Es ist schon spät als ich die Tür zu meiner Wohnung in London aufschließe. Meine Augenlider sind schwer wie Steine und von Mascara und Eyeliner verklebt. Am liebsten würde ich mich auf der Stelle am Boden zusammenrollen und schlafen. Schlafen und vergessen. Aber ich bin zumindest so diszipliniert, dass ich zuerst in mein Appartement stolpere. Die Tür schlägt mit einem Rums hinter mir zu und die stickige Luft in der Wohnung umhüllt mich. Als ich an dem Spiegel über der Kommode vorbei taumele wage ich es einen Blick auf mein Spiegelbild zu werfen. Es starrt mir genauso entgegen, wie ich es erwartet habe. Meine Augen sind rot und verquollen und vor allem müde. Das lange kastanienbraune Haar fällt wüst über meine Schultern, der Lippenstift ist verschmiert. So sehe ich also nach einem mehr oder weniger erfolgreichen Arbeitstag aus. Ich glaube, dass ich viel zu müde bin um mein Gesicht zu waschen und die Klamotten auszuziehen, aber wider Erwarten schaffe ich es doch. Nachdem das ganze Make-up aus meinem Gesicht verschwunden ist kommen meine übernächtigten Augen noch mehr zur Geltung. Wenn sie wenigstens nur übernächtigt wären, denke ich. Aber es ist zum heulen, und genau das habe ich auch nach der Arbeit getan. Ich fühle mich zu müde um noch etwas zu trinken, bevor ich in mein Bett falle, weshalb ich den Durst, der meine Kehle hinaufschleicht, ignoriere. Ich überquere den weichen Teppichboden bis ich direkt vor meinem Bett stehe. Ein Doppelbett. Es ist für Zwei bezogen und doch wird darin heute Nacht nur eine Person schlafen. Das Bett kommt mir mit einem Mal so fremd vor und ich fühle mich nicht geborgen, als ich mich in die warme Decke hülle. Obwohl ich so müde und fertig bin muss ich meine Augen gewaltsam zu kneifen. Jetzt auf einmal wollen mir die Lider nicht mehr zu fallen. Ich zwinge mich dazu sie geschlossen zu lassen und versuche mich zu entspannen. Aber egal wie sehr ich mich bemühe, immer wieder schleichen sich Bilder vor mein inneres Auge, die mich vom Schlafen abhalten. Als es zu unerträglich wird erlaube ich mir ganz kurz, nur ein paar Sekunden, meine Augen zu öffnen. Dann kneife ich sie wieder zu, in der Hoffnung nun endlich schlafen zu können. Sofort merke ich, dass es nichts gebracht hat. Die Bilder pirschen sich aus dem Hintergrund an und flackern dann plötzlich vor meinem inneren Auge auf. Ich spüre die Gänsehaut, die über meinen Rücken kriecht und sich über meinen ganzen Körper ausbreitet. Um nicht schon wieder in Tränen ausbrechen zu müssen presse ich meine Lippen fest aufeinander. Abwechselnd überkommen mich jetzt heiße und kalte Schauer. Vielleicht habe ich mir ja eine Grippe geholt, überlege ich, aber eigentlich weiß ich, dass das nicht von einer Grippe herrührt. Bald fühle ich mich in meinem Bett so unwohl, dass es sich so anfühlt, als wollte die Decke mich erwürgen. Sie verwandelt sich plötzlich in ein Nest aus Schlangen. Jede Schlange schlingt sich um meinen Hals, sodass kein Sauerstoff mehr in meine Lungen gelangt. Als ich schreien will, merke ich, dass ich meine Lippen noch immer fest aufeinander presse. Entsetzt reiße ich Augen und Mund gleichzeitig auf und ein panischer Schrei entfährt mir. Immerhin strömt jetzt wieder ganz deutlich Sauerstoff in meinen Körper. Ich stoße die fiese Decke hektisch von mir und setzte mich auf. Ein erleichterter Seufzer entfährt mir, als nichts von hinterlistigen Schlangen oder Visionen übrig ist. Mein Blick gleitet über das Bett, auf dem ich noch immer sitze. Die linke Hälfte ist unberührt, das Kopfkissen ist ordentlich aufgeschüttelt und die Decke liegt einladend zurück geschlagen. Das Dienstmädchen hat sich wie immer bemüht. Aber auch diese Tatsache kann nichts daran ändern, dass mir mein Bett heute Nacht fremd vorkommt. Es ist so kalt hier ohne ihn, denke ich und spüre den Schmerz, der sich von meinem Herz aus auszubreiten droht. Schnell schlucke ich den Kummer hinunter. Zumindest versuche ich es. Aber der Versuch ist ungefähr so erfolgreich, wie der, einer Kuh das Sprechen beizubringen. Hektisch wische ich mir über die Augen, als ich die verräterische Nässe darin spüre. „Nicht weinen, nicht weinen“, murmele ich immer wieder vor mich hin. „Er ist es nicht wert wenn er so mit mir umgeht.“ Plötzlich erscheint mir meine ganze Wohnung so fremd. Das Bett in dem wir zusammen geschlafen haben, was zählt es schon, wenn ich alleine darin liege? Das Sofa auf dem wir aneinander geschmiegt so viele Stunden verbracht haben, aber was nutzt es noch, wenn nur ich hier bin? Und dann erst der Spiegel, in dem wir unsere glücklichen Spiegelbilder gemustert hatten, was bedeutet er noch, wenn sich darin nur ein einzelner verletzter Mensch spiegelt? Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu sentimental, aber ich kann es nicht abstellen.
Ich wende meiner Wohnung den Rücken zu und stoße die Balkontür auf. Die Nacht und der Balkon erinnern mich daran, als wir uns vor ungefähr sechs Jahren kennen gelernt hatten. Wir waren beide auf der Suche nach einer Wohnung und ehe wir uns versahen, wohnten wir gemeinsam in der Wohnung eines Freundes. Eines Nachts kam die Polizei und wir unternahmen einen Fluchtversuch weil wir damals illegal in der Wohnung lebten. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie er nach meinem Handgelenk schnappte und mich eilig mit sich zog. Ehe ich mich versah standen wir mitten in der Nacht auf dem kleinen Balkon. Es war stockfinster und bis auf das stetig näher kommende Sirenengeheul der Polizei auch still. Er war sich sicher, dass die Polizei um die Ecke geparkt hatte und bereits auf dem Weg zu unserer Wohnung war, deshalb mussten wir fliehen. „Was jetzt?“, hatte ich ihn aufgebracht gefragt, als wir auf dem Balkon standen. Er hatte uns direkt in eine Falle geführt. „Wir springen“, antwortete er, als sei es das normalste der Welt. Ich weiß noch dass ich ausgeflippt bin und ihn angeschrien habe. „Bist du verrückt?!“ „Mach dir nicht in die Hose“, hatte er geantwortet und mit einem herablassenden Blick hinzugefügt: „Wenn du dich nicht traust, warte eben hier bis die Bullen da sind.“ „Gut ich springe“, verkündete ich und er half mir dabei auf die Balkonbrüstung zu klettern. „Hast du das schon mal gemacht?“, wollte ich wissen. „Wir sind im zweiten Stock, es ist nicht tief“, sagte er anstelle einer Antwort. Ich starrte hinunter, da hin, wo sich wahrscheinlich die Straße befand. Aber es war so dunkel, dass wir den Boden nicht sehen konnten. Ich wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war. „Los jetzt“, drängte er und wir zählten bis drei, dann sprangen wir. Ich verstauchte mir das Fußgelenk und konnte nicht mehr laufen aber wir mussten nicht lange auf der kalten dunklen Straße warten. Die Polizisten fanden uns schnell.

Auch jetzt starre ich über die Brüstung nach unten aber mein Appartement ist so hell erleuchtet, dass man locker bis auf den Boden sehen kann. Heute Nacht gibt es keinen Grund von dem Balkon zu springen. Ich nehme mir eine Zigarette und zünde sie an. Es wird schon Frühling, aber in der Londoner Luft ist davon noch nichts zu spüren. Es ist so kalt, dass sich kleine weiße Kringel beim Ausatmen bilden. In der Ferne ist sogar schon ein dunkelroter Streifen am Horizont zu sehen. Wäre es nicht so diesig, könnte man in einer halben Stunde von hier aus den Sonnenaufgang über der Tower Bridge sehen. Weil ich nicht wieder in meine leere Wohnung gehen will, setze ich mich auf einen der zwei Plastikstühle auf dem Balkon und starre in die noch immer düstere Ferne. Während ich untätig herumsitze schiebt sich eine Frage immer weiter in mein Bewusstsein. Es ist die Frage, die sich jeder stellt, wenn in seinem Leben etwas schief gegangen ist. Was habe ich falsch gemacht? Warum habe ich ihn verloren? Ich benötige Zeit um mir meines Verbrechens bewusst zu werden.Vielleicht ist es ein Verbrechen, ein Herz zu stehlen.
Ich weiß, ich habe mich heimlich bei ihm eingeschlichen, habe sein Herz erobert, bis er nicht mehr ohne mich leben konnte. Bis wir nicht mehr ohne einander leben konnten. Denn ich halte es auch nicht ohne ihn aus. Ich muss mir eingestehen, dass wir das echt toll hinbekommen haben. Wir sind voneinander abhängig wie Junkies von ihrem Stoff und zerstören uns gegenseitig. Darauf wird es hinauslaufen. Selbstzerstörung. Wir tun uns nicht gut. Das sagt jeder. Aber was haben uns schon die anderen interessiert? Zwei Liebende interessiert nichts außer der Liebe zueinander. Ich frage mich, wie unter diesen Umständen überhaupt noch Liebe existieren kann. Es ist schwer das zu verstehen.
Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen. Ihre Strahlen kämpfen sich hartnäckig über den leichten Nebel, der nun sogar die Tower Bridge umhüllt. Als die Sonne so stark blendet, dass Blinzeln an sich nicht mehr ausreicht, wende ich meinen Kopf von der offenen Seite des Balkons ab. Erst jetzt bemerke ich wie kalt mir in meinen dünnen Schlafsachen ist. Meine Hände sind dunkelblau und steif. Ich entschließe mich dazu, aufzustehen und ins Warme zu gehen.
Nach einer schlaflosen Nacht glaube ich schlafe ich jetzt endlich ein paar Stunden. Als ich meine Augen wieder aufschlage fühle ich mich aber trotzdem nicht sehr ausgeruht. Daran schuld sind vor allem die wirren Alpträume, die mich den ganzen Schlaf über nicht loslassen wollen. Ein Blick in den Spiegel bestätigt auch meine Befürchtungen. Ich weiß, dass es so nicht weiter gehen kann. Dieses ganze Drama lenkt mich nur von meinem Job ab. Deshalb muss ich zu ihm. Ich muss mit ihm reden. Auf der Stelle. Ich spüre schon wie sich mein Herz nur bei dem Gedanken daran, Maz gegenüber zu treten, schmerzhaft zusammenzieht. Aber es muss sein. Ich hole tief Luft und beginne damit mein Aussehen einigermaßen wieder herzustellen. Wenn ich Maz glauben soll, dann bin ich der schönste Mensch auf der Erde, sogar ohne das ganze Make-up, das zu mir gehört wie meine Haut. Ich wünsche mir, sagen zu können, dass es nichts bedeutet, was Maz sagt, aber natürlich stimmt das nicht. Im Gegenteil, was er sagt, zählt sogar mindestens doppelt. Deshalb kann er mich auch so leicht verletzen. Der Gedanke an die Macht, die er über mich hat, macht mich wütend. Ja ja ich liebe ihn, aber da gibt es auch noch andere Dinge, die ich auch liebe. Meine Liebe ist nicht so bedingungslos wie seine. Ich kann das einfach nicht so wie er. Ich kann nicht verstehen, warum er meine Liebe nicht so akzeptieren kann, wie sie ist. Ein winzig kleiner Teil in mir hofft, dass ein Gespräch mit Maz alles wieder richten wird. Immerhin ist das hier nicht unser erster Streit. Seit den letzten fünf Jahren verbringen wir jedes halbe Jahr zerstritten. Vielleicht haben die anderen Leute ja recht, wenn sie sagen, dass wir uns nicht gut tun. Besser gesagt, wenn sie sagen, dass Maz mir nicht gut tut und sie mir dazu raten die Beziehung zu ihm einfach abzubrechen. Ich weiß nicht so recht ob ich das jemals kann. Zu Beginn unserer Freundschaft war er zumindest noch wirklich von mir abhängig. Ich hatte einen Job, mehr oder weniger erfolgreich anfangs, aber mittlerweile läuft es doch wirklich gut für mich. Nach Anlaufschwierigkeiten unserer Freundschaft hatte ich ihn so lieb gewonnen, dass ich ihm Geld lieh, damit er sich etwas Brauchbares aufbauen konnte. Heute ist er finanziell gesehen weiß Gott nicht mehr abhängig von mir. Auch er scheint es geschafft zu haben, wie ich und ist erfolgreich. Während ich mir einen schweren bunten Mantel überwerfe überlege ich, ob ich das Stück bis zu seiner Wohnung laufen soll oder ob ich fahre. Spontan schnappe ich mir den Autoschlüssel und verlasse meinen Wohnung.

Die Luft vor der Tür ist noch immer frisch, aber die sanften Sonnenstrahlen haben sie etwas erwärmt. Ich schlendere zu meinem Wagen und muss feststellen, dass er von einem schwarzen und einem weißen Ford eingeparkt ist. Seufzend lasse ich den Schlüssel in meine Manteltasche fallen, setze eine dunkle Sonnenbrille auf und mache mich zu Fuß auf den Weg zu Maz' Wohnung. Ich kenne den Weg im Schlaf und verschwende wenige Blicke für meine Umgebung. Mir kommt es so vor als kenne ich ganz London auswendig, dabei ist die Stadt so groß, dass ich unmöglich schon überall gewesen sein kann. Oder? Durch meinen Job komme ich nicht gerade wenig herum.
Ehe ich mich versehe gelange ich fast schlafwandlerisch vor Maz' Wohnung an. Ein merkwürdiges Ziehen macht sich in meinem Bauch breit und ich bin mir nicht mehr so sicher, ob ich ihm wirklich gegenüber treten will. „Warum denn nicht?“, frage ich mich selbst. Was habe ich denn noch zu verlieren? Aber ich muss gar nicht lange darüber nachdenken, was diese Angst in mir hervorruft. Ich habe Angst vor dem, was Maz zu mir sagen wird. Ich will nicht, dass er mir Worte an den Kopf wirft, die statt an mir abzuprallen, wie normal üblich, sich direkt in mein Herz bohren und einen Schmerz hervorrufen, der mir Tränen in die Augen treibt. Aber jetzt bin ich schon hier. Ich will mir ja nicht umsonst die Hände abgefroren haben, also strecke ich meinen Zeigefinger nach der Klingel aus. Maz wohnt wie ich in einem Appartement. Eine Wohnung, die gut für zwei Personen reichen würde. Aber außer wenn ich bei ihm bin lebt er wohl alleine. Ich streiche sanft mit dem Finger über die Klingel, ohne sie zu betätigen. Noch immer hindern Zweifel und Angst mich daran ihm gegenüber zu treten. Als mir bewusst wird, dass er mich vielleicht schon aus einem Fenster beobachtet, gebe ich mir einen Ruck und drücke mit zitterndem Finger die Klingel. Sofort zieht sich mein Magen zusammen und mir wird übel. „Bitte mach dass er nicht da ist, lass ihn einfach nicht da sein“, flüstere ich vor mich hin, während ich gebannt auf die Tür starre. Die Spannung zerreißt mich fast. Ich spüre wie mir in meinem Wintermantel unbeschreiblich heiß wird. Ich bin mir sicher, dass mein Gesicht jetzt wie eine Speckschwarte glänzt. Na toll. Doch ich bin unfähig mich zu bewegen und mir mit dem Ärmel über die Stirn zu wischen. Es kommt mir vor als stünde ich bereits eine Ewigkeit vor der geschlossenen Tür. Eigentlich könnte ich mich jetzt einfach umdrehen und gehen, aber eine Art Enttäuschung hindert mich am Gehen, sodass ich reglos mit hängenden Schultern vor der Tür stehen bleibe. Ich muss lächerlich aussehen und ich hoffe inständig, dass mich so niemand sieht. Als sich plötzlich die Tür öffnet, bin ich heillos überfordert. Maz' hübsches Gesicht befindet sich direkt meinem gegenüber. Zuerst sieht er mich einfach nur an, dann gewinnt Erstaunen die Überhand in seinem Ausdruck. „Du?“, ist alles was er im ersten Moment sagen kann. Er ist mindestens genauso überrascht wie ich. Eigentlich wäre ich dadurch im Vorteil gewesen, aber so verschlägt mir seine Schönheit noch immer die Stimme. Ich komme mir vor wie ein Teenager, der sich endlich durchgerungen hat seinen Schwarm anzusprechen. Wäre ich etwas aufmerksamer gewesen hätte ich bestimmt die Schritte hinter Tür bemerkt und gewusst, dass er doch zuhause ist. Inzwischen wirkt Maz nicht mehr überrascht, wahrscheinlich ist er sich seiner Überlegenheit bereits bewusst. Er sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen abwartend an. Natürlich hilft er mir nicht, indem er mir eine Vorlage gibt. Wir spielen nach den Regeln 'Du bist gekommen, dann musst du auch den Anfang machen'. Es ärgert mich, dass ich mir nicht vorher darüber Gedanken gemacht habe. Ich habe überhaupt nicht nachgedacht, bevor ich hierher gekommen bin. Unsicher starre ich den Boden unter mir an. Die Treppe sieht aus wie geleckt. Maz scharrt eine ganze Truppe Dienstmädchen und Haushälterinnen um sich, die dafür sorgen, dass sein Appartement niemals dreckig ist. Mir fällt noch immer nichts ein, was ich sagen könnte. Ich weiß dass es langsam lächerlich wird und ich bin mir sicher, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Maz mir einfach die Tür wieder vor der Nase zuknallt. Dann hätte ich meine Chance vertan. Ohne es wirklich zu wollen beginne ich mit meinen Händen an meinem Mantel herum zu fummeln. Ich weiß einfach nicht weiter. Vielleicht wäre es sogar das Beste, wenn er die Tür jetzt zu knallen würde oder ich ohne ein Wort davon laufen würde. Sicher würde es uns jede Menge Peinlichkeiten und verletzte Gefühle ersparen. Aber ich war noch nie besonders vernünftig, sonst hätte ich es niemals riskiert von der Schule zu fliegen und darauf gesetzt ohne Ausbildung einen gescheiten Job zu finden. Gut, ob mein Job wirklich gescheit ist, darüber lässt sich auch noch streiten. Aus der Sicht meiner Eltern garantiert nicht, aber es gibt genug Menschen, die sich ihre Finger danach lecken mit mir zu tauschen. Ich finde das soll was heißen. Jetzt dauert es einen Moment, bis ich begreife, dass Maz mit mir redet. Seine Stimme dringt irgendwie bis zu mir hindurch aber wirklich verstehen was er sagt, tue ich nicht. Ich bin nicht darauf vorbereitet, dass er die Initiative ergreift. Er muss wohl etwas wie 'Komm doch erst mal rein' oder so gesagt haben. Als er nach meiner Hand greift hebe ich überrascht den Kopf. „Du hast ja schon ganz kalte Hände“, sagt er und seine Stimme ist so sanft, klingt so vertraut, dass ich mich am liebsten einfach in seine Umarmung stürzen würde um all das Schlimme, das zwischen uns steht ganz weit weg zu schieben. Aber so einfach ist das zwischen uns nicht. Ich weiß, dass er mir jetzt nie eine Umarmung schenken würde. Ich widerstehe dem Drang und folge ihm wie in Trance in seine Wohnung, die ich mindestens so gut kenne wie meine eigene. Ein Schauer überkommt mich, wenn ich daran denke wie es war hier in diesem Bett neben ihm aufzuwachen. In seinen starken Armen, in denen man sich einfach geborgen fühlen muss und ich frage mich, ob ich die Gelegenheit dazu noch einmal bekommen werde.

Ich sitze auf Maz' rotem weichen Sofa und starre verlegen in den Raum. Es ist wirklich selten dass ich verlegen bin. Normalerweise verhält es sich so, dass ich die anderen einschüchtere, aber mit Maz ist es immer etwas Besonderes. Wahrscheinlich ist der Hauptgrund dafür, dass ich jetzt so verlegen bin der, dass Maz dicht neben mir sitzt und meine kalten Hände aufzuwärmen versucht. Den Mantel hat er mir abgenommen, ich sehe ihn um die Ecke auf dem Bett liegen. Ich bin mir nicht sicher, was jetzt als nächstes geschehen soll. Dass Maz neben mir sitzt und meine Hände streichelt, habe ich nicht in meinen Plan einkalkuliert. Aber ist überhaupt noch etwas von meinem Plan übrig oder ist der inzwischen komplett hinfällig geworden? Bisher ist heute noch nichts nach Plan gelaufen. Ich beschränke mich zunächst darauf, Maz' Nähe zu genießen. Immerhin ist es das, wonach ich mich gesehnt habe. Mir kommt der verrückte Gedanke, dass Maz vielleicht gar nicht mehr wütend auf mich ist oder ich mir diesen ganzen verfluchten Streit nur eingebildet habe. Warum sonst sollte er plötzlich diesen Anflug von Zuneigung zu mir zeigen? Weil ich glaube, dass ich so oder so nichts mehr zu verlieren habe, beschließe ich die Sache genauso zu überspielen, wie er es tut. Ich drehe meinen Kopf, sodass ich ihm direkt in die großen braunen Augen sehe. Meine Hände liegen noch immer in den Seinen. „Ich habe dich vermisst“, murmele ich vorsichtig in seine Richtung. Ich bemühe mich seine Mimik wachsam zu beobachten aber ich kann keine Regung in seinem Gesicht feststellen. Anstatt mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob das gut oder schlecht ist werde ich mutig und entziehe meine rechte Hand seinem Griff. Ich strecke sie nach ihm aus und positioniere sie sanft auf seiner Wange. Seine Haut ist glatt und weich aber er gibt mir nicht viel Zeit die Wonne zu genießen, die mich dabei überkommt. Ehe ich mich versehe wendet er seinen Kopf von mir ab und meine Hand fällt in meinen Schoß. Es ist also doch nichts vergessen. Enttäuschung übermannt mich. „Maz“, sage ich mit sanfter Stimme und sehe wie er den Kopf schüttelt. „Warum können wir das ganze nicht einfach vergessen und von vorne anfangen?“ Ich weiß gar nicht warum ich ihm den Vorschlag überhaupt mache, wo ich doch genau weiß, dass er niemals darauf eingehen würde. Maz kann nicht vergessen. „Ich dachte du bist hier damit wir reden können“, sagt er aber seine Stimme klingt nicht wie die, die ich von Maz gewohnt bin. Er hat meine linke Hand loslassen. Ich verschränke beide Hände unschlüssig. „Bin ich auch.“
„Gut.“ Jetzt sieht er mich wieder an mit seinen großen braunen Augen und seinem perfekten Gesicht. Wenn es ihn gibt, wie kann ich dann der schönste Mensch auf der Erde sein? Ich möchte ihm das sagen aber nicht jetzt. Jetzt ist nicht der richtige Augenblick dafür. „Fang an. Was willst du mir sagen?“
Ich bin ratlos. Das sieht man ganz bestimmt in meinem Blick, vor allem wenn man mich so gut kennt wie Maz. Es ist dumm ihn anzulügen, deshalb entschließe ich mich dazu ihm die Wahrheit zu sagen. „Nichts. Jedenfalls nichts, was du hören willst.“
„Warum bist du dann gekommen?“ Da. Genau das hasse ich an ihm. Diese herablassende Art wenn er weiß, dass er überlegen ist. Überhaupt seine Art immer genau das zu sagen, was er denkt. Maz denkt gar nicht daran, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn seine Kommentare andere möglicherweise verletzen könnten. Er kann ein richtiges Monster sein. Und trotzdem liebe ich ihn? „Ich hab keine Lust den ganzen Tag mit dir auf dem Sofa zu sitzen. Ich habe besseres zu tun. Du solltest lieber wieder nachhause gehen.“ Ich schlucke schwer. Er spielt nicht fair, aber das tut er nie. Jedes seiner Worte kann er als Waffe gegen mich verwenden und was habe ich um mich zu verteidigen? „Warte Maz. Auch wenn ich dir nicht das sagen kann, was du hören willst, will ich dir trotzdem etwas sagen.“ Ich warte auf seine Reaktion, er zeigt mir keine. Ich versuche mich dadurch nicht beeindrucken zu lassen. „Du weißt, dass ich dich liebe. Über alles liebe.“
„Würdest du mich über alles lieben, dann würdest du unsere Liebe nicht einschränken. Denk drüber nach.“ Ich seufze leicht. „Aber ich liebe dich doch trotzdem! Vielleicht nicht so wie du erwartest aber das kann ich nicht. Ich kann nicht alles liegen lassen nur für dich!“ Meine Stimme klingt viel zu verzweifelt. „Ich weiß was das bedeutet. Wir können uns ruhig eingestehen, dass es da noch jemanden gibt, den du liebst.“ Es kommt mir so vor, als wolle er mich mit seinen Augen durchbohren. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mir das bereits eingestanden. Dass Maz nicht der einzige Mann ist, den ich liebe. Ich weiß nicht ob das so offensichtlich ist, dass Maz es auch weiß. Wahrscheinlich. „Ja“, sage ich leise. Er erwidert nichts. Vielleicht weil ich ihn damit, dass ich es ohne Umschweife zugegeben habe, wirklich verletzt habe, aber eher glaube ich, dass er die Dramatik braucht. „Aber ich liebe dich trotzdem, wirklich.“
Er zuckt die Achseln. „Ich will entweder eine richtige Beziehung oder gar nichts und wenn du mich nicht genug liebst um diesen anderen Kerl in den Wind zu jagen, dann war's das.“ Seine Stimme ist so kalt, dass ich unwillkürlich eine Gänsehaut bekomme. „Es ist doch eine Beziehung!“, protestiere ich mit der letzten Kraft, die ich noch zusammen bekomme.
„Es ist eine dämliche Affäre aber ich bin nicht der dumme Junge mit dem du das machen kannst.“ „Es ist doch völlig egal was es ist so lange wir zusammen sind!“
„Für dich vielleicht.“
„Für jeden normalen Menschen.“
„Warum hast du dann nicht mit John diese Affäre und bist mit mir zusammen, wenn es für jeden außer mich okay wäre?“ Ich schweige und sehe ihn an. Ja, warum? Weil ich John mehr liebe als Maz? Das möchte ich eigentlich nicht glauben aber welche Rolle spielt das noch, wenn Maz es glaubt? „Weißt du, es ist schon okay. John ist bestimmt ein netter Kerl“, sagt er. Ich weiß nicht warum er das überhaupt sagt, denn dass es gelogen ist wissen wir beide.
„Du bist doch nur eifersüchtig.“
„Ja bin ich.“ „Können wir uns nicht irgendwie arrangieren?“, frage ich ihn. Ich bin viel zu müde um mit ihm zu streiten.
„Wie denn?“
„Du könntest etwas weniger stur sein und ich mehr Zeit mit dir verbringen?“ Die Enttäuschung die seinen Ausdruck nun beherrscht erschreckt mich. Ich finde nicht viel was er an meinem Vorschlag kritisieren könnte. „Damit denkst du ist die Sache für mich okay?“, will er langsam wissen. Etwas unbeholfen ziehe ich die Schultern in die Höhe. „Nein“, sagt er.
Ich will nicht lügen, dass er nicht einmal auf meinen Vorschlag eingeht ist ein Rückschlag, aber trotzdem will ich noch nicht aufgeben. „Dann mach du einen Vorschlag“, sage ich. Er tut nicht einmal so als würde er nachdenken. „Ich hab dir bereits einen gemacht. Das ist die einzige Möglichkeit die ich sehe.“
„Wenn du mich wirklich liebst würdest du nicht so ein Theater machen.“
„Wenn du mich wirklich liebst hättest du mich schon längst ernst genommen.“ Ich blase meine Backen auf und überlege was ich darauf schlagfertiges erwidern kann aber wie so oft kann ich einfach nicht denken wenn Maz in meiner Nähe ist. Es ist zum verrückt werden. Statt etwas zu erwidern spüre ich wie sich Verzweiflung in mir breit macht. Ich fühle mich als könnte ich nichts mehr sagen, nie wieder. Denn die Verzweiflung kriecht in meine Brust und schleicht sich dann meinen Hals hinauf, bis kein Wort mehr in meinen Mund dringen kann. Ich würde Maz gerne so viel sagen, nur leider habe ich nichts, was ich ihm sagen kann. Ob er mir wirklich so weh tun will, dass ich vor ihm in Tränen ausbreche, ich weiß es nicht.
„Ich glaube du solltest gehen.“
„Bitte, Maz, gib mir noch eine Chance! Gib uns noch eine Chance, du liebst mich doch!“ Meine Stimme zittert, es klingt als würde ich jeden Moment los heulen.
„Ich kann nicht. Ich will nicht so weiter machen. Ich liebe dich aber langsam reicht meine Liebe nicht mehr für uns beide. Es fühlt sich nicht so an als ob du mich wirklich willst.“ Maz' Worte treffen mich mit voller Wucht. „Natürlich will ich dich!“, protestiere ich. Habe ich ihm das nicht alleine heute schon unzählige Male gesagt? Kann nicht verstehen warum er mir das antut. „Sag ich doch die ganze Zeit!“
„Ich kann es dir aber nicht glauben.“
„Maz!“
„Tut mir leid.“ Das kann ich ihm leider nicht glauben. Er wirkt auch gar nicht so, als würde es ihm leid tun. Und wenn doch, dann sollte ich mich fragen, wieso er mir das hier antut. „Versuch wenigstens mich zu verstehen“, presse ich aus mir heraus. Er legt seinen Kopf schief und mustert mich wirklich erwartungsvoll. „Du zweifelst an meiner Liebe aber um ehrlich zu sein geht es mir nicht anders. Weißt du, du küsst mich und sagst mir wie sehr du mich liebst und im nächsten Moment höre ich Dinge von dir, die mich innerlich zereißen. Und ich kann nicht verstehen wieso du mir das antust.“ Ich halte inne und warte aber Maz sieht so aus als erwarte er noch mehr. Tatsächlich ist da noch mehr. „Liebe macht blind. Ich hab mich nie vorher gefragt wieso du das machst, ich bin abhängig von dir und so lange du mich geliebt hast habe ich nichts von dem was du tust hinterfragt.“
„Du denkst mir geht es anders?“ „Ich weiß nicht“, sage ich vage. Ich weiß es wirklich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen dass ich ihn genauso behandele wie er mich.
„Wenn es dir so geht wie mir, dann verstehe ich nicht, wieso wir nicht endlich ernsthaft unsere Beziehung in Augenschein nehmen. Es ist doch klar dass es so nicht weiter geht.“ Ich schaffe es zu nicken. „Ich liebe dich immer noch so wie zu Beginn unserer Beziehung. Komm wieder zu mir, damit wir für immer zusammen sein können. Bitte.“ Ich würde gerne noch ein 'Ich vermisse dich' hinzufügen, aber der Gedanke an die Reaktionen der anderen Menschen, hätten sie meine Worte eben gehört, beansprucht meine Aufmerksamkeit voll und ganz. Ich weiß ja, dass alle, denen an mir liegt, mir von der Beziehung zu Maz abraten würden. Hätten sie meine Worte eben gehört, dann hätten sie mich kopfschüttelnd angesehen und wild auf mich eingeredet, dass das ein Schritt zu weit sei. Für immer. Wie dämlich es für sie klingen müsste. Vielleicht fänden sie eine Freundschaft zwischen uns noch gerade in Ordnung, mehr aber auch nicht. Ich streiche die unzähligen Stimmen aus meinem Kopf. Gute Ratschläge nutzen mir nicht, wenn ich weiß, dass ich es niemals ohne Maz aushalten würde. Ich richte meine Aufmerksamkeit auf ihn. Zuerst denke ich, dass meine Worte endlich so gewirkt haben, wie ich es beabsichtige.
„Wie gesagt, ich will eine richtige Lösung. Du kannst mich tausendmal bitten dich zu küssen, so lange John zwischen uns steht, werde ich es nicht tun.“ Und wieder schmilzt meine Hoffnung dahin wie Eis in der Sonne. „Aber wieso denn nicht? Du willst es doch auch! Ich schwöre dir, ich liebe dich!“ Ich flehe ihn an. „Diese ganzen Sachen kommen zu spät. Du kannst nichts Zerbrochenes auf ewig mit Kleber zusammen halten. Irgendwann geht es wieder kaputt.“ Wie kann er unsere Beziehung mit etwas Zerbrochenem vergleichen? Ist sie wirklich schon so kaputt? Wie kann es sein, dass mir das erst jetzt klar wird? Hätte ich noch etwas retten können, wenn ich ihm all das früher gesagt hätte? Oder übertreibt er nur, um mich wieder zu verletzen? Verzweifelt fahre ich mir mit einer Hand durchs Haar. Ich würde es wirklich bereuen, wenn ich Maz für immer verlieren würde. „Vielleicht habe ich wirklich zu wenig gesagt“, gebe ich zu, „Vielleicht hätte ich dir das alles schon viel früher sagen sollen. Aber wenn es jetzt wirklich zu spät ist, ich würde es bis in alle Ewigkeit bedauern dich zu verlieren. Kein Wort kann das mehr in Ordnung bringen was ich versäumt hab Maz, das weiß ich. Aber bitte, ich brauche dich, du musst mir doch die Tränen wegwischen.“ Ich finde ich klinge so bemitleidenswert, dass man kaum widerstehen kann, mich in den Arm zu nehmen und leise zu zuflüstern, dass alles wieder gut wird. Ich habe wirklich keine Ahnung wie Maz es schafft mir zu widerstehen. „Du wiederholst dich. Das ist es aber nicht was ich hören will. Wenn du John nicht gehen lassen kannst, dann musst du mich gehen lassen. Du musst dich entscheiden.“ Es klingt so nüchtern und wenn Maz es einfach so daher sagt auch leicht. Aber sobald ich darüber nachdenke und mich frage, wen der beiden ich eher entbehren kann, dann wird mir wieder klar, dass es unmöglich ist, mich zu entscheiden. „Das sagst du. Ich muss mich entscheiden. Woher willst du wissen ob es stimmt? Glaub mir, du hast keine Ahnung.“
„Ich kann nur für mich sprechen. Und ich weiß, dass ich dich nicht mit einem anderen Mann teilen kann. Akzeptiere es oder lass es und werde mit John glücklich, wenn du das kannst.“ Manchmal frage ich mich wirklich warum Maz so stur sein muss. Warum kann er nicht versuchen mich zu verstehen? Ich suche in seinen Augen nach einem Funken, einem Schimmer, der mir verrät, dass ich noch eine Chance habe, doch meine Blicke finden nichts als Kälte darin. Ich spüre wie sich mein Herz zusammenzieht. Ich muss heftig blinzeln um die drohenden Tränen zu vertreiben. „Wenn du das so siehst, dann liebst du grundlos.“ Ich bin mir nicht sicher, wie ich es schaffe überhaupt noch zu reden, denn mein Hals fühlt sich trocken und kratzig an. Auch wenn ich schlucke hilft das nicht und langsam bekomme ich Angst, dass ich als nächstes keine Luft mehr bekommen könnte. Aber ich atme immer weiter. Ich würde gerne wissen, was gerade in Maz' Kopf vorgeht aber ich kann es mir nicht vorstellen. Langsam gewöhne ich mich an meinen rauen, trockenen Hals und das heftige Blinzeln gegen Tränen. Müdigkeit und Erschöpfung übermannen mich. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe Maz wieder zu bekommen. In Gedanken bereite ich mich darauf vor, ihn gehen zu lassen. Ich sage mir immer wieder, dass ich ja noch John habe, doch ich sehe keinen Trost darin. Ich zwinge mich nachzudenken. Maz erhebt sich langsam von dem Sofa. Ich glaube seine Geduld mit mir ist am Ende. Vielleicht habe ich nur noch diesen einen letzten Versuch. „Maz, ich verstehe nicht was du von mir willst“, sage ich um seine Aufmerksamkeit wieder zu bekommen. Er sieht mich an oder durch mich hindurch, ich bin mir nicht sicher. „Aber wenn es Liebe ist, die du willst, dann nimm sie dir.“ Als Maz lacht glaube ich erst, dass er mir jetzt wirklich verzeiht und dass er sich mit unserer Situation arrangieren wird. Zu spät fällt mir auf, dass es gar kein echtes Lachen ist. Es ist bloß gekünstelt, ironisch gemeint. Obwohl es nur ein dummes Lachen ist verletzt er mich auch damit. „Ich bin mir wirklich nicht mehr sicher ob du es einfach nicht verstehst oder ob du es nicht verstehen willst. So lange da noch John ist wird nichts mehr zwischen uns sein. Da du ihn sowieso mehr zu lieben scheinst als mich, weil es ja unproblematischer zu sein scheint mich gehen zu lassen als ihn, wird es kein großer Verlust für dich sein“, erklärt Maz mir. „Ich muss noch etwas erledigen.“ Er läuft durch seine Wohnung zur Tür. Schweren Herzens erhebe ich mich von dem Sofa und gehe ihm hinterher.

Er hat die Tür schon geöffnet, sodass kühle Abendluft hinein strömt. Die Luft scheint meine Sinne zu sortieren. Mit einem tiefen Atemzug fange ich mich. Mein Hals fühlt sich nicht mehr so kratzig an und ich kann Maz sogar in die Augen sehen. „Es ist nicht alles so wie es für dich aussieht, Maz, aber scheinbar ist das hier trotzdem vorbei.“ Ein aller letztes Mal keimt Hoffnung in mir auf. Ich warte seine Reaktion gespannt ab. Alles was Maz tut, ist nicken. Er trifft mich damit seltsamerweise so unvorbereitet, dass die ganze Verzweiflung erneut in mir aufkeimt. Vielleicht habe ich bis eben doch nicht wirklich daran geglaubt, dass es aus ist. „Du bist wunderschön“, höre ich ihn leise sagen. Mein Kopf fliegt in die Höhe, ich starre ihn mit Tränen in den Augen an. Wie kann er das jetzt sagen? Ich erkenne keinerlei Bedauern in seinem Blick. Ich sehe ihm flehend in die schönen braunen Augen. „Willst du mir das wirklich antun? Willst du mich wirklich so verletzen, dass ich deinetwegen weine?“ Meine Stimme ist nur ein schwaches Zittern. Kann sein dass er mich gar nicht richtig verstanden hat. Dass er das nur für Schluchzen gehalten hat, denn ohne ein weiteres Wort und ohne einen weiteren Blick schließt er die Tür. Ich mache mir nicht die Mühe wild mit den Fäusten dagegen zu hämmern. Ich akzeptiere seine Entscheidung. Irgendwie werde ich schon damit leben können.
Blind vor Tränen stolpere ich die Treppe hinab und fliehe in Londons Straßen. Obwohl die Sonne bereits untergegangen ist setzte ich die Sonnenbrille auf. Ich weiß nicht wo ich jetzt hin soll.


© GirlLulu


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