Wir sitzen in Calebs und Sams Zimmer auf dem Boden um den Couchtisch herum. Caleb versucht mir mit den Mathe-Aufgaben zu helfen, aber ich verstehe nur Bahnhof. Er schreibt wieder eine Aufgabe auf den Block und schiebt ihn mir rüber. Sein Blick ist hoffnungsvoll. An seiner Stelle hätte ich schon lange aufgegeben. Ich sehe mir die Gleichung an. Brüche, offene Klammern, Dezimalzahlen! Wer hat sich denn diesen Mist ausgedacht? Ich sehe hoch. Jeremy beobachtet mich neugierig.
„Klappt es?“, fragt er belustigt. Ich fahre mir frustriert durch die Haare.
„Sieht es für dich so aus?“, erwidere ich genervt. Caleb tippt aufmun-ternd auf das Blatt.
„Die Aufgabe schaffst du locker. Du hast doch sonst keine Probleme in Mathe. Du musst nur wollen.“ Ja, mein Freund. Und genau das ist das Problem. Ich nehme lustlos meinen Stift und schreibe in großen Buchstaben Leck mich! unter die Aufgabe.
„Ich will aber nicht!“ Er atmet tief ein.
„Du hattest immer die besten Noten von uns allen. Was ist los?“ Ich zu-cke gleichgültig mit den Schultern.
„Ich will aber nicht!“, wiederhole ich. Ich sehe ihn nicht an, merke aber wie seine Frustration in Besorgnis umschlägt.
„Morgan“, Jeremy nimmt meine Hand. „Wir machen uns wirklich Sorgen. Und sag jetzt bloß nicht, es ist dir egal!“ Ich nehme meine Hand weg und starre nur vor mich hin. Was soll ich dazu denn groß sagen? Ich kann nur daran denken, was mich erwartet, wenn ich wieder nach Hause komme.
„Soll ich euch was Lustiges erzählen?“, frage ich die drei. „Ich habe gar kein Tagebuch!“ Sobald ich es ausgesprochen habe muss ich auflachen.
„Was hat sie dann gelesen?“, fragt mich Sam verwirrt. Ich zucke mit den Achseln.
„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, warum sie sich so auf dich eingeschossen hat.“
„Ah, gut. Ich dachte schon, ich habe was verpasst“, sagt er erleichtert. „Kondome?“ Ich pruste los.
„Ja, klar“, sage ich in einem ironischen Ton. „Ich denke, ich sollte ihre Medikamente mal überprüfen.“ Caleb lehnt sich zu mir rüber und sieht mich fest an.
„Aber du weißt, wenn du welche brauchst bin ich für dich da Schätzchen.“
„Und wahrscheinlich zeigst du mir noch, wie man sie benutzt?!“, sage ich.
„Ich lass dich doch nicht unwissend in der Welt da draußen herumlaufen. Was denkst du denn von mir?“ Und wieder das bekannte Zwinkern.
„Seit wann hast du Kondome?“, erkundigt sich Sam. „Und seit wann brauchst du welche?“
„Mann muss vorbereitet sein!“, gibt Caleb stolz von sich.
„Hast du gerade Mann gesagt?“, frage ich ihn belustigt. Er legt den Arm um mich, ich sehe zu Jeremy und Sam, die beide versuchen nicht loszula-chen. Aber nicht wegen dem was er gesagt hat, sondern wegen dem was er sagen wird. Ich kann es ebenfalls erahnen und überlege mir schon eine passende Antwort.
„Soll ich es dir zeigen?“ OK. Damit habe ich nicht gerechnet.
„Was willst du mir zeigen? Deine Männlichkeit?“ Caleb nickt entschlossen. „Was machst du denn, wenn ich ja sage?“ Er sieht mir fest in die Augen.
„Sagst du ja?“ Ich überlege einen Moment. Er nimmt den Arm wieder weg. „Dachte ich mir, dass du kneifst“, er klingt enttäuscht, ob nur gespielt kann ich nicht deuten. Mein Blick fällt kurz auf Sam. Es ist nur kurz, aber es war definitiv da. Er ist eifersüchtig? Warum? Er merkt, dass ich ihn muste-re und sieht schnell auf das Buch, dass vor ihm liegt.
„OK“, ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Caleb. Ich möchte unbedingt wissen, wie weit er dieses Spielchen treibt. Er sieht mich verwirrt an.
„OK, was?“
„Ich sage ja“, beantworte ich seine Frage.
„Wozu?“ Stellt er sich jetzt absichtlich blöd?
„Hey, Alter. Worum ging es denn gerade? Du wolltest ihr deine Männlichkeit zeigen“, ruft ihm Jeremy in Erinnerung.
„Achso.“ Caleb sieht von seinem Freund wieder zu mir. Er versucht cool zu bleiben. „Wann? Jetzt?“
„Keine Sorge Morgan. Es geht ganz schnell“, witzelt Sam ohne von seinem Buch hoch zu sehen. „Oder in der Schule. Zwischen den Stunden bekommt er das locker hin.“
„Du weißt wohl wovon du redest“, sagt Caleb kühl zu ihm. Ich sehe zu Jeremy. Ihm ist auch die frostige Stimmung aufgefallen, die plötzlich zwi-schen den beiden herrscht. Sam sieht von seinem Buch hoch und seine Au-gen sind kalt.
„Ja, allerdings. Wir teilen uns ein Zimmer. Ich weiß genau, wie lange du brauchst.“ Er deutet mit dem Kopf in die Richtung von Calebs Schritt.
„Du weißt, dass ich dich auch hören kann oder?“ Jeremy holt Luft um die beiden zu unterbrechen, kommt aber nicht zu Wort.
„Wahrscheinlich macht dich das auch noch an!“, stellt Sam fest. Caleb lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. Er entspannt sich wieder.
„Vielleicht“, mehr sagt er nicht während er seinem Stiefbruder fest in die Augen sieht. Sam steht auf.
„Leck mich“, ist das einzige, was er noch von sich gibt, bevor er die Badezimmertür hinter sich zuschlägt. Caleb steht ebenfalls auf und verlässt das Zimmer durch die andere Tür.
„Ich hole noch etwas zu trinken“, teilt er uns noch mit. Jeremy und ich bleiben verdattert zurück.
„Kannst du mir sagen, was das jetzt war?“, frage ich.
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“
„Du wohnst doch auch hier!“
„Aber in einem anderen Zimmer, vergiss das bitte nicht.“ Ich schaue mich im Zimmer um, unschlüssig was ich machen soll. Nach einer gefühlten Ewigkeit gehen beide Türen wieder auf. Die beiden kommen zurück. Jeremy und ich wappnen uns auf die nächste Runde. Hinter Caleb kommt mein Vater herein. Ich ziehe mich langsam an der Couch hoch und stehe auf. Auch Alice ist dazu gekommen.
„Dad?“, frage ich verwundert.
„Deine Mutter ist wütend.“ Ich möchte etwas sagen, aber er hebt die Hand, dass ich still sein soll. „Dein Lehrer hat angerufen!“ Das habe ich ja ganz vergessen. Mist! Ich versuche innerlich ruhig zu bleiben.
„Und?“ Meine Stimme ist kühler als beabsichtigt.
„Anscheinend hast du heute Morgen geschwänzt. Und als wäre das nicht genug, hast du auch noch gelogen.“
„Was habe ich denn gesagt?“ Er holt tief Luft. Er hat keine Lust sich mit mir herumzuschlagen. Wahrscheinlich war er total entsetzt, als er heimkam und Mum war bei Verstand. Je nachdem was man darunter versteht.
„Das deine Mutter die Grippe hat, verschlafen hat und dich nicht geweckt hat. Du musst nicht geweckt werden, das wissen wir beide“, er kneift die Augen zusammen. „Mum hat gesagt, du hättest heute Morgen um halb acht ganz normal das Haus verlassen um zur Schule zu gehen.“ Ich bin sprachlos.
„Ähm“, will sich Sam einmischen.
„Halt den Mund!“, fährt ihn mein Vater an.
„Moment“, Alice stellt sich vor ihren Sohn. „Ich weiß nicht genau, worum es hier geht, aber mit meinen Kindern reden sie nicht in so einem Ton!“
„Ihr sogenannter Sohn“, das letzte Wort betont extra. Er atmet noch einmal ein, bevor er weiterspricht. „Er hat Sex mit meiner Tochter.“ Die nächsten Worte sind wieder an mich gerichtet. „Mum hat dein Tagebuch gelesen!“ Jetzt fängt er auch noch an.
„Nein, hat sie nicht“, sage ich lässig. „Sonst wüsste sie, dass ich mit Caleb schlafe, nicht mit Sam.“ Im Augenwinkel kann ich sehen, wie Caleb sich auf die Unterlippe beißt um nicht zu lachen. Sam starrt auf den Boden um sein grinsen zu verbergen. Alice bleibt ruhig, als wären das keine Neuigkeiten für sie.
„Pack deine Sachen!“, befiehlt mein Vater. „Ich warte im Wagen.“ Er macht kehrt und verlässt das Zimmer. Ich setze mich auf die Couch und packe meine Bücher ein. Jeremy sitzt immer noch auf der gleichen Stelle.
„Ich weiß gerade nicht, ob ich heulen oder lachen soll“, sagt er.
„Morgan?“, Alice kommt auf mich zu. „Du kannst am Wochenende gerne hier übernachten, wenn du möchtest. Du bist immer willkommen in diesem Haus.“
„Danke. Wahrscheinlich werde ich das Angebot annehmen.“
„Aber davor müssen wir unbedingt noch Kondome kaufen“, Caleb grinst breit, während er die Worte ausspricht. Seine Mutter sieht ihn böse an. „Das war nur Spaß“, beteuert er.
„Soso“, sagt sie als sie den Raum verlässt. Mein Blick bleibt auf Caleb gerichtet.
„Und was ist mit mir?“, beschwert sich Jeremy. Ich schaue ihn verwun-dert an.
„Was meinst du?“
„Na“, er deutet mit dem Kopf erst auf Sam und dann auf Caleb. „Du gehst hier mit jedem ins Bett, außer mit mir. Ich muss schon sagen, ich bin etwas gekränkt.“ Ich beuge mich zu ihm runter, lege den Arm um ihn und küsse ihn freundschaftlich auf den Kopf.
„Du weißt doch, das beste kommt zum Schluss.“ Er sieht mich an und lächelt beruhigt.


© Emilia Hunter


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