Der Tod eines Habichts


Die Rodebachmühle war ein beliebtes Ausflugslokal und gleichzeitig eine Pension. Sie war vom Wald umgeben, und unmittelbar um sie herum befand sich eine große Waldwiese. Eine kleine Fläche dieser Wiese wurde als Koppel genutzt.
Dieses Ausflugslokal wurde immer von den Städtern gern heimgesucht, denn hier war man unmittelbar „ am Busen der Natur.“Hier konnte man die Natur, ob im Frühling oder selbst im Winter, voll genießen.
Das Essen war vorzüglich, und die Preise waren sehr erschwinglich.
An das Grundstück grenzte ein Bauerngehöft mit Stallungen. Ein Weidebauer bzw. ein Milchbauer, der auch Geflügel hielt, hat sich dort sesshaft gemacht.Es war zeitiger Sonntag morgen. Alles wartete auf die Sonne die sich bemühte, über die Wipfel der alten Fichten und Buchen zu gelangen. Der Wald atmete noch schwer, und auf den Gräsern und Halmen lag noch der Tau. Aus dem Gras schauten schüchtern einige Margeriten und Glockenblumen. Einige trockene Rosetten des Wiesen-Schaumkrautes waren noch zu sehen.
Ein schwacher Duft von frischem Harz, Heckenrosen und Holunderblüten hielt sich über der Waldwiese. Über die feuchte, bunte Wiese flog taumelnd ein kleiner, vorwitziger, blau weißer Falter.
Irgendwo krähte ein Hahn, und aus dem tiefen Wald waren die Kuckucksrufe zu hören.Eine schöne Idylle all gegenwärtig.
Der Krieg war in diese schöne Idylle, zum Glück, nicht vorgedrungen. Man schrieb das Jahr 1948, und viele Wunden des Krieges waren noch nicht verheilt.
Einige Hühner, und vor allem die „Federfüßigen Zwerghühner“ des Farbenschlages gold-porzelanfarbig, fanden im Holzzaun immer wieder Lücken, durch die sie durchschlüpfen konnten. Die Zwerghühner, possierlich anzusehen und handzahm, begeisterten Alt und Jung.
Sie wurden mit Kuchen-, Brot-, und Brötchenkrümmeln von den Pensionsgästen gefüttert.
Die Wirtsleute der Rodebachmühle ließen die Hühnchen gewähren, denn so mancher trank ein Bier oder einen Kaffee dadurch mehr.
Da zur damaligen Zeit die Brutapparate sehr teuer und auch aufwendig zu bedienen waren,
wurde von vielen Züchtern und Haltern die Naturbrut angewendet.
Zur Brut wurden Hühner der Rasse Rhodeländer, sowie der Rasse Sussex genommen.
Die Tiere dieser Rassen waren schwere Hühner mit einem ruhigen, ausgeglichenen Charakter.
Wer die Gelegenheit hatte und eine Truthenne zur Brut setzen konnte war natürlich besser
dran. Derjenige konnte erstens mehr Eier unterlegen, und zum anderen vertrieb die Truthenne als Mutter, jeden Fuchs.
Einige Züchter nahmen sogar einen Truthahn ( Zwangsbrut ) an Stelle eines Brutapparates.
An diesem Sonntag öffnete der Milchbauer die Stalltüren vom Geflügel sehr zeitig. Einige Hühner stürmten gleich auf die große Wiese.
Die Bronzeputenmutter marschierte mit ihren Entenküken in Richtung Koppel. Im Einfahrtsbereich der Koppel waren tiefe Traktorenspuren, in denen Regenwasser stand.
Dieser Bereich war der Lieblingsplatz der jungen Entenküken.
Die Rhodeländerglucke führte ihre Hühnerküken auch auf die Koppel. Die Koppel lag näher zum Waldrand als die große Wiese.
Von den Föhrenbestand kam, plötzlich und unerwartet, sehr flach, ein Greif geflogen. Er landete mit einem leichten Aufwärtsschwung und leicht gewinkelten Flügeln auf einen Koppelpfahl. Auf diesem nahm er eine fast waagerechte Körperhaltung ein und spähte in die Ferne. Bei näherer Betrachtung z.B. mit einem Fernglas erkannte man die markanten Merkmale eines Habichtweibchen.
Die schwärzlich-graubraune Rückenfarbe mit einem Hauch ins Aschblaue sowie die feineren dunklen Querbänder auf heller Brust und hellem Körper, wiesen auf ein Habichtweibchen hin.
Das Habichtweibchen ist bussardgroß während das Männchen ein Drittel kleiner ist.Die Natur hat es bei den Habichten so eingerichtet, denn darin liegt die Überlebungschance,das beide Greife in unterschiedlichen „ Jagdfenstern“ jagen.Das kleinere Männchen erbeutet Sperlinge, Stare, Eichelhäher und Drosseln.Das größere Weibchen kann Marder, Eichhörnchen, Kaninchen, Hasen und Fasane erbeuten.
Einige Waidgenossen erzählten mir, vielleicht ist es jedoch nur „Jägerlatein,“ sie hätten es gesehen, wie ein Habichtweibchen einen Jungfuchs erbeutet hätte.Der Habicht ist ein Vogel des Waldes, und er liebt große und zusammenhängende Wälder.
Bei einem niedrigen Nahrungsangebot in den Wäldern sucht er menschliche Ansiedlungen auf. Dort erbeutet er vorwiegend Hühner, deshalb auch der Name „Hühnerhabicht.
Nach einer gewissen Zeit flog das Habichtweibchen auf, die Truthenne und die Rhodeländerhenne stießen Warnrufe aus.
Pfeilschnell, flach fliegend, das letzte Stück gleitend, landete das Habichtweibchen vor der Hühnerglucke. Die kleinen Küken stiebten in alle Richtungen davon. Die tapfere Glucke stürzte sich mit gespreizten Federn auf den Feind.
Der Milchbauer, der im Hausgarten damit beschäftigt war einige Himbeerruten fest zubinden, hörte das Flügelschlagen der Kämpfenden. Mit einer Schaufel bewaffnet rannte er zum Kampfort. Es war ein ungleicher Kampf.
Die Hühnermutter lag zwar auf dem Habichtweibchen, aber sie war sehr schwer verletzt.Die messerscharfen Krallen der Fänge, hatten sich tot bringend in die Brust der Henne, gebohrt. Das Habichtweibchen lag halb auf dem Rücken, und es hatte seine Flügel zum Abstützen leicht angewinkelt. Es hatte den Schnabel geöffnet und hechelte leicht. Sein Blick war starr in die Umgebung gerichtet. Das Habichtweibchen befand sich kurzzeitig in einer so genannten „Jagdstarre.“ Sie erkannte die Gefahr durch das Erscheinen des Bauern. Das Habichtweibchen flog auf, aber es kam nur auf einige Meter. Es hatte noch in seinen Fängen die Glucke, und außerdem war es vom Kampf geschwächt.Der Bauer schlug im Jähzorn mit seiner Schaufel mehrmals auf das Habichtweibchen ein.
Obwohl das Tier schon tot war schlug er mit seiner Schaufel noch weiter auf dasselbige ein.Ihn interessierte nicht, dass die Schonzeit, die im Juli beginnt, schon angebrochen war.
Der Bauer nahm die beiden toten Tiere sowie seine Schaufel und ging auf seinen Hof. Dort angekommen warf er beide Kadaver an den Hackklotz. Er holte dann ein Messer und schnitt aus der linken Handschwinge, des toten Habichtweibchen, einige Federn heraus.Die Federn sollte sein Enkel erhalten, der sich schon lange einen Indianerkopfschmuck wünschte.
Die Hühnerküken hatten alle die Attacke des Habichts gut überstanden, allerdings hatten sie keine schützende Glucke mehr.Bei den beiden Junghabichten sah es trauriger aus. Sie hatten keine Mutter mehr, und das kleinere Männchen schafft es nicht, beide Jungvögel zu sättigen. Ein Jungtier bleibt in jeden Falle auf der „Strecke.“
Die Gefahr für unsere Habichte geht vom Seeadler und vom Uhu aus, jedoch die größte Gefahr ist für sie der Mensch.
Deshalb sollte, und muss man, es jedem Menschen „klar machen,“ dass unsere Wildtiere zu jeder Zeit unseren Schutz bedürfen


© Jürgen


3 Lesern gefällt dieser Text.




Diesen Text als PDF downloaden




Kommentare zu "Der Tod eines Habichts"

Re: Der Tod eines Habichts

Autor: possum   Datum: 05.11.2014 21:36 Uhr

Kommentar: Ja jedes einzelne Wesen hat die Aufgaben im Kreislauf Leben zu erfüllen! LG!

Kommentar schreiben zu "Der Tod eines Habichts"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.