„Das ist Peter, das ist Heinz“ -
Hände wurden geschüttelt, höfliche Floskeln ausgetauscht.
„Das ist Franziska und das Maria“
Ein abermaliges Händeschütteln und anschließendes Sesselrücken.
Die Vier nahmen an einem hübsch gedeckten Tisch in der Prater-Meierei Platz, wobei Peter neben Franziska und Heinz neben Maria zu sitzen kam. Sie hatten sich dort zu einem netten Kennenlern-Nachmittag verabredet, nachdem Maria ihren Heinz seit einiger Zeit gelöchert hatte, wie denn diese ominöse Franziska aussähe, die mit ihm und seiner Schwester befreundet war, Vernissagen für die beiden Künstler organisierte und auch sonst ziemlich oft mit Bruder und Schwester zusammen zu sein schien. Nun wollte sich Maria ihr eigenes Bild von dieser ominösen Franziska machen, von der Heinz wenig, aber wenn, dann in höchsten Tönen zu sprechen pflegte. Mit seiner Schwester schien sich diese Franziska auch sehr gut zu verstehen, was sie - Maria - von sich nicht behaupten konnte. Diese ach so gebildete Malerin, die nur von Schopenhauer - wem? - oder Kant - ah ja, der mit dem Imperativ! - reden konnte und vom richtigen Leben mit all seine Mühen und Plagen absolut keine Ahnung hatte, konnte ihr ruhig gestohlen bleiben.
Und da saß sie nun dieser Franziska gegenüber - also so toll sah sie wirklich nicht aus, nicht einmal richtig geschminkt war sie, und was sie da anhatte, einfach widerlich - einen bunten Rock - wohl vom Flohmarkt - und ein knallrotes T-Shirt mit der provokanten Aufschrift „Heldin“ - das sollte wohl sie selber sein, diese Heldin. Echt geschmacklos, sich so in den Mittelpunkt zu rücken, und wie ordinär sie lachte, so laut und ganz ohne Zurückhaltung, so was machte man einfach nicht als Frau!
„Also wenn es nach mir ginge, dann würden bald keine Autos mehr in der Stadt unterwegs sein. Man kann doch alles bequem mit den Öffis oder mit dem Rad erreichen.“
Das behauptete wenigstes dieser Peter.
„Da kann ich dir nur widersprechen“, meldete sich Heinz zu Wort, „Ich hasse Öffis und fahre immer mit dem Auto, ist doch viel bequemer so.“
Wie recht er doch hatte, ihr Heinz - das wäre doch wirklich nicht schön, wenn er sie bei jedem Treffen nicht mit seinem blauen Polo von daheim abholen würde.
Aber was hatte diese unverschämte Franziska da so zu grinsen, Autos waren doch echt eine wichtige und gute Erfindung!
Doch Franziska grinste nicht um sich über die Meinung von Maria und Heinz zu den Autos lustig zu machen, sondern sie schmunzelte darüber, wie unterschiedlich doch Peter und F. waren, die sei doch beide liebte. Verschmitzt blinzelte sie zu Heinz hinüber und als Antwort darauf drückte er versteckt unter Tisch und Tischtuch sein Knie an ihres.
Gleichzeitig beugte sich Maria hinüber zu Heinz und drückte ihm einen dicken Schmatz auf seine Lippen.
„Wie recht du hast, ohne Autos wären wir völlig aufgeschmissen… und ich freue mich immer, wenn ich deinen blauen Polo in meine Gasse einbiegen sehe.“
Etwas abgelenkt von Franziskas Knie auf seinem murmelte Heinz ein Jaja in Richtung Maria und erwiderte ihren Kuss etwas oberflächlich. Beleidigt rückte Maria etwas ab von ihm und fragte sich, was er jetzt schon wieder hatte. Manchmal war er echt unausstehlich in deinem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit. Aber als sie sah, wie innig Peter gerade Franziska küsste, konnte sie gar nicht anders als auch ihren Heinz fest an sich zu drücken. Und zu ihrer Freude erwiderte er diesmal ihren Kuss in angemessener Weise.
Nun wieder mit sich und der Welt zufrieden warf sie in die Runde:
„Autos sind aber echt ein langweiliges Thema.“
„Dann sprechen wir über Fußball.“
Das war Peter, der das verlauten ließ und gleichzeitig in ein gackerndes Gelächter ausbrach, in das diese Franziska wieder ordinär laut mit einfiel.
Gekränkt zog Maria einen Schnof und wandte sich an Heinz mit einer Geste, die ausdrücken sollte: so tu doch etwas dagegen. Doch auch der schmunzelte vor sich hin und schien ihre Geste gar nicht zu bemerken. Vielmehr war sein Blick wie magnetisch von der Oberweite der Franziska angezogen. Als Maria dies bemerkte, wurde sie noch unwilliger und zischelte Heinz ins Ohr.
„Über Fußball mag ich echt nicht reden, so tu doch was.“
Heinz rückte einige Zentimeter von ihr ab, das laute Zischen tat ihm in den Ohren weh. Doch gleichzeitig legte er begütigend seine Hand ihr ihren Arm und tätschelte ihn leicht.
„Das war doch nur ein Witz, hab ich Recht, Peter?“
Dieser gluckste noch immer vor Lachen und konnte daher nur verhalten mit dem Kopf nicken.
„Dann reden wir doch über …“
Maria setzte an, doch sie wurde vehement von Franziska unterbrochen.
„…Kunst.“
Nicht schon wieder diese ekelhafte Franziska, hatte die denn gar keine Manieren, abgesehen von ihrem schlechten Geschmack, was Kleidung und Frisur betraf.
„Ja, kunn’st ma ned an Zwanzga buagn!“
Peter hatte sich soweit beruhigt von seinem Lachanfall und warf nun diese provokante Meldung in die Runde. Maria rümpfte ob dieser Geschmacklosigkeit die Nase, war ihr Heinz doch ein waschechter Künstler, ein Maler erster Ordnung, der schon an den illustresten Plätzen der Stadt seine Bilder ausgestellt hatte. Und auch Heinz war nicht allzu glücklich über diese Aussage und wie es schien auch nicht darüber, dass Franziska spöttisch den Mund verzog ob der Bemerkung ihres Freundes.
„Komisch“, dachte Maria, „wieso stört es denn meinen Heinz, wenn die Franziska das lustig findet, was ihr Freund sagt?“
Verwirrt blickte sie von Heinz zu Franziska und dann wieder zu Heinz. Als dieser diesen ihren Blick auffing, beugte er sich vor und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. Sofort entspannte sich Maria und beteiligte sich dann auch nach Kräften an der mehr oder weniger ernsthaften Diskussion über Kunst und Künstler.
Währenddessen war auch schon der bestellte Kaffee und Kuchen gebracht worden und in den Gesprächspausen labten sich die Vier an den Köstlichkeiten der Meierei.
Die Atmosphäre wurde immer friedlicher, träge saßen die Paare nebeneinander, eher mit sich als mit ihren Gegenüber beschäftigt, wobei von Maria unbemerkt die Knie von Heinz und Franziska unter dem Tisch wieder zueinander fanden.
Als die beiden Paare dann noch mit einem Glas Wein angestoßen hatten, schien der allgemeinen Verbrüderung nichts mehr im Wege zu stehen. Und auch Maria wurde nachsichtiger, sie fand nun Franziska nicht mehr so abstoßend wie zuvor und war bereit sich um ihres Heinz willen, der ihre Unterstützung bei den Vernissagen brauchte, mit ihr auszusöhnen.
Und so war alles perfekt unter dem Mondenschein in der Meierei, als sich die Vier erhoben und voneinander zu verabschieden begannen.
„Bis bald.“
„Ja, das machen wir wieder.“
„War echt nett mit euch.“
Doch dann geschah das Unerwartet, das heimlich Befürchtete und Nicht-wahr-haben-Wollende. Wie es dazu kam, konnte nie ganz rekonstruiert werden. Aber als sich Heinz von Franziska verabschiedete, wurde aus dem anfänglichen Küsschen auf die Wange ein immer länger werdender Kuss gefolgt von einer innigen oder vielmehr fast erotischen Umarmung.
Peter stand daneben und grinste vor sich hin, aber Maria starrte gebannt auf die beiden und ihre Augen begannen sich mit Tränen zu füllen, bis sie sich laut aufschluchzend Peter an den Hals warf und die Schulter seines Sakkos mit einer schier unstillbaren Tränenflut benetzte. Verlegen tätschelte Peter ihr den Rücken, er konnte sich den plötzlichen Gefühlsausbruch mit nichts erklären, da er in seiner Arglosigkeit wie selbstverständlich annahm, dass Maria wie er selbst wusste, dass sowohl er und Franziska als auch Franziska und Heinz ein Paar waren. Doch schön langsam begann es ihm zu dämmern, dass dies nicht der Fall sein konnte. So nestelte er umständlich in seiner Jacke nach einem Taschentuch einerseits um sein Jackett vor gröberen Schäden zu bewahren und anderseits um Maria mit dieser Gerste zu trösten.
Und sein Plan ging auf, gierig griff sie nach dem Dargereichten, schnäuzte sich heftig in dasselbe und wischte dann ihre Augen trocken. Aus sie das Tuch danach in den Papierkorb werfen wollte, bemerkte sie an dessen Konsistenz, dass dort wohl der falschen Platz für dasselbe sein würde. Nach einer etwas längeren Überlegung, die zwischen ihr und Peter eine verlegene Pause entstehen ließ, bat sie Peter ein wenig stotternd um seine Telefonnummer, auf dass sie ihm in den nächsten Tagen sein Taschentuch gewaschen, gebügelt und parfümiert wieder zurückerstatten könne…


© Waltraud Zechmeister


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Beschreibung des Autors zu "Mondenschein über der Meierei"

über eine Viererbeziezung, von der eine der Beteiligten nciht bscheid wusste

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