Ich möchte dich entführen, an einen Ort der Reinheit, in der du die Realität ablegen kannst, und das sein wirst, was du wirklich bist. Mit diesem Satz, gewann ich sie mir zu folgen. Wir hatten es beide nicht leicht. Zuhause zurechtzukommen, ist immer noch etwas ganz anderes, als in der Klinik. Umgeben mit den alltäglichen Problemen, übernahm schnell die Krankheit wieder einen Teil des Lebens, so sehr man auch versuchte dagegen anzukämpfen. Wir hielten noch lange Kontakt auch nach der Klinik doch in den letzten zwei Wochen, hatte sich für uns beide sehr viel verändert. Jeder von uns kam an den Punkt, an dem wir uns unserer Krankheit geschlagen geben mussten. Wir konnten uns nicht selbst rausholen aus diesem Tiefpunkt, auch der jeweils andere konnte nicht helfen. So begannen wir zurückzukehren in alte Gewohnheiten, Gewohnheiten, mit denen wir schon lange abgeschlossen hatten, bzw. haben wollten. Jeder musste sich eingestehen, dass er noch lange nicht dort angekommen ist, wo er hin wollte. Gerade ich, der anderen immer geantwortet hatte, meine Stärke kommt nicht vom Gewichte heben, sondern davon mich in meinen schlimmsten Momenten immer wieder aufzurappeln, traf das sehr hart. Rückblickend war ich so stark die letzten Monate. Vielleicht sogar viel zu stark, im Kampf mit der Krankheit, im Kampf mit dem Alltag, mit der Liebe. Doch während andere Menschen weinen, weil sie zu stark sein mussten, begann ich es wieder in mir aufzuschichten, um meiner Krankheit Nährboden zu geben, damit sie jetzt wieder ausbricht. Ich versuchte für Sie da zu sein, genauso wie sie für mich da war. Doch hatte keiner für den anderen eine Lösung. Wir waren an einem Punkt angelangt, wo es nicht mehr einfach nur einer Lösung bedurfte. Sondern einen Paradigmenwechsel. Die Möglichkeit, seine Anschauung zu verändern, und noch einmal von vorn zu starten, genau das brauchten wir. Mit genau dieser Überlegung, und die meditative Grundstimmung von mir, überkam es mich und so schrieb ich ihr, Ich möchte dich entführen. Daraufhin war sie erstmal geschockt, da sie nicht wusste, was ich meinte. “Ich möchte dich entführen, an einen Ort der Reinheit, in der du die Realität ablegen kannst, und das sein wirst, was du wirklich bist. Einen Ort, weit weit weg vom hier und jetzt, weg von den Geistern die uns verfolgen, weg von der Krankheit. Bitte, begleite mich, auf dem Weg meiner Reise, dorthin wo ich wieder träumen kann.” Sie brauchte gar nicht zu überlegen, postwendend kam ein, “Ja, ich geh mit dir, dorthin wo wir den unmöglichen Traum träumen und zu leben beginnen können.” Somit begannen wir die Reise zu planen, merkten aber das wir gar nichts zu planen hatten. Wir buchten einfach den Flug, und flogen weg, ohne das unsere Freunde und Bekannte wussten, das wir überhaupt weg sind. Dementsprechend kamen wir auch ohne Plan in Indoniesien an. Nur mit unseren Englischkenntnissen, schlugen wir uns aber durch, bis wir im Bus dorthin saßen, wo wir hin wollten, um uns selbst wieder zu begegnen. Borobudur. Ein buddhistischer Tempel, der die drei Ebenen der Welt darstellt. Wir wollten Leben wie die Mönche vor hunderten von Jahren schon hier lebten, am Fuße des Tempels in einem kleinen Zelt, umgeben von Mönchen, Echsen und Skorpionen. Nachdem wir angekommen waren, erstaunte uns die Architektur zuerst. Ein Tempel, aufgebaut wie eine Pyramide, mit 9 einzelnen immer kleiner werdenden Etagen, die in einen Turm an der Spitze gipfelten. Selbst von hier unten sah man gewaltige Doppeltore. Die gewaltigen Doppeltore von Nirwikala. Nachdem man diese Tore passiert habe, soll man seine materielle Gestalt komplett zurückgelassen haben und nur noch der vollkommene reine Geist sein. Ähnlich wie wir, erkannten auch die Touristen, dieses imposante Bauwerk, doch waren sie einfach nur gekommen, um diesem imposanten Bauwerk, Tribut zu zollen. Während wir mit Hilfe der Gegenwärtigkeit der 3 Welten versuchen wollten, uns selbst zu erfahren, und die Ängste und die Krankheit zurücklassen wollten. In der einfachen menschlichen Welt. Während wir unser Zelt aufbauten, begegneten uns einige Mönche sehr wohlwollend, sie merkten das wir keine Buddhisten waren, aber auf der Suche nach der Erleuchtung hierher gekommen waren. Das erfreute sie, denn jeder ist auf seiner Suche willkommen hier. Nachdem wir fertig mit dem Aufbauen des Zeltes waren, und uns mit Wasser, Holz und Lebensmitteln versorgt hatten, bekamen wir Besuch. Der Mönch Wang Erge kam um uns willkommen zu heißen. Er bemerkte sofort, das wir bedrückt waren, von den Problemen, die wir in Europa zurückgelassen hatten. Er nahm sich unser an, studierte und meditierte Tage und Nächte lang mit uns. Wir gingen einen Schritt nach dem anderen. Diesmal wollten wir uns nicht von irgendetwas überfallen lassen. Von Tag zu Tag gelang es uns, uns besser von dem Alltäglichen Problemen zu lösen. Wir begannen uns auch langsam von unseren alten Problemen zu lösen. Immer mit dem großen Traum im Hintergrund, sich von der Krankheit zu lösen. Wang erkannte das wir soweit waren. Er bat uns ihm zufolgen, und so beschritten wir den Weg, hinauf durch Kamadhatu, die unterste, menschliche, die Sinnenwelt. Bis wir ankamen an Rupadhatu, der Übergangswelt, dort wo man sich von sich und allem Weltlichen lösen sollte. Er führte uns an die Südseite des Tempels, dieser war nicht für die Öffentlichkeit freigegeben, und meinte, wir sollten von nun an hier unser Zelt aufschlagen. Die Feinkörperliche Welt, das Rupadhatu, ist von nun an der Platz an den wir gehören. Von nun an lag es wieder an uns. Wang würde erst wieder auf uns treffen, wenn wir unsere Zelte abbauen würden, um zurückzukehren nach Europa. Doch hinterließ er uns zwei Gedanken, mit denen wir arbeiten sollten. “Ich wünsche euch eine Melodie die eure Herzen berührt, die euch in ein Traumland entführt, dass ihr alle Sorgen vergesst, und in diesem Moment glücklich seit.” Und. “Durch Träume könnt ihr eine Welt betreten, die nur euch gehört. Denn wenn ihr träumt, dann rettet ihr die Welt.” Er verließ uns, im Wissen, das den Weg den wir bis jetzt schon beschritten hatten, kein leichter war und noch ein schwieriger Weg vor uns lag. Wir besinnten uns darauf, zu meditieren. Wir träumten, von der Zukunft, von einem Leben ohne der Krankheit. Von einem Leben in Freiheit! Immer mehr begannen wir uns, von uns selbst zu verabschieden. Zum Schluss, blieben nur die drei in unserem Zelt. Die Krankheit und wir. Während wir die Krankheit versuchten abzulegen, sprach uns Wen Yisao an. Er wollte erfahren, wo wir standen, wie Wang war er ein Helfer. Ein Mönch, extra dafür da um Hilfe zu geben, und dich dann in die nächste Ebene zu begleiten, wenn du soweit sein solltest. Er überzeugte uns das wir die Krankheit nicht hier ablegen konnten. Erst wenn wir durch die Tore von Nirwikala gingen, und alles bis auf die Krankheit dahinter zurückließen, dann könnten wir uns wahrlich von der Krankheit lösen. Somit durchbrachen wir die Tore, und begaben uns ins Arupyadhatu, die Welt der Götter, der Perfektion und Erleuchtung, der unkörperlichen Welt. Wen gab uns einen Schlüssel für eine Stupa. Wenn wir unserer Meinung nach, die Krankheit abgelegt haben sollten, sollten wir uns in die Stupa begegnen. Sie war mit Gittersteinen aufgebaut. Diese sollten eine siebförmige Grenze zwischen der Welt der Gegenständlichkeit und der Welt der Gegenstandslosigkeit darstellen. Wir ließen uns sehr viel Zeit. Gerade im Kampf mit der Krankheit, wollten wir nichts überstürzen. Nicht die Zeit sollte reif für die Ablegung sein, sondern wir wollten reif für die Zeit in Freiheit sein. So vergingen Tage, Wochen und Monate. Bis wir schließlich bereit waren uns selbst zu befreien, und endgültig in die unkörperliche Welt, in die Stupa einzutreten. Dort verweilten wir noch eine Weile, wir gedachten dem was wir bis jetzt schon zurückgelassen hatten. Wir begannen uns von dem was uns in Europa blühte zu befreien. Wir wollten nicht das unsere Ergebnisse hier, durch den Überfluss an Problemen in Europa zu nichte gemacht werden. Nachdem wir ein halbes Jahr hier waren, beschritten wir dann den Weg zurück. Wir machten halt bei Wen Yisao, und bedankten uns bei ihm für seine Unterstützung. Er gab uns noch einen letzten Rat mit, “Dort wo leben ist, ist Hoffnung!”.Mit diesen Worten schickte er uns weiter, hinab, zu Wang Erge. Dieser wartete auf uns. Auch er hatte noch einen Rat für uns. “Nirgendwo könnt ihr einen ruhigeren und friedvolleren Rückzugsort finden, als in eurer eigenen Seele.” Nun geht, es wird Zeit zurückzukehren. Mit all diesen Impressionen flogen wir zurück. Begannen damit, das Leben wie wir es kannten, neu zu leben. Wir hatten gelernt, die Welt anders zu sehen. Von nun an, sollte uns nichts mehr zu Boden drücken. Zurück in unserer Heimat, merkten wir aber das wir wirklich viel zurück gelassen haben. Auch wenn die Krankheit nicht mehr zurückkam, merkten wir, das uns hier etwas fehlte. Wir diskutierten lange darüber, was das nur sein könnte. Ein Ergebnis fanden wir nicht. Doch eines Nachts rief ich sie an und sagte ihr. “Komm zu mir, und schließe das Loch das in meinem Herzen herrscht und ebenso möchte ich versuchen das Loch in deinem Herzen zu schließen. Denn das ist was uns fehlt, wir fehlen uns.”


© zhenghe


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