Kapitel 2 – Abenteuer Krankenhaus
Hier piepst was, regelmäßig, sehr regelmäßig.
Ich öffne meine Augen und blicke mich überfordert um. In einem Gitterbett liege ich, noch nie lag ich in einem Bett. In meinem Arm ist eine Nadel mit Schlauch, der Schlauch führt zu einem Beutel mit Flüssigkeit. Über mein Gesicht und in meiner Nase steckt auch ein Schlauch, da durch kommt Luft in meine Nase. Ich mache die Decke weg. Huch, ich habe so ein komisches großes T- Shirt an, dass mir bis zu den Knien geht und dann habe ich so ganz lange komische feste Socken an. Darunter juckt es sehr. Ich versuche zu kratzen, aber als ich bewege macht mein Bauch weh und ich falle zurück. Auf meiner Brust kleben runde Dinger, die zu einem Gerät führen, es ist das Gerät das piepst.
Ich hebe mein Shirt hin, weil ich da was komisches spüre. Da ist ein Beutel mit gelben Inhalt, das sieht aus wie Pipi. Iiiih. Auf meinem Bauch ist ein ganz großes Pflaster und auf meinem Rücken auch. Ich berühre meinen Bauch, das tut weh. Mein Rücken tut nicht so weh, aber mein Bauch tut sehr weh. Um mein Handgelenk ist ein rosa Plastikarmband auf dem etwas steht. Was da wohl steht. Im Zimmer sind zwei andere Mädchen, aber die sind größer als ich und die Mommys sitzen bei denen. Die eine Mommy spielt mit dem Mädchen Karten und die andere streichelt das Mädchen,e s schläft. Ich muss Pipi und habe Durst. Ich setze mich auf und zucke vor Schmerzen zusammen, aber das ist egal, wenn ich länger hier liegen bleibe mache ich das Bett nass. Wenn ich aber raus klettere reiße ich die ganzen Geräte um und mache mir sicher weh. Ganz sachte ziehe die runden Dinger von meiner Brust. Das Gerät piepst plötzlich ganz komisch und ganz laut. Erschrocken sehe ich mich um und halte das Ding in der Hand. Jetzt kommen Menschen in den Raum gestürmt und kommen zu mir. Ein Mann mit einem weißen Kittel und so etwas komisches um den Hals schaltet das Gerät aus „Willst du die Noppen los werden?“ fragt er mich grinsend.
„Ich muss Pipi.“ sage ich leise,
„Dann lass laufen, du hast einen Katheder, da geht das direkt rein.“.
Angewidert sehe ich ihn an „Ich will auf Toilette.“.
„Gut dann musst du abwarten bis ich dir alles weg gemacht habe und dich untersucht habe.“.
Er nimmt die Noppen alle von meiner Brust und nimmt dann das Ding um seinen Hals und legt es auf meine Brust das andere Ende macht er in seine Ohren. Mit großen Augen sehe ich ihn an „Was machst du da?“.
„Ich höre dein Herz ab, aber dazu musst du jetzt ganz ruhig sein. Ich sage einatmen, dann atmest du so tief ein wie du kannst und du atmest erst aus, wenn ich es dir sage. Verstanden?“.
„Und was ist das für ein Ding mit dem du mein Herz hören kannst? Und wie geht das?“ frage ich.
„Das ist ein Stethoskop.“ sagt er und steckt er mir in die Ohren und legt das andere Teil, dass bis jetzt auf meiner Brust lag auf seine Brust. Ein regelmäßiges Klopfen höre ich „Ist das dein Herz?“ frage ich begeistert.
„Ja und jetzt will ich dein Herz hören. Hast du verstanden was du machen musst?“ fragt er mich und nimmt es wieder aus meinen Ohren.
„Ich muss ganz tief Luft holen, wenn du es sagst und wenn du sagst ich darf ausatmen muss ich ausatmen.“ wiederhole ich seine Anweisungen.
Er nickt zufrieden und legt das Teil wieder auf meine Brust „So und jetzt tief Luft holen.“. Ich atme so tief Luft ein wie ich kann. „Ausatmen.“ befiehlt er und ich gehorche.
Er legt dann das Stethoskop weg und zieht den Pipibeutel weg, danach nimmt er den Schlauch aus meinem Gesicht. „Und das da in meinem Arm?“ frage ich ihn,
„Das brauchst du noch. Das ist Medizin, aber den Ständer kannst du mit dir herum schieben, aber du musst sowieso im Bett liegen. Nur wenn du Pipi musst darfst du aufstehen.“ antwortet er.
„Und wie heißt du?“.
„Aaron und das ist Maggie, sie wird mit dir auf Toilette gehen, dich waschen und anziehen und dann wieder ins Bett bringen und wenn du irgendwas brauchst drückst du hier und Maggie oder eine andere Krankenschwester kommt. Auch wenn du Schmerzen hast drückst du den Knopf.“.
„Okay ich habe Durst.“ sage ich leise.
„Du bekommst gleich was.“ lächelt mich Maggie an. Aaron streichelt mir über den Kopf und geht dann zu einem der anderen Mädchen und redet mit der Mommy von dem Mädchen. Maggie hebt mich aus dem Bett heraus und nimmt mich auf den Arm und bringt mich ins Bad, mit einer Hand schiebt sie die Stange auf den der Beutel mit Flüssigkeit hängt. Sie stellt mich davor auf und zieht mir das Shirt hoch und die Hose herunter und dann setzt sie mich auf die Schüssel. Noch während ich auf der Toilette sitze zieht sie mir die komischen Socken auf. Ich will kratzen, aber sie hält meine Hände fest „Nicht kratzen Süße.“.
„Ich heiße Enya und nicht Süße.“ sage ich irritiert.
„Das sagt man so, wenn jemand so süß ist wie du.“ lächelt sie mich an und drückt meine Nase leicht „Und fertig mit Pipi machen?“. Ich nicke und sie macht mich sauber und zieht mich dann ganz aus. Über die großen Pflaster klebt sie Folie, sie nimmt den Schlauch von der Nadel und macht es mit einem Verschluss zu und setzt mich dann auf einen Stuhl in der Dusche. Das Wasser ist ganz warm, zuhause war es immer ganz kalt. Das ist schön. „Wenn es zu heiß ist musst du es sagen.“ sagt sie zu mir.
„Das ist nicht zu heiß. Das ist schön so.“ lächle ich „Was ist das?“.
„Das ist Shampoo. Kennst du das denn nicht?“ fragt sie überrascht.
„Nein. Für was benutzt man das?“.
„Damit man richtig sauber wird. Mit was hast du dich denn immer gewaschen?“.
„Mit Wasser.“ runzle ich die Stirn und bemerke wie gut das riecht „Das riecht lecker.“. Ich will daran schlecken, aber sie hält meine Hand fest „Das ist nicht zum Essen, davon wirst du krank. Damit wäscht man sich nur.“.
Nachdem sie alles von dem Shampoo weggespült hat geht sie an den Schrank und holt einen Kamm und Schere „Ich muss dir deine Haare schneiden, die sind ziemlich verknotet. Keine Sorge, ich habe eine Ausbildung zur Frisörin vor meiner Zeit als Krankenschwester gemacht.“.
Mit dem Kamm zieht sie meine Haare. Das tut weh, aber ich sage nichts und dann schneidet sie einfach meine Haare. Erst überall wo es anfängt weh zu machen und dann am Schluss nochmal. Meine Haare sind jetzt nicht mehr lang, davor sind sie mir fast bis zum Popo gegangen und jetzt spüre ich, dass sie nur noch meine Schultern berühren. Meine Lippe fängt an zu zittern und ich fangen an zu weinen. „Was ist denn?“ fragt sie,
„Du hast meine Haare ganz kurz gemacht.“ schluchze ich anklagend.
„Ach Süße, die wachsen doch wieder, aber die waren ganz kaputt, weil deine Mommy die nicht gekämmt und richtig gewaschen hat.“.
Ich streiche mir die Tränen aus dem Gesicht und sie lässt nochmal Wasser auf mich herunter prassen und macht alle Haare von meinem Körper und nimmt aus einer anderen Tube Schaum zwischen ihre Hände und verteilt den auf meinem Körper. „Was ist das?“ frage ich.
„Duschgel. Das benutzt man für den Körper.“ erklärt sie und spült es dann wieder weg.
Sie holt ein Handtuch und wickelt mich darin vorsichtig ein und setzt mich auf einen anderen Stuhl. „Warte hier.“ sie geht raus und kommt dann wieder mit Kleidung zurück. Das sind nicht meine Sachen, die riechen gut und sind sauber, aber mir zu groß. Es ist eine Jogginghose und ein T-Shirt und pinke Socken. Diese Folie hat sie wieder weggemacht und den Schlauch wieder in die Nadel an meinem Arm gemacht. Sie trägt mich dann zurück in mein Bett und deckt mich zu, nachdem sie meine Haare durchgekämmt und geföhnt hat. Ich habe noch nie einen Föhn gesehen und ich glaube ich nerve sie mit meinen Fragen.
Meine Haare sind jetzt wirklich so kurz, wenn sie nass sind sind sie wenigstens noch etwas länger, aber jetzt trocken sind sie lockig und noch kürzer geworden. Jetzt berühren sie nicht mal mehr meine Schultern. Sie sind noch nie so hell gewesen wie jetzt, sonst sind sie immer so dreckig jetzt sind sie ganz sauber und ganz helles blond.
Maggie bringt mir was zum Trinken und Essen. Ich traue mich nicht mehr zu fragen, weil sie so genervt guckt. Das Trinken schmeckt aber gut und ist gelb. Ich will wissen was das ist.
„Was ist das?“.
„Orangensaft und das ist Nudelsuppe.“ murmelt sie und füttert mich. Das ist ja warm, aber schmeckt komisch. In meinem Bauch fühlt sich das aber gut an. Nachdem alles leer ist kommt sie mit einem Becher und einer Zahnbürste zurück und putzt meine Zähne und macht mich sauber. Ich schlafe danach schnell ein. In der Nacht kommt eine andere Krankenschwester und wechselt den Beutel mit der Flüssigkeit, außerdem macht sie was komisches um meinen Arm das sich aufpustet und meinen Arm quetscht und steckt was in mein Ohr. Mein Bauch macht sehr weh, aber sobald der Beutel dran ist schlafe ich wieder ein.
Eine andere Krankenschwester bringt mich am Morgen auf die Toilette und putzt meine Zähne, danach bekomme ich Tee zum Trinken. Sie sagt das ist Kamillentee. Zum Essen bekomme ich Joghurt. Anderes darf ich nicht essen, weil der Doktor mir was von meinem Magen weggeschnitten hat und mein Magen sich erst an Essen gewöhnen muss. Den ganzen Tag bin ich so müde, auch in den nächsten Tagen. Maggie frage ich nichts mehr, weil sie einmal gesagt hat, dass ich nerve mit meiner Fragerei. Sie hat es ganz leise gesagt, aber ich habe es gehört.
Aaron hat mir erzählt, dass er mir meinen Blinddarm, Gallenblasen, Nierensteine und ein Stück vom Magen geklaut hat. Er hat auch gesagt, dass ich Würmer im Bauch hatte und das man so etwas bekommt, wenn man in dreckiger Umgebung lebt und sich nicht richtig wäscht. Ich frage mich wann mich Mommy besuchen kommt, die Polizisten haben sie doch sicher aus dem Teppich wieder herausgeholt oder nicht?
An einem Tag kommt eine Frau mich besuchen, das ist nicht meine Mommy. Sie setzt sich auf den Stuhl neben dem Bett und sieht mich lieb an „Hallo ich bin Julia vom Jugendamt.“.
„Hallo, ich bin Enya.“ lächle ich sie an.
„Ich weiß das. Weißt du was mit deiner Mommy ist?“.
„Daddy hat ihr weh gemacht und sie in den Teppich gerollt. Wo ist meine Mommy? Haben die Polizisten sie nicht aus dem Teppich geholt?“ frage ich sie. Die anderen beiden Mommys sehen mich entsetzt an.
„Enya deine Mommy ist im Himmel.“ sagt Julia.
„Was macht sie denn im Himmel? Und wie kommt die da hin?“ frage ich irritiert „Und wann kommt sie mich besuchen?“.
Überfordert sieht mich Julia an „Deine Mommy ist tot.“.
Ich starre sie an und blicke dann auf meine Hände „Und wieso sagst du dann sie ist im Himmel? Wenn man tot ist kommt man unter die Erde.“.
„Ja, aber tote Menschen kommen zu den Engel in den Himmel.“.
„Nein, nur wenn man lieb war und gutes gemacht hat. Daddy und Mommy haben nicht Gutes gemacht. Sie haben immer ganz schlimme Worte zueinander gesagt, sie gehauen und nur Alkohol und das weiße Pulver genommen. So etwas macht man nicht, wenn man Gut ist. Das hat Mommy selber gesagt und Daddy auch. Wo ist Daddy?“ frage ich.
Julia schluckt und sieht mich so komisch an „Dein Daddy ist im Gefängnis. Er hat deine Mommy getötet und wollte dich auch töten.“.
„Und muss ich jetzt alleine wohnen?“.
„Nein solange du noch krank bist bleibst du hier. Wir suchen nach Verwandten und wenn es keine gibt kommst du entweder zu einer Pflegefamilie, Heim oder wirst gleich adoptiert.“ antwortet sie.
„Was ist eine Pflegefamilie und was adoptieren?“.
„Pflegefamilie ist eine Familie die auf dich aufpasst, aber du bist nicht ihr Kind. Adoptieren bedeutet, dass du das Kind einer Familie wirst.“ erklärt sie.
Sie steht dann auf und verabschiedet sich und geht.
Irgendwann kommt sie wieder und sagt mir, dass es niemand gibt der mich haben will. Ich habe einen Opa und eine Oma, die mich aber nicht haben wollen. Sie sucht jetzt Familien, die mich vielleicht haben wollen. Als sie weg ist klettere ich aus dem Bett, noch immer habe ich die Nadel in meinem Arm. Mit der Stange gehe ich auf den Gang. Hier sind ganz viele Türen und ein Spielzimmer, aber ich entdecke was viel besseres. Ein Aufzug. Ich renne mit meiner Stange hin. Mein Bauch tut weh, wenn ich renne, aber das ist egal, aber der Boden ist rutschig und ich habe nur Strümpfe an. Ich werde jeden Tag frisch angezogen, das finde ich schön. Meine Sachen riechen immer gut und jeden Tag wäscht man mich und zwei Mal am Tag muss ich Zähne putzen. Aaron hat gesagt, dass macht man damit die Zähne gesund und schön bleiben. Jeden zweiten Tag muss ich duschen, ich mag das, aber ich mag Maggie nicht.
Ich drücke auf den Knopf vom Aufzug, der geht auf und ich gehe rein und drücke alle Knöpfe an die ich dran komme. Als er los fährt kichere ich. Das macht Spaß. An den Haltestellen steigen Menschen ein und drücken auch auf Knöpfe. Ganz lange fahre ich damit und sehe viele Menschen, ich glaube die besuchen andere. Irgendwann steige ich aus und laufe über den Gang. Das ist nicht meine Station. Fasziniert bleibe ich vor Automaten stehen. Da ist Essen drinnen. Ein Mann macht Geld in den Automaten und drückt auf was. Plötzlich fliegt etwas gegen die Scheibe und dann herunter, der Mann holt es aus dem Fach. Mit großen Augen sehe ich den Automaten an und gehe an das Fach und stecke meine Hand rein, aber da ist nichts. Ich setze mich davor und beobachte alle, die sich da was zum Essen holen. Ein großer Mann geht an den Automaten, aber hält inne als er mich bemerkt. Er hat so einen schönen Anzug an, wie die Männer in den schönen Restaurants und Banken. Das komische Ding um den Hals hat er auch. „Was machst du denn da?“ fragt er mich.
„Ich beobachte den Automaten. Das Essen fliegt immer gegen die Scheibe und dann da runter, aber ich weiß nicht wie das funktioniert.“.
„Hast du so etwas noch nie gesehen? Oder haben dir das deine Eltern nicht erklärt?“.
„Nein, Mommy und Daddy haben mir nie was erklärt. Ich nerve immer mit meinen Fragen. Maggie, die Krankenschwester hat auch leise gesagt, dass ich nerve, aber ich habe immer so viele Fragen.“ erzähle ich ihm.
„Wo sind denn deine Eltern?“.
„Mommy ist tot, Daddy hat sie getötet und dann wollte er mich auch töten und jetzt ist er im Gefängnis und Julia sucht eine Familie für mich. Sie hat gesagt, ich habe Großeltern, aber die wollen mich nicht haben.“.
Er hebt mich auf seinen Arm hoch und gibt mir Geld in die Hand „Also wir suchen uns jetzt etwas aus? Was magst du denn gerne?“.
„Ich weiß nicht, ich habe so was noch nie gegessen. Mommy hat mir immer nur Toastbrot gegeben, wenn sie mal Geld für mich ausgegeben hat. Sonst haben Daddy und sie immer so weißes Pulver gekauft und Alkohol und ich habe Obst aus Gärten immer geklaut damit mein Bauch nicht so weh macht. Hier bekomme ich nur Joghurt und Suppen, aber Suppen schmecken nicht.“ flüstere ich ihm zu.
Er streicht mir die Haare hinters Ohr und sieht mich so lieb an. Ganz schöne blaue Augen und blonde kurze Haare, aber nicht so blond wie ich.
„Du darfst also nichts anderes essen? Was haben die denn mit dir hier gemacht?“ fragt er mich.
„Aaron hat mir meinen Blinddarm, Gallenblase, ein Stück Magen und Nierensteine geklaut ohne mich zu fragen.“ erzähle ich empört.
„Dann müssen wir mit Aaron schimpfen.“ lacht er und küsst mich auf die Schläfe. Ich schmiege mich an ihn „Und wie funktioniert der Automat?“.
„Also wir suchen uns jetzt was aus. Wir nehmen den Schokoriegel und hier steht eine Nummer drunter, das ist die Nummer 23.“ zeigt er mir „Und jetzt geben wir in das Tastenfeld die 23 ein und dann zeigt es uns an hier, wie viel es kostet. Du wirfst jetzt die Münzen in den Schlitz rein.“.
Ich strecke mich hin und werfe die Münzen ein.
„So und jetzt wird uns der Schokoriegel herausgeschossen.“ lächelt er und holt es aus dem Fach. Er öffnet den Schokoriegel und hält ihn mir hin „Beiß ab.“. Ich öffne meinen Mund und beiße beherzt ab und kaue ihn. Das schmeckt so gut. Mit leuchtenden Augen öffne ich nochmal meinen Mund, er hält ihn mir wieder hin und ich beiße wieder ab.
Während ich kaue hat er den restlichen Riegel gegessen. Schmollend sehe ich ihn an und ziehe an dem komischen Ding um seinen Hals „Was ist das?“.
„Eine Krawatte nennt man das.“ antwortet er.
„Und für was ist das gut?“.
„Das ist eine sehr gute Frage. Also man trägt das als Mann einfach zum Aufzug und ich glaube es soll die Knopfleiste vom Hemd verstecken.“.
„Dürfen Frauen keine Krawatten tragen?“ ich spiele mit seiner Krawatte.
„Doch, aber eigentlich machen das nur Männer.“.
Er nimmt meine Hand und sieht sich das Armband an „Du heißt Enya?“.
„Ja steht das da? Was steht da?“ frage ich ihn mit großen Augen.
„Hier steht: Enya Kingston, Kinderstation Bärchen.“.
„Kingston? Warum Kingston? Ich heiße Enya.“ brumme ich.
„Kingston ist dein Nachname. Enya ist dein Vorname, so wie dich jeder ruft.“ erklärt er.
„Was ist ein Nachname? Für was braucht man das?“.
„Dein Nachname sagt dir zu welcher Familie du gehörst. Ich heiße Levente Sullivan. Levente ist mein Vorname, so heiße nur ich in meiner Familie und meine Schwester heiß Diana, aber ihr Nachname war auch Sullivan bevor sie geheiratet hat und den Nachnamen von ihren Mann angenommen hat. Meine Frau heißt auch Sullivan mit Nachname und mein Dad und meine Mom auch. Verstehst du meine Erklärung?“.
„Also hieß Mommy auch Kingston?“ frage ich ihn.
„Ja und wenn dein Dad und deine Mom verheiratet waren heißt er auch so.“ antwortet er.
„Was ist heiraten?“.
„Wenn zwei Menschen sich lieben und eine Familie sein wollen, meistens Mann und Frau, aber es gibt auch Frauen die Frauen lieben und Männer die Männer lieben heiraten sie. Sie gehen zu einem Menschen, der vom Gesetz einen verheiraten darf, dort versprechen sie sich immer füreinander da zu sein und dann tauscht man Ringe, unterschreibt Urkunden und die Frau nimmt meistens den Nachnamen vom Mann an.“ erklärt er mir und zeigt mir seinen Ring am Finger.
Ich fasse den Ring an „Mommy hatte kein Ring am Finger.“.
„Dann war sie vielleicht nicht mit deinem Daddy verheiratet.“.
„Was machst du hier im Krankenhaus?“ ich kuschele mich an ihn.
„Meine Frau arbeitet im Krankenhaus, sie ist Ärztin für Frauen und hilft gerade einer Frau ein Baby zu bekommen. Ich warte auf sie.“. Er setzt sich auf eine Bank, dabei schiebt er meine Stange mit sich und drückt mich an sich und streichelt mir über den Kopf.
„Hast du Kinder?“.
„Nein meine Frau kann keine Kinder bekommen, weil sie dann sterben könnte.“.
„Wieso könnte sie sterben?“ frage ich ihn mit großen Augen.
Er legt seine Hand auf mein Herz „Ihr Herz war nicht gesund als sie ein Baby war, das haben die repariert, aber wenn sie ein Baby bekommen würde, würde es wieder kaputt gehen.“.
„Bist du deswegen traurig?“.
„Nein, ich will gar keine Kinder. Ich arbeite viel und meine Frau auch.“ antwortet er.
„Was ist arbeiten?“.
„Woher hatte deine Mom das Geld für das weiße Pulver?“ fragt er mich.
„Sie ist mit Männern ins Auto gestiegen, aber ich weiß nicht wieso sie ihr Geld gegeben hat.“.
„Also arbeiten ist, wenn man etwas macht und dafür Geld bekommt. Meine Frau ist Ärztin und dafür bekommt sie Geld. Ich bin Anwalt und bekomme deswegen Geld.“.
„Was ist ein Anwalt?“.
„Ein Anwalt ist jemand der das Gesetz kennt und Menschen hilft, die Probleme mit Gesetzen oder mit anderen Menschen haben.“ antwortet er und wirkt nicht genervt.
„Nerv ich dich nicht mit meinen Fragen?“.
„Nein du nervst mich nicht.“ lächelt er und kitzelt mich an den Füßen. Ich kreische vor Lachen, aber dann macht mein Bauch weh und ich halte ihn. Vorsichtig zieht er das Shirt hoch und zieht sich die große Narbe an. Aaron hat das Pflaster weg gemacht, jetzt sind da nur noch ganz kleine Pflaster und Fäden drinnen und ganz rot ist es. Er küsst mich dort „Macht es noch weh?“, ich nicke und er küsst es nochmal „Immer noch?“, grinsend nicke ich und er macht seinen Mund weiter oben und pustet in meinen Bauch. Es hört sich an wie pupsen und ich muss ganz dolle lachen.
Er fährt dann mit den Fingern über meine Knochen die man sieht „Du musst viel mehr essen.“.
„Hat Aaron auch gesagt, er hat gesagt ich wiege zu wenig und das ich zu klein bin.“.
„Wie alt bist du denn?“.
Ich zeige ihm vier Finger „So.“.
„Ja du bist echt sehr klein.“ murmelt er und streicht mir über die Lippe und Nase.
„Vielleicht werde ich irgendwann ganz groß so wie du.“.
„Ja vielleicht.“ lächelt er und küsst mich auf die Nase, ich liege in seinen Armen und kuschele mich an seinen Arm und gähne.
„Schatz tut mir leid, dass es länger gedauert hat.“ sagt eine Frau, ich blicke zu ihr. Sie ist so schön.
Sie ist größer als Mommy war und schlank, aber nicht so mager wie Mommy, sie sieht weich aus. Ganz schönes rötliches Haar hat sie, dass ihr bis zur Mitte des Rückens geht und sie hat hellbraune Augen. „Macht nichts, ich habe Gesellschaft gehabt.“ sagt er zu ihr. Sie sieht sich mein Band an „Die Kleine wird seit Stunden gesucht.“.
„Ich will nicht zurück.“ schmolle ich.
„Wieso nicht?“ fragt sie mich und geht in die Hocke.
„Ich mag Maggie nicht und sie ist da und Julia hat gesagt, dass es keine Familien gibt, die mich haben wollen.“.
„Die Krankenschwester Maggie?“.
„Ja, sie will mir keine Fragen beantworten und sagt, dass ich nerve und spielen will sie auch mit mir nicht. Die anderen Mädchen in meinem Zimmer haben immer Besuch und die Mommys sind immer da und die spielen mit denen.“ beschwere ich mich und fange dann an zu weinen.
Die Frau nimmt mich auf den Arm und streichelt mir über den Kopf und Rücken „Ganz ruhig meine Prinzessin. Ich bin da.“. Ich lege meine Arme um ihren Hals und drücke sie ganz fest. Plötzlich weine ich ganz laut und kann nicht mehr aufhören. „Was ist los Prinzessin?“ fragt sie mich.
„Ich habe keine Mommy und keinen Daddy mehr.“ schluchze ich laut „Und niemand will mich haben.“.
Irgendwann schlafe ich ein, ich weine noch, aber schlafe ein.


© R.S.


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Kommentare zu "Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 2)"

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 2)

Autor: Uwe   Datum: 30.10.2014 16:59 Uhr

Kommentar: Lemontree,
mir ist, als habe mich noch nie ein Text so tief beeindruckt!

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 2)

Autor: Mark Gosdek   Datum: 01.11.2014 11:04 Uhr

Kommentar: Einfach wunderbar geschrieben. Mark

Re: Ein Lachen das zusammenführt. (Teil 2)

Autor: Schmusekatze   Datum: 27.11.2014 16:13 Uhr

Kommentar: SchönTraurig!

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