Gegen 19 Uhr ging es dann mit den Mädels die Meile entlang in Richtung Wunderbar. Der Rosé hatte uns schon ganz leicht vernebelt da wir das Mittagessen übersprungen hatten, doch mir und Stef war alles Recht, solange wir L nur lang genug beschäftigen konnten. Mein Handy klingelte, als wir vor der Tür der Bar standen, den Mädels gab ich schon mal den Wink, rein zu gehen.

„Hallo?“
„Hey, hier ist Greg. Hattest du mich vor ungefähr einer Stunde angerufen?“
„Hi Greg, danke, dass du zurück rufst. Sag mal, kann es sein, dass die Wunderbar zum Verkauf steht?“
„Hm.. Ja, woher weißt du das? Eigentlich ist das noch gar nicht offiziell, Herr Berg meinte zu mir, ich sei der Einzige, dem er das Angebot unterbreitet hätte..!“
„Dann solltest du deinen Kellnern das vielleicht genau so sagen.. Ich war den ganzen Nachmittag mit Stef bei euch und die kleine Neue meinte, du hättest eine Verabredung mit dem Geschäftsführer der Bar. Ich selber war neulich erst dort und konnte mir dann heute meinen Teil dazu denken. Allerdings denke ich nicht, dass du der Einzige bist, dem Berg ein Angebot gemacht hat.“
„Das ist ja wohl `ne Riesenfrechheit! Ich meine, man kennt sich schon seit Jahren, ist ja nicht so, dass ich von Außerhalb komme. Ich werde den Berg direkt mal anrufen, danke für die Info.“
„Nee, lass mal lieber.. Das ist mir jetzt ein wenig unangenehm, aber was ich dir so alles erzählt habe, beruht nur auf Spekulationen, ich bin mir da also nicht wirklich sicher..“
„Sag mal, hast du getrunken?“
„Wieso?“
„Du hörst dich ein wenig beschwipst an..“
„Greg, ich habe dir doch gerade gesagt, dass ich den gesamten Nachmittag bei euch verbracht habe.. Als Laurie dazu kam, hat sie eine Flasche Rosé bestellt, das war es aber auch, bis jetzt..“
„Mädchen, heute ist Sonntag! Ihr seid doch wohl nicht auf der Meile weiter gezogen, oder!?“
„Ähm, doch.. Aber hey, wieso ich dich angerufen hatte: Wir stehen gerade vor der Wunderbar, also eigentlich nur ich, die Mädels warten schon drinnen. Ich wollte, dass Laurie ein paar repräsentative Fotos macht. Ich dachte mir, so könntest du dir denn Innenraum mal genauer ansehen und in Ruhe schon mal darüber nachdenken, was du alles ändern möchtest, sobald du den Laden übernimmst. Als ich das letzte Mal hier war, sah es nämlich ganz schön schäbig aus..“
„Du, die Idee ist eigentlich ganz gut, also falls Berg da ist, sag ihm einfach, ich schicke euch da ich sein Angebot sehr.. attraktiv finde. Sag ihm aber nicht, was du mir vorhin gesagt hast. Ich bin gerade erst auf der Meile angekommen, vielleicht geselle ich mich später noch zu euch, muss das mit dem Berg auch erst verdauen und wer weiß, dann könnte ich ihn direkt darauf ansprechen, denn ich will diesen Laden wirklich!“
„Ja, das dachten wir uns auch schon! Außerdem fänden wir es klasse, auch einen zweiten Laden auf der Meile zu haben – mehr Abwechslung.“
„Sag deinen Mädels, dass mich der Laden eh nur euretwegen interessiert.. Also bis später und esst bitte was vor der nächsten Flasche! Ciao.“
„Jaja, bis später Papa.. Ciao.“

Als ich auflegte, merkte ich, dass Greg Recht hatte. Was Essbares wäre wirklich keine blöde Idee gewesen, aber wie es nun mal so ist, wenn man ein wenig was getrunken hat, vergaß ich das wieder als ich bei den Mädels war.

„Wer war dran?“, fragte Stef ganz neugierig.
„Greg“, gab ich zurück, „Er will tatsächlich den Laden kaufen, irre, ne!? Und Laurie, er hat gefragt, ob du Fotos von der Bar machen könntest. Er will sich nämlich schon was für den Umbau überlegen und..“
„Umbau?“, fragte Stef erschrocken, „Sag Greg bitte, dass er schneller fertig wäre, wenn er hier einfach ein Feuer legen würde. Dieser Laden ist ja so was von herunter gekommen!“
Laurie und ich konnten uns ein Lachen nicht verkneifen, dabei hatte sie wirklich Recht.
„Sei dankbar, dass wir gewartet haben, bis die Sonne untergegangen ist. Tagsüber ist dieser Laden nämlich unterirdisch! Nur aus diesem Grund wollte ich noch warten. Aber du hast Recht, auch abends wird es nur partiell besser. Wenigstens ist das Licht so schummrig, dass man den Dreck an den Wänden nicht sehen kann! Ladies, ohne Alk wird das hier nichts. Aber L, pack doch schon mal die Ausrüstung aus, denn wenn der Plan aufgeht, wirst du in einer Stunde nicht mehr in der Lage dazu sein..“
„Du spinnst, ich bin doch mit dem Auto hier!“
„Na und? Dann schläfst du eben bei mir! Oder bei Stef! Oder wir bringen dich noch zu Alex! Wie du willst, kein Problem!“

Der Kellner brachte uns eine Flasche an den Tisch und drei Gläser, alles wie bestellt. Die kleine Schale Erdnüsse, die er auf den Tisch stellte, rührten wir aber trotz übermäßigen Hungergefühlen nicht an. Später würden wir uns noch was bestellen, aber nicht hier. Als Laurie ihre Ausrüstung fertig montiert hatte, kam der Kellner erneut zu unserem Tisch und fragte, ob er was für uns tun könne.

„Ist Herr Berg im Haus“, fragte ich ihn geradewegs.
„Herr Berg ist nur kurz Wechselgeld holen, kommt aber gleich wieder. Hat er euch her bestellt? Dann rufe ich ihn kurz an.“
„Nein, müssen sie nicht. Unsere junge Fotografin hier hat den Auftrag bekommen, ihre Bar von innen abzulichten. Obwohl es kein Problem darstellen müsste, würden wir das dennoch lieber mit dem Geschäftsführer klären. Sobald er wieder hier ist, können Sie ihm ja Bescheid geben, dass wir auf ihn warten.“
„Ach, machen Sie ruhig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er was dagegen hat, schließlich war vor zwei Tagen schon ein Fotograf da. Wofür brauchen Sie denn die Fotos, wenn ich fragen darf?“
„Also Gre..“
„Wir haben ein Projekt in der Uni am Laufen!“, fiel ich Laurie ins Wort, „Und dafür haben wir uns die Wunderbar ausgesucht. Sagen Sie doch bitte Herrn Berg Bescheid, ja!?“

Der Kellner nickte und verschwand wieder hinter dem Tresen.

„Wieso darf er nicht wissen, dass Greg uns schickt?“, fragte Laurie und sah mich dabei etwas böse an, weil sie es einfach nicht mag, wenn man ihr ins Wort fällt.
„Laurie, der Laden steht wohl wirklich zum Verkauf und eigentlich darf niemand davon wissen. Aber Stef und ich haben die leise Ahnung, dass dieser Herr Mark ebenfalls an den Kauf interessiert ist. Greg war ziemlich sauer deswegen, dachte, Berg hätte nur ihn darüber informiert.“
„Achso“, antwortete sie mir, „Dann ist ja gut. Kann ich jetzt anfangen oder muss ich wirklich auf diesen Berg warten?“
„Fang ruhig schon an“, sagte Stef, „Ist ja schließlich nur für die Uni..“.

Als Herr Berg zur Tür rein kam, war Laurie schon mit dem Fotografieren fertig und wir mit der dritten Flasche Rosé. Daher bemerkten wir auch nicht, als er sich unserem Tisch näherte und sagte:

„Guten Abend meine Damen, Samir sagte, Sie warten auf mich?“
„Sie müssen dann Herr Berg sein“, lallte Stef ihn an, „Also eigentlich hat sich das jetzt eh schon erledigt! Aber danke!“.

Nun war ich dankbar, dass ich erwähnt hatte, dass die Fotos für ein Uniprojekt sein sollten. Sonst hätten wir uns für unseren Zustand etwas schämen müssen, aber jungen Studentinnen lässt man erfahrungsgemäß mehr durch gehen, so auch Herr Berg, wie es den Anschein machte.

„Samir erzählte, es geht um ein Projekt für die Uni?“
An dieser Stelle wurde es zu kompliziert, ich konnte Wahrheit von Lüge, und Ausrede nicht mehr von Wunschdenken auseinander halten, also antwortete ich:
„Nein, nicht wirklich, aber pssst. Greg hat uns geschickt, also eigentlich nicht, aber Greg weiß auch davon. Und es soll doch niemand wissen, dass sie verkaufen wollen, also pssst, das ist streng geheim! Aber wir haben Fotos gemacht, nur nicht von den Bildern an den Wänden.. Die sind hässlich. Wer hat die da überhaupt hin gehängt? Wissen Sie, Herr Berg, als ich das letzte Mal hier war, habe ich mich das wirklich gefragt. Diese Bilder.. Na, ich weiß nicht. Sie etwa?“
„Jetzt kommen Sie mir bekannt vor. Waren sie nicht mit einem Herrn hier? Saßen drüber an dem kleinen Tisch, ne!?“
„Ja, da saß sie wohl.. Mit „Herrn Mark“, wie sie ihn nennt!“, gab Stef überschwänglich von sich, „Ist der süß? Können Sie sich noch an den erinnern? Wie sah er aus?“
„Tut mir leid“, gab Herr Berg zurück, „Ich erinnere mich kaum an ihn, aber umso besser an seine Begleitung. Sie sind so schnell weg, hatte es Ihnen hier nicht gefallen?“
„Doch, doch“, antwortete ich ihm artig, „Voll schön hier! Aber ich hatte noch was zu.. erledigen.“. So ein Schleimbeutel der Berg, wollte doch nur davon ablenken, dass er ein Verkaufsgespräch hatte und damit Greg hintergangen hat, dachte ich. So ein Schmierling, alle gleich diese Gastronomen!
„Meine Damen, sie entschuldigen mich. Ich muss weiter arbeiten. Samir bringt Ihnen noch eine Flasche, wenn Sie mögen, die geht auf mich.“
„Jaaa“, schrie Stef, sichtlich angetan von diesem miesen Bestechungsversuch, „Danach können wir uns auch Freunde nennen, hihi.“
„Danke Herr Berg, das nehmen wir gerne an“, antwortete Laurie höflich wie immer. Und zu uns: „Das ist auch das Mindeste, dafür, dass wir unseren Sonntagabend in solch einer Kaschemme verbringen!“

Ja, es muss schon die vierte Flasche gewesen sein, da fingen wir an, über alle herzuziehen, die wir kennen. Eigentlich wurde keiner ausgelassen oder eben niemand vernachlässigt, Ansichtssache, aber wir hatten den Spaß unseres Lebens. Spätestens, als Stef anfing, von ihren Männergeschichten zu erzählen.

„Ladies, ich schwöre es euch! Wir lagen da gerade nackt in seinem Bett und er schon auf mir, da sagt er allen Ernstes mit einem breiten Lächeln im Gesicht: Noch zwei Zentimeter mehr, und ich wäre ein König!“, woraufhin Laurie und ich uns schon nichtmehr halten konnten.
„Haha, wie peinlich!“, warf Laurie ein, „Und hast du was dazu gesagt? Beziehungsweise, hatte er denn Recht?“
„Natürlich habe ich geantwortet! Ich hob die Decke hoch, musterte seinen kleinen Freund genau und gab zurück: Ja, und zwei Zentimeter weniger und du wärst eine Königin!“.

Ich verschluckte mich an meinem Wein und begann zu keuchen und zu husten, Laurie verteilte ihren auf dem Tisch und den Boden und von weitem musterte uns Samir der Kellner auch schon genervt, er würde wohl noch wischen müssen.

„Neeeeein“, stieß Laurie aus, „Das hast du nicht wirklich gesagt! Oh Stef, du züchtest die Frauenhasser von morgen, ist dir das überhaupt bewusst?“
„Also bitte, bei so einem Spruch.. Also ich hab ja schon eine Menge erlebt, von dem High Five bis hin zum „Eins, zwei, drei – Risiko!“ nach seinem Orgasmus, aber der Spruch, ich weiß nicht, hat mich ordentlich abgetörnt!“.
„Eins, zwei, drei – Risiko? Haha, nicht dein Ernst!“
„Zum Glück ist kein Ernst dabei raus gekommen, aber ja, Kerle gibt’s..!“
„Stef!“, mischte ich mich ein, „Bei allem Respekt, aber wo findest du diese Kerle bloß immer? Nein, bitte sag es mir nicht, eigentlich will ich es gar nicht wissen.. Hätten wir dich nicht, keine Ahnung, wir müssten wohl die Bunte kaufen.. keine Ahnung was ich eigentlich damit sagen will.. Aber du bist `ne geile Bitch, im Ernst! Ich liebe dich!“

Es artete in einem Gruppenkuscheln aus, wie es unter Mädels normal ist, glaube ich. Da kam auch schon Greg zur Türe rein. Verwirrend war dabei, dass es draußen wohl schon zu dämmern begann, oder woher kam das Licht, das den Raum so plötzlich erhellte?


© SofiaPierrot


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Beschreibung des Autors zu "Sonntagsblues und Azurblau"

Teil 5 meiner Königsblau-Reihe

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