst du nach Hause?“ fragte Ben. „Wohl mit dem Taxi. Das Auto bleibt heute hier. Aber dann sehe ich dich zumindest morgen wieder wenn ich es abhole.“ Grace zwinkerte Ben zu. Ja, sie war definitiv schon betrunken. Ansonsten würde sie so einen Gedanken nie laut aussprechen. „Ich hab morgen meinen freien Tag“, erwiderte Ben überrascht. Flirtete sie etwa mit ihm?
„Ach herje, das ist aber schade.“ Sie stützte ihr Kinn in die Hände und blies ihr Haar in die Luft. Dabei sah sie wieder aus wie 16. Ben musste schmunzeln. „Ich kann dich fahren. Ich hab zwar ein paar Shots intus, aber das ist ein Weilchen her.“ „Ben mein Retter auf Ewig!“, rief sie theatralisch, reckte dabei die Hände in die Luft und lachte. „ Meine Schicht ist bald zu Ende. Ich gib Teresa nur kurz Bescheid, dass ich weg bin und dann können wir fahren“, damit drehte Ben sich um und suchte seine Kollegin. Grace erwischte sich bei dem Gedanken, ob Ben wohl etwas mit dieser Teresa hatte. Hübsch war sie auf jeden Fall und auch absolut Bens Typ. Sie hatte Teresa zwar nur ein, zwei mal gesehen, aber die Art und Weise wie sie Ben ansah, wusste Grace sofort, dass sie etwas von ihm wollte. Ob nur ein Techtelmechtel oder mehr vermochte sie nicht zu sagen, aber auf jeden Fall war da etwas.
Während der Autofahrt plapperte Grace ohne Punkt und Komma wie viel Spaß sie heute gehabt hatte. Ohne es wirklich zu begreifen legte sie ihre Hand auf Bens, die am Schalthebel ruhte. So wie sie es damals immer tat, schoss es ihr durch den Kopf. Sie schüttelte leicht den Kopf und schalt sich eine Dummkopf. Das war doch Unsinn. Doch dann begann Ben langsam mit seinem Daumen übe ihre Handfläche zu kreisen. Auch dass hatte er früher immer getan. So als wäre keine Zeit vergangen. In Grace' Magen fing es an zu kribbeln. Bei Grace Wohnung angekommen legte sich ein kurzes Schweigen über die beiden. Ben grübelte was er sagen sollte. War das ein Abschied? Oder wollte sie ihn wieder sehen? Wollte er das? Ohne wirklich Zeit sich etwas zurecht legen zu können, küsste Grace ihn sanft auf die Lippen, bedankte sich und stieg aus dem Auto. Ohne sich noch einmal umzudrehen verschwand sie in der Wohnung. Ben sah ihr ungläubig hinter her. Das war's? So einfach hatte sie sich nun aus dem Staub gemacht? Ohne wirklich Auf Wiedersehen zu sagen oder ob sie sich wieder sehen würden. Ben wusste nicht was er davon halten sollte. Er starrte ihre Wohnungstür an, als müsste noch etwas passieren. Da erkannte er, dass Grace die Tür einen Spalt offen gehalten ließ. Nicht viel, aber gerade so, dass er es sehen konnte. Seine Hände begannen zu zittern. Das war definitiv eine Einladung. Doch sie überließ ihm die Entscheidung. Eine gefühlte Ewigkeit saß er so da. Grace konnte ihn nicht sehen. Vom anderen Ende des Flurs starrte sie ihre Wohnungstür an. Würde er kommen? Noch hatte sie keinen aufbrummenden Motor oder das Wegfahren eines Autos gehört. Überlegte er noch? Würde er zu ihr kommen? Hatte er die offene Tür überhaupt gesehen und erkannte er den Sinn dahinter? In ihrem leichten Rausch des heutigen Abends, das Hochleben der Vergangenheit und natürlich dem Alkohol den sie getrunken hatte, ließ sie sich dazu hinreißen ihre Tür für ihn offen zu halten. Sie wusste selbst nicht was sie sich erwartete. Oder erhoffte. Aber jetzt stand sie mit zitternden Händen im Flur und wartete, ob sich die Tür bewegte oder nicht. Ben überlegte noch eine Sekunde und stieg dann aus dem Auto aus. Langsam ging er auf die Wohnungstür zu. Er konnte sich auch getäuscht haben und Grace hatte wirklich vergessen die Tür richtig zu schließen. Sie hatte schon einiges getrunken, aber trotzdem wirkte sie noch sehr vernünftig auf ihn. Sie hatte damals schon ordentlich vertragen, vielleicht hatte sich das über die Jahre verändert. Bei der Tür angekommen, öffnete er sie ganz vorsichtig einen Spalt. Es war schwer für ihn etwas zu erkennen, weil es so dunkel war, doch nach ein paar Sekunden gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und er erkannte sie am anderen Ende des Flurs. Mit undurchdringlichem Blick musterte sie ihn. Sie hatte auf ihn gewartet. Also war es doch Absicht gewesen. Die Luft zwischen ihnen schien still zu stehen. Keiner sagte ein Wort oder bewegte sich. Beide schienen abzuwarten, wer den nächsten Schritt tat. Schließlich gab Ben sich einen Ruck, schloss die Tür hinter sich und war in zwei Schritten bei Grace. Es ging alles so schnell, dass sie nur kaum nach Luft holen konnte. Er nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie. Stürmisch. Wild. Fast verzweifelt. Grace klammerte sich an seine breiten Schultern, da ihre Beine nachzugeben drohten. Sehnsüchtig erwiderte sie seinen Kuss.
Erst jetzt wurde ihr bewusst wie sehr sie sich das gewünscht hatte. All die Anspannung fiel an ihr ab. Sie krallte ihre Hände in sein Haar und stöhnte auf. Ben nahm sie hoch und drückte sie mit dem Rücken gegen die Wand, ohne den Kuss zu unterbrechen. Obwohl er ihre Wohnung nicht genaue kannte, steuerte er gezielt auf das Schlafzimmer zu. Wie zwei Verhungernde ertasteten sie sich gegenseitig. Es war für beide vertraut und doch so neu. Viele Jahre waren vergangen und trotzdem fühlte es sich an, als wäre keine Zeit verstrichen. Sie entledigten sich ihrer Kleidung und landeten auf dem Bett. Ben küsste sie auf dem Hals und wanderte langsam von oben herab über ihren Hals, ihre Schulter, ihre Brüste und schließlich auf ihren Bauchnabel. Er konnte nicht mehr aufhören. Grace ließ ihn gewähren und genoss jeden einzelnen Kuss, der heiß auf ihrer Haut brannte. Bereits jetzt begann alles in ihr zu pulsieren. Seine Hände wanderten langsam ihren Körper hinab. Gezielt umspielte er ihre Brustwarzen und schmeckte sie mit seinem Mund. Grace stöhnte. Ihr ganzer Körper brannte nun und sie konnte nicht mehr länger warten. Sie wusste nicht woher er das Kondom holte, aber Ben zog es sich über und war bereits in der nächsten Sekunde wieder bei ihr. Schnell und heftig drang er in sie ein. Grace schnappte überrascht nach Luft. Es fühlte sich so richtig an. Sie hätte weinen können. Doch zu viele andere Emotionen stiegen gleichzeitig in ihr hoch bis Ben seine Bewegungen nach kurzer Pause fortführte. Er ließ ihr Zeit sich an ihn zu gewöhnen. Zuerst langsam und dann immer schneller glitt er in sie. Er konnte sich kaum beherrschen. Das war Grace. Seine Grace. All die Jahre die vergangen sind waren nun unwichtig. Es gab nur mehr sie beide und diesen Moment. Sie liebten sich, ließen alle Emotionen dieser Nacht und der Vergangenheit in ihrem wilden Treiben gehen. Als sie beide erschöpft nebeneinander zusammenbrachen, lagen sie schwer atmend und schwiegen da. Keine Worte wären jetzt die passenden. Grace drehte sich auf Bens Seite und betrachtete ihn unverstohlen. Sie fuhr langsam mit den Fingern über seine Brust und ertastete die Konturen seiner Muskeln. Bens Nerven waren gespannt. Er ließ Grace keine Sekunde aus den Augen. Sie betrachtete ihn genüsslich, als wäre er ein Stück Torte, dass sie gleich vernaschen würde. Sie hatte wohl noch nicht genug. Als ihrer beider Atem zur Ruhe kam und Ben fast dabei war weg zu nicken, merkte er, dass ihre Hand ihn langsam umfasste. Zuerst dachte er, er wäre zu erschöpft, als sich bereits wieder etwas in ihm zu regen begann. Nun wanderte Grace langsam an ihm herab. Bei seinen Lenden angekommen, hielt sie inne. Fast diabolisch leckte sie ihre Lippe und begann ihn langsam mit ihren Lippen zu umspielen. Sehr vorsichtig, als wollte sie ihn necken. Langsam, fast zögerlich ertastete sie ihn. Ben holte tief Luft. „Grace.“, Bens Stimme erstickte. „Shh.“ bedeutete sie ihm. Sie begann ihn nun mit ihren Händen zu umschließen und langsam auf und ab zu bewegen. Ben konnte sich nicht wehren. Zu sehr genoss er das Gefühl von Grace Händen und Lippen an seinem Glied. Er begann nun seinerseits Grace Körper zu erkunden, jedoch fiel es ihm schwer die Konzentration aufrecht zu erhalten. Er stöhnte auf. Ohne es zu merken hatte sich Grace aufgesetzt und kniete nun über ihm. Ein Schalk blitzte durch ihre Augen als sie ihn ansah und sich danach runter beugte. Ben blieb die Luft weg. Mit langsamen aber behutsamen und gekonnten Bewegungen nahm sie ihn nun vollständig in ihrem Mund in Empfang. Sein ganzer Körper verkrampfte sich. Lange würde er das nicht durchhalten. Er wippte langsam mit ihren Bewegungen auf und ab und griff dabei in ihr Haar. Gott fühlte sich das gut an. Grace wählte genau das richtige Tempo und merkte wie Bens Glied immer steifer wurde. Ihr gefiel wie sehr er die Kontrolle verlor. Kurz bevor er kam, er merkte es kaum, setzte sich Grace auf seinen Schoß und ließ ihn langsam in sie eindringen. Sie wartete einen Moment bevor sie den Rhythmus langsam beschleunigte. Er fühlte, wie er zum Bersten voll war und doch wollte er sich zurück halten. Er spürte wie es um ihn immer enger wurde und Grace immer deutlicher ihrem Höhepunkt näher kam. Er ergriff ihre Hüften und gemeinsam kamen sie dem Höhepunkt immer näher. Schließlich schrie sie auf und rief seinen Namen bevor sie erschöpft über ihm zusammenbrach. Auch er kam im selben Moment so heftig wie noch nie. Sie klammerten sich an einander und blieben eine Weile in dieser Haltung sitzen, um wieder zu Atem zu kommen. Schließlich küsste Ben sie und ließ sie neben sich herab. Zuerst wollte er sie zur Seite drehen damit er aufstehen konnte. Doch wie selbstverständlich legte sie ihre Arme um seinen Oberkörper und war bereits eingeschlafen, bevor er etwas sagen oder tun konnte. Er wollte warten bis sie tief und fest schlief und dann nach Hause gehen. Er wusste nicht, was sie davon hielt wenn er bleiben würde. Doch bevor er aufstehen konnte, waren auch seine Augen schwer geworden und er schlief neben ihr ein.
Grace wachte am nächsten Morgen auf. Ihr war warm. Normalerweise war ihr immer kalt. Doch diesmal wurde sie gewärmt. Von einer Umarmung. Von Ben. Noch schlaftrunken begann sie sich genüsslich zu rekeln. Da merkte sie, dass Bens Hand zwischen ihren Beinen war. Fest umklammerte er ihren Schritt. Er schien trotzdem zu schlafen. Sie spürte auch sein steifes Glied an ihrem Oberschenkel. Sofort wurde Grace heiß. Sie begann sich langsam zu bewegen. Sofort wurde sie feucht. Auch Ben schien langsam zu erwachen. Als er begriff wo seine Hand sich befand konnte er nicht widerstehen und ertastete mit seinen Fingern ihre empfindlichste Stelle. Gott, sie war mehr als bereit für ihn. Er tastete sich immer weiter vor und umspielte ihre Mitte. Ihr Atem stockte.
Sie stöhnte und drückte dabei ihren Körper gegen seinen. Dadurch konnte er noch tiefer mit seinen Fingern in sie eindringen. Er drehte sich zu ihr und biss ihr sinnlich in den Hals. Die Gefühle schienen sie fast zu übermannen. Immer stärker begann es in ihr zu pulsieren. Er umspielte langsam ihre Mitte mit seinen Händen und trieb sie weiter zu einem Höhepunkt. Sie beugte sich ihm weiter entgegen und stöhnte leise. Der Druck in ihr baute sich weiter auf. Schließlich überkam sie eine heftige Welle und als ihr Körper fast erschlaffte, drehte Ben sie und drang heftig von hinten in sie ein. Sie dachte zuerst, sie kann nicht mehr als sich ihr Inneres plötzlich und noch heftiger als zuvor in ihr zusammenzog und schließlich zerbarst. Sie spürte Bens Samen in ihrer Mitte einschießen, schaffte es jedoch nicht über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Sie hatten kein Kondom verwendet. Sie spürte die wohlige Wärme seines Samens in ihr und konnte an nichts anderes denken, als wie sehr sie dieses Gefühl genoss. Ben sank erschöpft neben sie. Schwer atmend lagen sie nebeneinander. „Wow das war.“, begann Ben, doch ihm versagte der Atem. „Absoluter Wahnsinn.“ erwiderte Grace. Sie lagen noch ein paar Minuten schweigend nebeneinander, bevor sie beide erschöpft einschliefen.
Ben erwachte vom Klappergeräusch aus der Küche und dem frischen Duft nach Kaffee. Er brauchte ein paar Minuten um sich die letzte Nacht in Erinnerung zu rufen. Ein wohliger Schauer durchlief ihn dabei. Er schwang sich die Decke um die Hüfte und stieg aus dem Bett. Grace summte in der Küche vor sich hin. Sie bereitete Frühstück für die beiden vor. Dabei trug sie sein Hemd vom Vorabend und sonst nichts, wie Ben schwer schluckend erkannte. Er bemerkte wie ihn dieser Anblick erregte. Trotz der vielen Malen die sie sich gestern Nacht geliebt hatten, war er schon wieder bereit für sie. Diese Frau machte ihn verrückt. Hatte es schon immer getan. Grace hatte ihn noch nicht bemerkt als er langsam von hinten an sie rantrat und seine Arme um ihre Taille schwang. „Das duftet herrlich.“ meinte er und ließ den Kopf an ihre Schulter sinken. Sie ließ ebenfalls ihren Kopf gegen seine Schulter fallen und genoss die Umarmung. Langsam fing er an seine Hüften an ihren Hintern zu kreisen. „Ben“, sagte Grace mit schwacher Stimme, „das Essen“. Weiter kam sie nicht. Schon packte Ben sie und hob sie mit einer Bewegung auf den Küchentisch. Bevor sie sich wirklich darauf vorbereiten konnte, schob er das Hemd das sie trug nach oben und drang in sie ein. Mit seine Händen umgriff er ihre Brüste, saugte an ihren Nippeln und liebkoste ihre Mitte. Sie schrie auf und fuhr mit ihren Händen durch sein Haar. Mit jedem Stoß wurde sein Drängen härter, animalischer. Grace ließ sich ihm völlig hin und öffnete ihre Beine für ihn so weit sie konnte. Als er schließlich mit zwei heftigen Stößen in ihr kam, schnappte sie erleichtert nach Luft. Sie war völlig erschöpft und von ihren Emotionen überwältigt. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so befriedigt und zufrieden gefühlt wie in diesem Moment. Sie küsste Ben zärtlich und versuchte alle Emotionen, die sie empfand in diesen Kuss zu legen, um ihm zu zeigen wie viel ihr das alles bedeutete.
Als schien er es zu spüren, wich er fast unmerklich zurück. Aber für Grace war es als würde er einen riesigen Riegel vorschieben. Er lehnte seine Stirn gegen ihre. „Wir sollten etwas frühstücken. Geh duschen und ich mach alles fertig.“ Ben wandte sich so abrupt von Grace ab, dass sie einen kalten Luftzug spürte. Grace war der Hunger vergangen. Sie kannte Ben. Sie wusste was das zu bedeuten hat. Um sich zu schützen fuhr er die Wand hoch und schloss einen unsichtbaren Riegel zwischen die beiden. Sie hatte ihn damals sehr verletzt und doch war es nur als Schutz für sie selbst. Sie hatte Angst. Angst vor der Heftigkeit seiner Gefühle für sie und sie wusste nicht wie sie damit umgehen sollte. Sie war noch so jung und trotzdem dazu gezwungen erwachsen zu werden. Damals wurde ihr alles zu viel, also verließ sie ihn. Er hatte es ihr nie verziehen. Bis heute nicht und auch nicht nach letzter Nacht. Seufzend hüpfte sie von der Theke, wo sie sich gerade noch geliebt hatten und ging ins Bad. Dort nahm sie eine lange und heiße Dusche. Das hatte sie sich anders vorgestellt. Wie genau wusste sie selbst nicht aber jedenfalls nicht so. Als sie wieder in die Küche kam, war Ben bereits vollständig gekleidet. Hektisch klapperte er mit dem Geschirr als würde er für zwanzig Personen kochen und nicht nur für zwei.
“Meine Kollegin hat gerade angerufen. Eine Reservierung von 40 Leuten ist untergegangen. Sie braucht mich. Ich muss sofort los.” Er sah Grace dabei kaum an. Grace erwiderte nichts.
„Du kannst jederzeit gehen Ben. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig.“ Ihre Stimme klang tonlos. Sie sah ihm dabei nicht in die Augen. „Damals hab ich dir das Herz gebrochen, obwohl ich meine Gründe hatte, die du auch kennst. Jetzt bist du es der geht und mich zurück lässt. Dann sind wir wohl quitt.“
Sie ließ den Teller samt Essen in den Mülleimer wandern und verließ den Raum. Sie wollte seinen Blick nicht sehen. Zu schmerzlich wurde ihr bewusst, dass diese letzte Nacht kein Neubeginn, sondern mehr ein Abschluss war. Sie legte sich in das Bett, wo sie sich nur Stunden zuvor geliebt. Sie hörte noch das Klicken ihrer Wohnungstür bevor sie heftig zu weinen begann.

Grace ließ ihren Wagen langsam in die Auffahrt ihrer Eltern rollen. Zwei Wochen hatte sie kein Wort mit ihrer Tochter gesprochen. Sie wollte ihr genügend Raum geben. Ihre Mutter hatte sie natürlich ständig über alles Mögliche auf dem Laufenden gehalten. Als sie in die kleine Stube eintrat und ihre Eltern wie immer am Wohnzimmertisch sitzen sah, kamen ihr fast wieder die Tränen. Nein, diesmal würde sie stark bleiben. Ihre Mutter wollte gerade aufspringen und sie fest an sich drücken als sie ihren Gesichtsausdruck sah und inne hielt. „Was ist los Schätzchen? Ist was passiert?“
Grace schwieg einen Moment. „Es ist soweit.“ Das war alles was sie sagte, damit ihre Eltern verstanden. „Bist du sicher?“ meinte ihr Vater nun. „Ja.“ „Sie ist in deinem alten Zimmer.“ Grace blickte zu ihrem Vater, der ihr ermutigend zunickte. Er würde sich um ihre Mutter kümmern, während sie mit ihrer Tochter sprach. Diese war bereits in Tränen ausgebrochen als Grace die Treppen zu ihrem alten Zimmer hochging. Vorsichtig klopfte sie an der Tür. Als keine Antwort kam, öffnete Grace sie einen Spalt und sah ihre Tochter am Bett ausgestreckt mit Kopfhörern Musik hören. Dabei wippten ihre Füße im Takt. Genauso hatte sie es auch immer getan. Als Claire sie entdeckte schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen, bis ihr wieder einfiel, dass sie doch eigentlich sauer auf ihre Mutter war.
„Was willst du hier?“ meinte sie trocken. „Mit dir reden.“ erwiderte Grace. „Worüber?“ Claire sah sie spitz an. Zu oft hatte ihre Mutter dergleichen gesagt und ihr wieder und wieder Lügen aufgetischt. „Komm, wir gehen ein Stück.“ Damit wandte Grace sich ab und befolgte Claire ihr zu folgen. So wortkarg kannte Claire ihre Mutter nicht. Irgendetwas war anders. Sie stiegen ins Auto und fuhren los. Noch immer sagte keiner ein Wort. Bei einem kleinen Waldstück hielt Grace an und ging voraus. Sie kannte den Weg noch auswendig. Schließlich hielt sie an einer kleinen Lichtung. „Hier war ich oft mit meinen Freunden. Wir haben getrunken und heimlich geraucht. Vielleicht finden wir sogar noch ein altes Päckchen.“ Claire sah ihre Mutter verwundert an. Heimlich getrunken und geraucht, ihre Mutter? Tatsächlich fand sie unter einem Stein eine alte Schachtel Marlboro. Eine durchnässte Zigarette war sogar noch drin. Grace musste lächeln. Sie setzte sich und bedeutete Claire neben ihr Platz zu nehmen. Grace ließ sich einen Moment Zeit bevor sie zu erzählen begann. „Ich war ungefähr in deinem Alter als ich mit dir schwanger wurde. Damals führte ich ein anderes Leben als du vielleicht von mir denkst. Ich war ein ziemlicher Rabauke. Habe getrunken, geraucht, bin bis spät nachts weg geblieben und habe mich mit meinen Freunden, weiß Gott wo rum getrieben. Deine Großeltern waren oft krank vor Sorge um mich. Mehr als einmal bin ich nach Hause gekommen und hab erst mal in den Flur gekotzt. Am nächsten Tag wusste ich meist nicht mal mehr davon und zog wieder los. Meine Freunde und die vielen Partys waren das einzig Wichtige für mich. Hauptsache wir hatten unseren Spaß. Und den hatten wir, glaub mir. Dass wir jung und dumm waren störte uns nicht im Geringsten.“ Während Grace erzählte starrte sie stur gerade aus. Sie konnte ihrer Tochter dabei nicht in die Augen sehen. Claire folgte der Geschichte ihrer Mutter schweigend. Sie konnte noch nicht ausnehmen worauf ihre Mutter hinaus wollte.
Natürlich gab es auch mal ein paar Liebschaften. Flüchtige Bekannte wenn du so willst, aber nie etwas Ernstes. Bis ich irgendwann Ben traf.“, Grace seufzte.“Ein Blick in diese strahlend blauen Augen und ich war sofort verloren. Mehrmals ließ er mich abblitzen,weil er wusste, ich war gefährlich. Ich ließ nie jemanden an mich ran. War dafür bekannt mit jemanden etwas zu beginnen und ihn dann doch fallen zu lassen. Ich wollte mich eben nicht festlegen. Ich war jung und ungebunden und das habe ich in vollen Zügen ausgenutzt. Doch er war anders. Geheimnisvoll, undurchdringlich. Er hatte mich durchschaut. Irgendwann wusste ich, ich wollte ihn. Er war meine erste große Liebe. Danach gab es keinen anderen mehr für mich. Ich wusste, er war alles was ich brauchte.“ Grace hielt inne. Claires Gedanken rasten. War dieser Ben ihr Vater? Oder eine der unbekannten Liebschaften davor? Kam es zu einem Streit zwischen den beiden? Ihre Mutter hatte noch nie jemanden namens Ben ihr gegenüber erwähnt. Das Schweigen dauerte immer länger an bis Claire es nicht mehr aushielt. „Ist dieser Ben mein Vater? Wo ist er jetzt? Kann ich ihn sehen?“ Langsam schüttelte Grace den Kopf. Ihre Stimme versagte fast bei den nächsten Worten. „Ich weiß nicht wer dein Vater ist. Ich weiß es nicht.“ Claire war entsetzt. „Was soll das heißen du weißt es nicht? Du warst mit Ben zusammen und hast mit jemand anderem geschlafen, den du nicht kennst obwohl er deine große Liebe war? Willst du mich verarschen?“ Claire wurde wütend. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Bevor sie sich noch weiter in Rage reden konnte ergriff Grace wieder das Wort. „Nein, so war es nicht. Bitte hör mir noch einen Moment zu Claire. Das was ich dir jetzt sage fällt mir nicht leicht und ich wollte ich müsste es dir niemals sagen, aber es geht nicht anders.“ Grace sah ihre Tochter eindringlich an. Claire erfasste ein ungutes Gefühl. Das klang nicht gut. Grace holte tief Luft. „Wir waren wieder einmal unterwegs, in unserer Stammbar. Laurie, meine damals beste Freundin und ich hatten davor etwas mit leichten Aufputschern experimentiert. Ich war völlig überdreht und high. Ben gefiel das gar nicht. Er wollte mich nach Hause bringen, aber ich protestierte. Wir stritten uns heftig und irgendwann zog er beleidigt ab. Ich, nicht minder sauer, wollte irgendwann nach Hause und ihn etwas schmoren lassen und machte mich auf den Weg. Allein.“ Grace holte tief Luft. „Ich merkte die Schritte hinter mir erst, als es bereits zu spät war. Etwas Dumpfes traf mich am Kopf und ich fiel hin. Bevor ich wirklich begreifen konnte was passiert, drückten mich zwei Arme in den Boden. Ich wollte schreien, aber der Mann über mir drückte mir mit seinem Knie die Luft zu. Es ging alles so schnell. Er riss mir die Hose vom Leib und vergewaltigte mich. Noch heute sehe ich nachts im Schlaf seine gierigen Augen und spüre seinen Schweißatem in meinem Gesicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Nicht schreien. Keiner kam mir zur Hilfe.
Danach ließ er mich im Dreck liegen. Keine Ahnung wie lange ich dort lag. Minuten, Stunden. Nach einer Ewigkeit kamen Lichter auf mich zu. Es waren meine Eltern, die mich suchen kamen. Mein Vater trug mich den ganzen Weg nach Hause und flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr. Meine Mutter hörte ich neben mir weinen. Es schien als hätte ich meinen Körper in diesem Moment verlassen. Ich empfand nichts. Spürte nichts. Mein Vater legte mich in deren Bett und meine Mutter hielt mich die ganze Nacht im Arm. Sie hörte nie auf zu weinen. Am nächsten Tag herrschte beklemmende Stille im Haus. Ich konnte nicht darüber sprechen was passiert war. Irgendwann kam die Polizei und wollte alles mögliche von mir wissen. Ob ich den Täter kannte. Ob ich mit ihm gesprochen habe. Ob ich ihm nicht vielleicht doch Avancen gemacht hatte. Irgendwann schmiss mein Vater sie raus. In den Tagen darauf versuchten alle möglichen Leute mich zu erreichen. Aber ich wollte mit niemanden reden. Konnte es nicht. Irgendwann stand Ben vor meiner Tür. Er war der Einzige den ich um mich haben wollte. Wenn er bei mir war würde alles gut werden. Aber als ich in seine Augen sah erkannte ich den ganzen Schmerz den ich auch selbst fühlte. Angst, Mitleid, Wut, Hass. Doch da war noch etwas in seinen Augen. Als ich begriff was es war, zerbrach etwa noch etwas. Vorwurf. Ein Teil in ihm gab mir selbst die Schuld daran, was passiert war. Weil ich betrunken war und unvorsichtig und Drogen genommen hatte. Natürlich hab ich mir all das selbst auch vorgeworfen, aber es durch seine Augen zu sehen, zerstörte etwas in mir. Ich vertraute ihm nicht mehr. All die Wut die ich empfand, richtete sich gegen ihn. Weil er nicht für mich da war in jener Nacht. Weil er mich im Stich gelassen hat und mir nicht nachgelaufen ist. Ich war damals noch sehr jung und meine Gedanken irrational. Ich konnte nicht damit umgehen und er auch nicht. Ich wendete mich von all meinen Freunden ab. Sprach mit keinem mehr. Ich dachte irgendwann würde sich das Schamgefühl legen und ich konnte diese ganze Sache vergessen. Meine Eltern wollten mich zu Therapiestunden überreden, aber ich weigerte mich. Ich wollte es alleine schaffen. Ich brauche niemanden, dachte ich. Bis zu dem Zeitpunkt als mir klar wurde, dass ich schwanger war. Ben und ich waren immer sehr vorsichtig, also war sofort klar von wem das Kind stammte.“ Grace drückte Claires Hand und sah ihr erstmals in die Augen. „Du weißt, dass ich dich über alles liebe und du das Beste bist das mir je passiert ist in meinem Leben.“ Erstmals suchte Grace den Blick ihrer Tochter. Claire sagte nichts aber erwiderte den Händedruck ihrer Mutter. „Ich hab mich so geschämt.“ Ihre Mutter brach in Tränen aus. „Weil ich dich so gehasst habe. Weil ich dachte du zerstörst mein Leben. Wie sollte ich diese Nacht jemals vergessen können wenn da jemand ist der mich täglich daran erinnert?“ Ihre Hände begannen zu zittern. „Mit allen möglichen Mitteln habe ich versucht dich loszuwerden. Abführende Kräutertinkturen getrunken, mir in den Bauch geboxt. Alkohol getrunken. Nichts hat geholfen. Einmal hab ich sogar überlegt mich die Treppe runter zu werfen. Ich wusste ich konnte meine Eltern nicht um eine Abtreibung bitten. Sie hätten es nicht geduldet. Auch nicht unter diesen Umständen. Irgendwann war es dann zu spät. Mein Bauch wuchs und wuchs. Meine Eltern nahmen mich von der Schule. Niemand wusste Bescheid. Eines Tages stand Ben vor meiner Tür. Er wusste was los war. Keine Ahnung wer es ihm damals gesagt hat. Er wollte mit mir zusammen sein und mit mir gemeinsam das Baby groß ziehen. Ich schickte ihn fort. Ich ließ nicht zu, dass er das durchmachen musste. Ich konnte nicht glauben, dass er mich so sehr liebte. Wie kann man so jemand auch lieben? Wie sollte ich überhaupt jemals wieder lieben nach allem was passiert war? Ich zog alle Register und Schutzmauern auf, die ich hatte und brach ihm damit das Herz. Ich warf ihm alles an den Kopf was ich an Emotionen bereit hielt. Es war grausam und falsch von mir. Ich machte ihn dafür verantwortlich was mir damals passierte. Weil er nicht da war. Weil er mich allein ließ. Den enttäuschten Ausdruck in seinen Augen werde ich niemals vergessen. Seit diesem Tag sind fast sechzehn Jahre vergangen, bis ich ihn wieder gesehen habe.
Als die Wehen einsetzten waren meine Eltern gerade ein paar Tage auf Urlaub. Du warst zu Früh dran. Ich sagte ihnen nicht Bescheid und fuhr alleine ins Krankenhaus. Ich wollte dich nicht behalten. Gleich nach der Geburt sagte ich der Schwester, dass ich dich zur Adoption frei geben möchte. Meine Eltern hätten das nie zugelassen, wären sie da gewesen. Die Schwester zeigte keinerlei Reaktion und legte dich in ein Bettchen, anstatt dich zu mir zu bringen. Damit es mir leichter fällt. Ich fühlte einen riesigen Brocken von mir abfallen. Es war die richtige Entscheidung. Jemand würde sich deiner annehmen und dich lieben und du müsstest nie erfahren unter welchen Umständen du entstanden bist. Doch meine Neugier war zu groß. Ich musste dich zumindest einmal sehen und wissen ob ich dich immer noch so hassen würde wie in meinem Bauch. Fast glaubte ich mir würden Teufelsaugen entgegenblicken, wenn ich dich sehe. Ich war damals sehr jung. Ich war der festen Überzeugung, seine Augen zu sehen und dass ich dich nie würde lieben können. Doch ich blickte in die schönsten, offensten und unschuldigsten Augen die ich jemals gesehen habe. Ab diesem Moment war mir klar, dass ich nichts als Liebe für dich empfand und alles in meiner Macht stehende tun würde, damit du ein gutes Leben hast. Vorsichtig nahm ich dich in meine Arme. Die Schwestern ließen mir den Moment. Deine kleinen Ärmchen griffen nach mir und all die schlechten Emotionen waren auf einen Schlag weg. Da war keine Scham mehr, kein Hass, kein Selbstmitleid. Nur noch pure Liebe und Glück dich so gesund in meinen Armen halten zu dürfen. Der Weg danach war nicht leicht. Ich war völlig überfordert mit dir. War ja selbst noch ein Kind. Meine Eltern halfen mir so gut es ging. Nie wieder hab ich an diese Nacht gedacht und daran was passiert ist. Ich war nur froh, dass ich mich entschieden habe dich zu behalten. Bis heute.” Grace holte tief Luft. Sie hatte diese Geschichte noch nie jemanden erzählt. Ihre Eltern wussten Bescheid und mit allen anderen hatte sie nie wieder gesprochen. Claire brauchte einen Moment um alles zu verdauen. So viele Szenarien hatte sie sich ausgedacht, wer ihr Vater wohl war. Dieses war nicht dabei. Sie umarmte ihre Mutter. “Danke, dass du es mir gesagt hast. Tut mir leid, dass ich dich so unter Druck gesetzt habe.” “Schon gut. Ich bin froh dass du es jetzt weißt.”
Sie saßen eine Weile schweigend nebeneinander.
“Was wurde aus Ben?” fragte Claire schließlich.
“Ich hab ihn nie wieder gesehen.” Grace hielt inne, “Bis vor 3 Tagen. Da standen wir uns plötzlich gegenüber. Es war irreal. Als wäre kein Tag vergangen und doch sind Welten zwischen uns. 15 Jahre sind eine lange Zeit.”
“Und jetzt?” fragte Claire ihre Mutter.
“Jetzt was?”
“Wirst du wieder 15 Jahre vergehen lassen, bevor du mit ihm sprichst?”
“Ich weiß es nicht. Es ist alles etwas viel im Moment.” Kurz hing Grace ihren Gedanken nach, bevor sie schließlich die Schultern straffte. “Lass uns zurückfahren. Deine Oma ist bestimmt schon krank vor Sorge.” Die beiden lächelten und umarmten sich. Jetzt würde alles wieder gut werden. Zu Hause angekommen, drücke ihre Oma Claire fest in ihre starken Arme. “Du weißt dass wir dich über alles lieben ja?” “Ja das weiß ich. Danke dir.” Auch ihr Opa drückte sie unwirsch in eine Umarmung. Ihm fiel es schwer mit so vielen Gefühlen im Raum umzugehen.
Grace und Claire packten ihre Sachen und fuhren nach Hause. Wie sehr sie es vermisst hatte. Über die nächsten Tage und Wochen wurde das Verhältnis zu ihrer Mutter wieder normal, fast noch inniger als zuvor, jetzt wo es keine Geheimnisse mehr gab. Ihre Mutter schien so glücklich wie noch nie, doch manchmal erwischte sie sie beim Grübeln. Wenn sie sich unbeobachtet fühlte glitten ihre Gedanken in eine andere Welt. Ob sie wohl an Ben dachte? Sie hatte ihn seit ihrem Gespräch nicht mehr erwähnt, doch es schien an ihr zu nagen. Immer wenn sie nur versuchte das Gespräch in die Richtung zu lenken, blockte ihre Mutter sofort ab. “Wir beide. Das ist alles was zählt.” Sagte sie dann immer. Doch Claire fand, ihre Mutter hatte mehr verdient. Also traf sie eines Tages einen Entschluss. Sie kannte die Bar aus Erzählungen, war selbst aber nie drin gewesen. Es war Nachmittag, als sie sich an einen der Tische setzte und eine Cola bestellte. Das Restaurant war fast leer. Man hörte nur leise Musik und das Geschirr, wenn die Kellnerin Sachen abräumte. Ein etwas älterer Herr musterte sie, als würde er grübeln ob er sie kannte. Zwar hatte Claire nie ein Foto von Ben gesehen, aber als ein Mann ca im Alter ihrer Mutter hinter der Bar hervorkam und mit strahlend blauen Augen in ihre Richtung blickte, wusste sie sofort, dass er es war. Ben starrte Claire an, als wäre sie aus der Vergangenheit angereist. Zwar hatte er Grace vor ein paar Tagen gesehen und wusste wie sie jetzt aussah und doch war es ihm als säße sie direkt vor ihm als sie 16 war. Die Ähnlichkeit zu ihrer Mutter war verblüffend. Was sie wohl hier machte? Langsam kam sie auf ihn zu.
“Hallo Ben. Ich weiß du kennst mich nicht.” Ben unterbrach sie. “Du bist Claire. Unglaublich. Du siehst genauso aus wie deine Mutter.” Er musste sich setzen. Er gab Sarah ein Zeichen, dass er kurz Pause machte und setzte sich an den Tisch von dem Claire zuvor aufgestanden war. Er konnte sie nur weiter anstarren. Es war so unwirklich.
“Ist alles in Ordnung? Geht es deiner Mutter gut?” Claire holte tief Luft. “Sie hat mir alles erzählt.” Ben riss überrascht die Augen auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Er dachte dieses Geheimnis würde Grace ins Grab nehmen. Er sah Claire mitleidig an, auch wenn er das eigentlich nicht wollte.
“Es ist okay. Niemand kann die Vergangenheit ändern und das habe ich akzeptiert. Jedoch sollten uns die Fehler von damals nicht aufhalten das Richtige zu tun.” Claire sah Ben mit durchdringendem Blick an. “Was meinst du?”, fragte Ben irritiert. “Dich und meine Mutter.” Ben sah Claire fragend an. “Sie hat nicht viel erzählt, aber ich denke du kennst sie so gut wie ich. Das Wichtige ist, was sie nicht sagt. Sie liebt dich Ben, aber sie hat Angst. Angst dich für immer verloren zu haben, weil sie dich damals so verletzt hat. Du hättest alles für sie getan. Sogar mich groß gezogen und trotzdem hat sie dich fort geschickt.”
“Das habe ich ihr doch längst verziehen.”
“Aber das weiß sie nicht. Und sie erlaubt sich nicht mal an eine zweite Chance bei dir zu denken. Sie glaubt nicht, dass sie eine verdient hat.”
“Wieso sollte sie das denken, nach all dem was ihr passiert ist?” “Weil sie Schuldgefühle hat. Dir gegenüber und mir gegenüber auch.”
“Deinetwegen? Weshalb?”
“Sie wollte mich nicht. Hat alles Mögliche probiert, um mich loszuwerden, damit sie ihr altes Leben wieder haben kann.”
Ben sah Claire traurig an.
“Ich verstehe das. So absurd es klingt aber es waren keine normalen Umstände. Ich weiß, dass sie mich liebt aber deswegen sollte sie nicht auf eine andere Liebe verzichten müssen.”
Ben holte tief Luft. Das war eine Menge zu verdauen. Sie unterhielten sich noch ein wenig über belangloses und irgendwann verabschiedete sich Claire. Barry kam an den Tisch. “Wer war dass den? Sie sah genauso aus wie Grace früher. Gibts denn sowas.”
Ben sah Barry überrascht an. Natürlich. Er wusste gar nicht, was damals passiert war. “Damit liegst du gar nicht so falsch, Barry. Das war Claire. Sie ist Grace’ Tochter.” Barry riss die Augen auf. “Unmöglich! Sie ist bestimmt schon ein Teenager, das würde ja bedeuten…” “Genau, Grace wurde damals schwanger und hat ein Baby bekommen. Sie hat den Kontakt zu uns allen deswegen abgebrochen. Sie wollte nicht, dass jemand es erfährt.” “Aber sie ist nicht von dir, nehme ich an?” Barry hatte viele Fragen, aber diese war die brennendste. “Nein. Ich hätte nicht zugelassen, dass Grace sie ohne mich aufzieht, wenn es auch mein Kind gewesen wäre. Ich weiß nicht, ob Grace damit einverstanden ist, aber ich werde es dir erzählen. Du erinnerst dich an den letzten Abend wo Grace hier war? Wir haben uns gestritten, weil sie high und betrunken war.” “Ja, es ist schon eine Weile her, aber ich erinnere mich.” “Sie ist am nach Hause weg vergewaltigt worden. Bis heute weiß niemand, wer es war. Der Täter konnte nie ausfindig gemacht werden. Claire ist ein Vergewaltigungskind. Deswegen wollte Grace nicht, dass jemand von ihrer Schwangerschaft erfährt. Und deswegen hat sie auch damals den Kontakt zu uns allen abgebrochen. Sie hat sich geschämt. Und wie ich jetzt erfahren habe, wollte sie auch damals das Kind abtreiben, was ihr Gott sei Dank nicht gelang. Aber das hat alles noch schlimmer gemacht. Ihre Schuldgefühle waren so übermächtig, dass sie nicht einmal mich noch in ihrer Nähe haben wollte. Ich Vater hat mir damals von ihrer Schwangerschaft erzählt und ich habe ihr sogar angeboten das Kind mit ihr großzuziehen. Damals wusste ich nichts von ihren Gefühlen und wie schwer ihr das alles fiel. Ich wollte ihr so gerne helfen und wusste nicht, warum sie sich so von mir abwandte. Erst jetzt beginne ich zu verstehen.” Barry musste all diese Informationen erst einmal verdauen. “Und was wirst du jetzt tun?” fragte er schließlich. “Ich weiß es nicht. Sie hat mich damals sehr verletzt. Und 15 Jahre sind eine lange Zeit. Ich verstehe einfach nicht, warum sie nie versucht hat mit mir zu reden.”
“Ich denke darauf weiß ich eine Antwort” sagte Barry. Ben sah ihn verwirrt an. “Was soll das heißen?”
“Ich weiß nicht ob sie es dir erzählt hat, aber sie kommt jedes Jahr her. Sie hat immer darauf geachtet, dass du nicht da bist. Rückblickend betrachtet hätte es mir zu denken geben sollen. Sie ist immer am selben Tag da gewesen. Der Tag der Vergewaltigung, wie ich jetzt weiß. 3 Jahre nachdem es passiert war, kam sie das erste Mal her. Du hast es gerade geschafft dich wieder aufzurappeln und hast eine lose Beziehung mit dieser Sandra angefangen. Mir fiel es damals sehr schwer dich so zermürbt zu sehen und alles was ich wusste ist, dass es mit Grace zu tun hatte. Sie hat dir das Herz gebrochen. Zum ersten Mal seit langer Zeit warst du wieder glücklich. Dann tauchte Grace auf und ich sah in ihren Augen wie schwer ihr das fiel. Sie wollte mit dir reden und sich bei dir entschuldigen. Ich hab ihr ins Gewissen geredet. Gemeint sie sollte dich in Ruhe lassen. Dass du gerade wieder zu dir gefunden hast und es nicht brauchen kannst, dass sie alles wieder durcheinander bringt. Nur wenn sie sich hundertprozentig sicher sei, dass sie wieder mit dir zusammen sein will. Ansonsten solle sie dich lieber gehen lassen. Es tut mir so leid, Ben. Ich wusste ja die ganze Geschichte nicht. Ich dachte es geht nur um sie. Das sie ein Kind hat, konnte ich ja nicht ahnen. Schließlich kehrte sie um und ging. Danach kam sie nur wieder wenn du nicht da warst. Auch ich hab sie seit damals nicht mehr gesehen. Sie muss wohl vorher angerufen haben, ob jemand von uns da ist bevor sie kam. Wenn ich gewusst hätte was damals passiert ist, hätte ich ihr nie so ins Gewissen geredet. Ich dachte sie hat dir das Herz gebrochen, weil sie jung war und alle Möglichkeiten offen halten wollte. Sie war ein ziemlicher Freigeist. Es tut mir so leid. Das ist meine Schuld.” Barry sah Ben entschuldigend an. “Barry, das ist in Ordnung. Du konntest es nicht wissen. Niemand wusste es. Du hättest mit mir reden sollen. Mir sagen sollen, dass sie da war. So viele Missverständnisse.” Ben schüttelte den Kopf. “Was wirst du jetzt tun?” “Ich weiß es nicht. Es ist alles so viel im Moment. Ich weiß ja nicht einmal was Grace jetzt fühlt” “Was fühlst du?” “Ach, keine Ahnung. Grace und ich haben so viel Vergangenheit. Ich weiß nicht, ob sie uns nicht immer wieder einholen wird. Und trotzdem habe ich mich an ihrer Seite noch nie so vollkommen gefühlt. Als wäre keine Zeit vergangen. Als hätte ich da erst gemerkt, dass mir immer etwas gefehlt hat an meiner Seite.” “Dann denke ich, solltest du zu ihr gehen Ben. Rede mit ihr.” “Du hast Recht. Das werde ich tun” Ben stand entschlossen auf. Auf dem Weg zu Grace und Claire’s Wohnung kamen ihm immer wieder Zweifel. Was ist wenn sie ihn wieder abwies? Er straffte die Schultern und ging auf ihre Wohnung zu. Bevor er klopfte holte er nochmal tief Luft. Claire öffnete und lächelte ihn an. “Ben, du bist gekommen. Das freut mich. Ich hole meine Mum.” Grace trat langsam vor die Tür. Irritiert sah sie zwischen Claire und Ben hin und her. “Claire, weißt du wer das ist?”, fragte sie ihre Tochter. “Ja. Das ist Ben. Ich habe ihn im Restaurant aufgesucht und mit ihm geredet, Mum. Es ist in Ordnung.” Damit drehte sie sich um und ließ die beiden allein. Grace schwirrte der Kopf. Das war zu viel auf einmal. Zuerst die Versöhnung mit Claire und das klärende Gespräch und jetzt Ben. Sie hatte sich den Kopf zerbrochen, ob sie ihn nochmal aufsuchen sollte oder nicht und war nicht zu einer Lösung gekommen. Scheinbar hatte Claire das für sie erledigt. “Was machst du hier Ben?” “Ich wollte mit dir reden. Ich hab dir so viel zu sagen und jetzt stehe ich vor dir und mir fällt nichts mehr ein.” “Komm doch rein.” “Nein, ich muss gleich wieder zurück ins Restaurant. Ich hab nur wenig Zeit. Grace, ich...ich will mit dir zusammensein. Damals schon und auch heute noch. Es hat sich an meinen Gefühlen für dich nichts geändert und egal wie viel Zeit vergangen ist, sie werden sich nicht ändern. Ich will das hier. Uns. Ein gemeinsames Leben, mit Claire. Was sagst du dazu?” Grace musste das Ganze erstmal verdauen. “Ben ich...ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Es ist so viel passiert. Meinst du wir können die Vergangenheit ruhen lassen? Ich bin mir da nicht sicher. Ich hab Claire gerade erst wieder und ich will nicht, dass irgendetwas dazwischen kommt. Sie ist noch so jung. Ich will mich jetzt voll auf sie konzentrieren, damit so etwas nie wieder passiert.” “Ich weiß Grace. Wir werden es langsam angehen. Wie wär es mit einem Date? Ich lade dich heute zum Essen ein. Ganz unbefangen und wir können über alles reden. Bitte Grace, lass es uns versuchen.” Ben sah sie flehend an. Grace überlegte, ihr Herz raste. Schließlich breitete sich ein strahlendes Lächeln über ihr Gesicht. “Ja Ben. Lass uns das machen. Ich freue mich.” Sie gab Ben einen kleinen Kuss auf die Wange und schloss die Tür. Sie lehnte sich dagegen und atmete tief durch. Es würde wohl doch noch alles gut werden.

ENDE


© Teresa


2 Lesern gefällt dieser Text.

Unregistrierter Besucher


Beschreibung des Autors zu "Say Grace"

Eine Geschichte über zwei Menschen mit einer gemeinsamen Vergangenheit. Unausgesprochene Gefühle, aufgestaute Emotionen und verletzte Gefühle. Das alles verbindet Ben und Grace. Auch wenn sie sich Jahre nicht gesehen haben, so führt ihr erneutes Wiedersehen unweigerlich dazu, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen. Doch ob sie ihren verletzten Stolz überwinden können und wieder zueinander finden?

Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Say Grace"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "Say Grace"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.