Ein Mann betritt die Praxis. Der Therapeut begrüßt ihn, bittet ihn, Platz zu nehmen. Der Mann setzt sich auf das Sofa. Der Therapeut auf den Stuhl schräg daneben.

Therapeut: Was kann ich für Sie tun?

Mann: Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.

Therapeut: Frei heraus.

Mann: Also gut, ich finde schwarze Frauen wahnsinnig attraktiv.

Therapeut: Das kann ich gut verstehen.

Mann: Das Problem ist, ich bin Nazi.

Therapeut: Hoppla.

Mann: So ist das halt.

Therapeut: Und nun wollen Sie von Ihrer Gesinnung loskommen?

Mann: Auf keinen Fall!

Therapeut: Sondern?

Mann: Sie sollen mir helfen, von meinen Gefühlen loszukommen.

Therapeut: Tut mir leid, da kann ich nichts für Sie tun.

Mann: Aber ich bin verzweifelt! Mein Leben. Diese Frau. Das passt nicht zusammen.

Therapeut: Aha, da gibt es also wen Konkretes?

Mann: Kann man so sagen.

Therapeut: Wo haben Sie sie kennengelernt?

Mann: Wir haben sie aufgemischt.

Therapeut: Schrecklich.

Mann: Passiert ist passiert.

Therapeut: Und dann?

Mann: Was dann? Ich hab mich verliebt.

Therapeut: Verliebt?

Mann: Ja.

Therapeut: Aber das ist doch schön.

Mann: Gar nicht.

Therapeut: Warum?

Mann: Ich bin Nazi.

Therapeut: Aber das ist doch kein Grund.

Mann: Für mich schon.

Therapeut: Und wenn Sie aufhören, Nazi zu sein?

Mann: Das kann ich nicht.

Therapeut: Und wenn Sie Ihre Gefühle einfach zulassen?

Mann: Und etwas mit einer schwarzen Frau anfangen? Da werden die Kameraden aber gucken.

Therapeut: Was ich bei der ganzen Sache nicht verstehe, Sie sind selber schwarz.

Mann: Das stimmt.

Therapeut: Aber Sie sind Nazi?

Mann: Wieder richtig.

Therapeut: Vielleicht steh ich auf dem Schlauch, aber wie geht das zusammen?

Mann: Ich bin ein moderner Nazi.

Therapeut: Und das heißt?

Mann: NAZI: Neu. Aufgeklärt. Zusammengewürfelt. International.

Therapeut: International, interessant. Was ist Ihr Programm?

Mann: Wir glauben an die Herrenrasse.

Therapeut: Den Arier?

Mann: Eben nicht. Es sind nicht die Reinrassigen, den Mischlingen gehört die Zukunft.

Therapeut: Wie bitte?

Mann: Den Mischlingen. Von allen das Beste. Klüger. Stärker. Überlebensfähiger.

Therapeut: Wer hat sich denn das schon wieder ausgedacht?

Mann: Unser Führer.

Therapeut: Führer?

Mann: Ja.

Therapeut: Und wie kommt er darauf?

Mann: Steht alles in seinem Buch.

Therapeut: Und wie heißt dieses Buch?

Mann: Meine Katze.

Therapeut: Meine Katze?

Mann: Genau, meine Katze. Er hatte eine Mischlingskatze, die ist 20 Jahre alt geworden.

Therapeut: Verstehe, Mischlingskatzen leben also länger.

Mann: Und sind robuster.

Therapeut: Und Sie meinen, das trifft auch auf Menschen zu?

Mann: Absolut.

Therapeut: Was ich aber nicht verstehe, warum haben Sie die schwarze Frau aufgemischt?

Mann: Wir wollten sie mit einem weißen Kameraden verkuppeln.

Therapeut: Und?

Mann: Sie wollte nicht.

Therapeut: Und?

Mann: Dann haben wir sie aufgemischt.

Therapeut: Und Sie können mit der Frau nicht zusammen sein, weil Sie beide schwarz sind?

Mann: Exakt.

Therapeut: Das heißt, Sie dulden keine Partnerschaften zwischen Menschen gleicher Hautfarbe?

Mann: Exakt.

Therapeut: Aber meine Frau ist auch weiß.

Mann: Ich diesem Fall muss ich Sie bitten, ab jetzt dieses Abzeichen zu tragen.

Therapeut: Da steht drauf „Ich lebe in einer gleichfarbigen Partnerschaft“.

Mann: Bitte tragen Sie es immer gut sichtbar.

Therapeut: Das geht zu weit, verlassen Sie sofort meine Praxis.

Mann: Aber Sie haben mir noch gar nicht geholfen!

Therapeut: Ihnen ist nicht zu helfen.

Mann: Aber ich habe Depressionen!

Therapeut: Das glaube ich gerne.

Mann: Und nun?

Therapeut: Bitte verlassen Sie meine Praxis.

Mann: Sie wollen also keinen Schwarzen behandeln?

Therapeut: Ich will Sie nicht behandeln.

Mann: Weil ich schwarz bin.

Therapeut: Weil Sie krank sind!

Mann: Alles klar, damit habe ich alles, was ich brauche.

Therapeut: Brauche, wofür?

Mann: Um Ihre Praxis dicht zu machen.

Therapeut: Sie haben das Gespräch aufgezeichnet?

Mann: Ja.

Therapeut: Um mich anzuzeigen?

Mann: Ja.

Therapeut: Wegen Rassismus?

Mann: Ja.

Therapeut: Warum?

Mann: Sie leben in einer gleichfarbigen Partnerschaft.

Therapeut: Aber Sie wissen schon, dass ich nicht der Einzige bin, der so lebt?

Mann: Es wird ein langer Weg.


© Benni


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Kommentare zu "Der Nazi"

Re: Der Nazi

Autor: Evia   Datum: 24.08.2015 8:59 Uhr

Kommentar: Interessanter Dialog mit vielen Möglichkeiten

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