Kahina ist eine junge schöne Frau mit lächelnden Augen, liebevollem Herzen, und reizendem Schatten. Dass wir uns einmal augenscheinlich und auf den ersten Blick kennengelernt haben, war weder mein Wort noch ihr Wort. Unser Kennenlernen war bereits von Gott ein gewisses, schon ausgerechnetes Schicksal. Ein wunderschönes Schicksal von Gott, an den sie und ich mit Gewissheit glauben.

Als ich sie zum ersten Mal im Bus sah, empfand ich, als ob sie ein getrenntes Stück meines Herzens gewesen wäre. Während ich auf diese zaubernden Augen lange starrte, blieb ich vor ihr stehen, wie ein ärmliches und obdachloses Kind und wollte den Blick von ihr nicht abwenden.

Es war ein tief gehendes Gefühl, das ich gespürt habe. Dieses Gefühl hatte mich wieder daran erinnert, dass ich noch ein Herz hatte und zwar ein liebendes Herz.

Sie setzte sich auf den Sitzplatz vor mir und guckte durchs Fenster. Da war ich tief in ihren Augen verschwunden, in denen sich das Blaue unseres gemeinsamen Himmels widerspiegelte.

Ich war gar kein romantischer Junge, um sie zum Sprechen ziehen zu können. So eine ähnliche Situation habe ich noch niemals erlebt, niemals erfahren und mich niemals drin befunden. Wenn ich es sagen kann, ich war so fern von meinem eigenen Herzen, das mir als Mensch immer noch gehörte. In regender Weile brauchte ich ihre Stimme zu hören, aber ich konnte den Mut nicht aufbringen. Jedenfalls, ich blickte überhaupt keinen Weg dazu. Ich versuchte wie schon immer meine Beklommenheit zu verbergen, aber dieses Mal hatte es bei mir nicht geklappt, diese schöne junge Hexe ist nicht mehr zu bremsen.

Als wir in die nächste Bushaltestelle ankamen, wollte ich mich sofort mit dem Aussteigen beeilen. Aber an der Türschwelle rief mich leise eine so rührende Stimme von hinten und sagte: „Wie kann ich zum Park gehen?“. Da drehte ich mich um und sah ich sie vor mir stehen. Es gab bei mir keine Antwort auf ihre Frage mehr. Es gab bei mir nur noch eine sehr dumme Beklommenheit, die so klar an meinem Gesicht zu sehen war.

Während ich wie ein Idiot in meiner Beklommenheit ertrank, lächelte sie und fragte wieder nach dem Park. Da senkte ich den Kopf auf den Boden blickend und antwortete mit aller Kraft, die mir nun kam, und erklärte, dass sie den falschen Weg eingeschlagen hatte. Kahina wollte eigentlich zum Park kommen, der sich so weit von hier befand. Für mich war das kein falscher Weg, den sie eingeschlagen hatte. Das war ein vom Gott schon orientierter Weg, der aber nicht zum Park führte, sondern zu unserer schönen und unerwarteten Begegnung.

Nachdem ich ihr geantwortet hatte, begann ich wieder ein normaler Junge zu sein. Meine Beklommenheit war schon weg, als ich endlich zum Sprechen kam. Dieses Mädchen hatte nicht nur besondere Schönheit, sondern aber einen so besonderen Schatten, faszinierenden Geist und unwiderstehliche Anwesenheit. Ihr Augenausdruck war mir echt wie die ersten fallenden Sonnenstrahlen auf den Bach beim Aufgang.

In diesem kühnen Augenblick nahm ich die Stellung eines neugierigen Kindes und begann viele Frage zu stellen, um vieles von ihr zu wissen. Sie traf lächelnd meine Fragen und antwortete immer noch darauf.

Ich wusste von ihr, dass wir derselben Universität gehörten. Sie war auch wie ich auswärtig und sie lebte in dieser Stadt nicht mehr. Jedenfalls hatte ich ihr den richtigen Weg zum Park gezeigt, ohne meine innere Empfindung zu ihr anzuzeigen. Sie bedankte sich einfach und nahm die Schritte zum nächsten Bus, um einzusteigen. Da war ich jedoch still geblieben und begann ihre ersten schmerzlichen und fortgehenden Schritte zu fühlen. Und wie ein Bettelmann warf ich dumme Blicke auf sie. Sie waren Blicke, die meinen Bedarf an ihr tief und weit ausdrücken konnten. Beim Einstieg kehrte sie den Kopf um zu mir und lächelte. Jener lächelnde Blick ließ sich seither gar nicht vergessen. Es war wohl mehr als ein Lächeln, es war auch eine gegebene Hoffnung. Als der Bus abfuhr, überkam mich ein vorgehendes und unübliches Gefühl, dass ich wow so laut vor Freude ausrufen wollte.

Nach ein paar Tagen traf ich sie wieder in der Uni. Ich begegnete ihr vielmals. Ich kann überhaupt nicht verneinen, dass sie für mich immer dramatischer und faszinierender als die ehemalige Kahina geworden war. Ich meine, diese weitere junge Frau selbst, die man durch große und dumme Beklommenheit in einer Bushaltestelle traf.

Ich hatte mich jeden Tag, jede Stunde und jede Minute gefragt, bis wann ich diese starke Liebe noch geheim halten musste. Man überlegte hin und her und rastlos, wie, wann und wo das halt gefangene Gefühl ans Licht gebracht werden soll. Es stimmt, dass ich kein romantischer Junge war. Aber ich bin immer noch wie alle meiner Jugendzeit, ein normaler Mensch mit Herzen und Seele.

Wenn meine todmüden Augen sie erblickten, empfand ich zu ihr eine riesige seelische Annäherung. Das war ja eine Art besondere Liebe, die man durch keine traditionellen Einblicke der Liebe bestimmen konnte. Kahina war absolut die einzige junge Frau, auf die meine sehnsüchtigen Blicke je fielen.

Bei jedem Sonnenuntergang, sagte ich mir: „Morgen begegne ich ihr und gestehe ihr meine Liebe “ aber jedes Mal trafen wir uns, zerstreuten sich alle meine schon gesammelten Wörter, die sich seit lange im Hals versteckten. Ich war durch meine Beredsamkeit unter allen meinen Bekanntschaften bekannt. Doch mit dieser berückenden jungen Frau, in die ich mich unheimlich und zwar wahnsinnig verliebt war, wollte es bei mir gar nicht mehr klappen.

Nach einer Vorlesung an der Uni, setzte ich mich auf den Balkon und dachte über Kahina nach. Während meiner üblichen Überlegung, flüsterte eine Stimme von hinten und fragte: „Aber bis wann willst du das immer noch begraben halten?“. Ja, sie war hinter mir die ganze Zeit, in der ich mir den Kopf über sie zerbrach.

Kahina wusste eigentlich schon, dass ich was für sie im Herzen immer versteckte. Sie konnte es in meinen schlaflosen Augen erblicken, in meinen zitterenden Händen spüren und trotz meines schmerzlichen Schweigens durchhören.

Da fand ich keine Worte, mit denen ich ihr erwidern konnte. Ich war völlig überrascht, dass sie meine versteckte Liebe zu ihr Bescheid wusste. Ich starrte lange, hingehend und mit tiefem Schweigen auf ihre glänzenden Augen. Eine Weile nachher gab es bei mir nur einen Ausdruck im Hals, eine Wahrheit doch einen einzigen Glauben. Da endlich und aus voller Kehle sprach ich: “Ich liebe dich! „ und flüchtete voller Scheu vor ihr, dass ich stolperte und die Treppe herunterfiel.

Es war fürwahr der unvergessene Tag meines Lebens. Es stimmt, dass ich endlich meine unheimliche Liebe zu Kahina nach längerem und doofem Warten gestanden hatte. Aber das war auf einer so witzigen Weise, dass ich wie ein Dieb flüchtete.

Als ich herunterfiel, senkte sie sich auf mich, wie die Nacht sich auf die Erde senkt. Für eine märchenhafte Weile tauschten wir beseelte Blicke. Da war ich tief in ihren engelhaften Augen untergegangen und deswegen völlig außer Atem geraten. Sie lächelte und sprach: “Jetzt glaube ich auch an das Schicksal, denn es steckt hinter mir gerade etwas ähnliches, wie du schon gespürt hast „ und drückte ein zärtliches und flüchtiges Küsschen auf die Wange meines ausdruckvollen Gesichts.

Jene Weile war gar nicht mehr zu fassen. Mein Herz schlug und schlug, zügig, als ob ich wiedergeboren wäre. Das war für mich eine neue Geburt, die durch das unwiderstehliche Küsschen begann.

Als die Ferienzeit begann, waren wir auseinandergegangen. Kahina stammte aus der Kabyle aus. Sie lebte mit ihrer Familie in einer anderen Stadt, die so weit von der meinen entfernte. Aber ihr Herz, ihre Seele, ihren Schatten und ihren Duft spürte ich immer und die ließen sich bei mir gar nicht vergessen.

Sie waren wirklich harte und schwierige Tage, die ich durchmachen musste. Ich konnte diese vorübergehende Trennung überhaupt nicht mehr ertragen.

Als meine Mutter das von mir wusste, wollte sie vor Freude fast an die Decke springen. Meine Mutter war immer die einzige Frau, die mich jedenfalls verstehen konnte. Und sie freute sich unheimlich darüber, dass ihr einziger Sohn endlich in eine junge Frau verliebt war. Sie wollte gar nichts anders von Kahina wissen, mehr als meine unbeschreibliche Liebe zu ihr. Es war ihr wohl genug, dass das Herz ihres Sohnes wiederschlug.

Als die Ferienzeit zum Ende kam, war ich unheimlich froh, dass ich mein Schätzchen wiedersehe.

In der Samstagnacht klingelte mein Handy. Es war eine Nachricht von ihr, und sie schrieb, dass wir uns morgen im Park treffen wollten. Ihre Nachricht war mir etwas unruhig, dass ich mir die ganze Nacht unheimlich viele Gedanken machte. Gegen Mitternacht kam ich zu einer Vermutung, dass es mit der Sehnsucht was zu tun haben könnte und ich schlief lächelnd.

In dem nächsten erwarteten Tag ging ich erst zu einem Blumengeschäft in der Nähe vom erwähnten Park. Ich hatte etwas Geld in meiner Tasche, sodass ich weiße Blumen für sie nehmen konnte. Ich erinnere mich genau, es war eben mein erstes Mal, dass ich solche Blumen in der Hand trug. Ich war sehr stolz auf meine gekauften Blumen, auf mein liebendes Herz und auf Kahina, meine ewige Blume.

Als ich in den Park trat, sah ich sie neben einem herbstlichen und roten Baum sitzen. Sie sah weit überlegend und voller Geheimnisse aus, dass ich es in den schwebenden Wolken spüren konnte. Sie war dieselbe junge Frau, die ich kürzlich erkannte und wahnsinnig liebte, aber ohne ihr Lächeln, das mich immer erfreute. Als sie mich sah, flog sie sofort zu mir und umarmte mich weinend, sodass ich ihre fallenden Tränen auf meine kalte Schulter spürte. Sie umarmte mich lange mit tödlichem Schweigen, ohne irgendwas auszusprechen. Ihre milden Hände waren sehr ausdrucksvoll sogar ihre Augen waren voller Aussagen und Geheimnisse. Sie umarmte mich eine lange Weile, bis die weiße Blumen von meiner Hand herunterfielen. Da beugte sie sich und hob meine Blumen vom Boden auf und sprach mit einer entkräfteten Stimme:“ Wie schön sind deine Blümchen! „ und sie ging einfach fort. Ich hatte ein tief schmerzliches und regendes Gefühl, dass ich sie überhaupt nicht aufhalten konnte, bis sie wirklich fortgegangen war.

Viele schmerzliche Tage nachher blieb ich daran nachdenken, aber ohne an irgendwas Überzeugendes zu kommen. Es kamen mir die Vorstellungen und die Fragen von allen Ecken, was mit ihr los war. Sie war seither weder in der Uni noch in der ganzen Stadt zu sehen. Sie war nur mit dem letzten Blick der weinenden Augen vor meinen schlaflosen Augen stehen geblieben. Es blieb mir nur ein tief greifendes Bild von ihr, das mich tagelang wortlos und bestürzt lies.

Ich kriegte gar keine klare Antwort mehr, warum sie ohne Grund sogar ohne Abschied fortgegangen war. Aber schon in einem regnerischen Tag und als ich meine rechte Hand in der Jackentasche legte, fand ich einen nassen Zettel drin. Kahina ließ mir den Zettel in meiner Jackentasche liegen, als wir uns beim schmerzlichen Wiedersehen in den Park lange umarmten. Mit einer voll verzögernden Handschrift schrieb sie: “ Ich liebe dich und ich rate dir, dass du mich von deinem Kopf wegnimmst, sonst verliere ich meine Eltern und die ganze Familie, die nichts mit einem Araber was zu tun haben wollen. Und sei dir sicher, ich habe dich wirklich geliebt und dafür bis jetzt gekämpft! „

So wanderten die Jahre vorbei, und es war, alles in allem, ein schmerzlicher Versuch für mich. Daher fragte ich mich immer, warum ich sie so schnell verlieren musste. Ihre augenscheinliche Liebe war ein gewisser Glaube für mich. Ich fragte mich immer noch, ob ihr Verlust auch mit dem Schicksal was zu tun hatte. Das Schicksal, das bei unserem ersten Treffen vorhanden war. Ich fragte mich, ohne vernünftige Antworten zu bekommen, was mit diesem Schicksal los war, was mit mir los war und was mit Kahina richtig los war, als sie fortgegangen war.


© Dif Hassen


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Beschreibung des Autors zu "Liebe, Schock und keine Worte!"

"Liebe, Schock und keine Worte!" ist eine Erzaehlung von dem algerischen Schriftsteller und Germanisten Dif Hassen. In dieser Erzaehlung geht es um einen jungen Araber, der sich in ein berberisches Maedchen verliebt hat. Ploetzlich verschwand das Maedchen und so blieb der Junge ganz allein und der wusste nicht, was mit seiner Grossen Liebe geschah...

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