So ein Schietwetter


Es war Mitte November und es regnete wie aus Kübeln. Die Straßen standen
zum Teil unter Wasser. Die Bürgersteige waren voller Pfützen.
Nachts herrschten Minusgrade, die die Pfützen zufrieren ließen.
Der böige Wind tat das Übrige.
Die Leute eilten gebückt durch die Gassen und Straßen, die Regenschirme über sich haltend. Die Schulkinder taten lärmend das Gleiche.
Die Straßentauben, die im evangelischen Dom ihr Domizil hatten, waren auch auf den Straßen nicht mehr zu sehen. Der Imbiss am Domplatz war schon etliche Tage geschlossen. Bei schönem Wetter ist der Imbiss ein Tummelplatz für Groß und Klein. Der Imbiss war für die Damen Bärbel Schulze, Kunigunde Fröhlich und Ingrid Sauer ein Tratsch-Ort. Dort tranken sie sonst ihren Kaffee, sowie ihren Weinbrand der Marke „ Waldfrieden.“ Es war ihr Ort, an dem sie alle Ereignisse und Vorkommnisse durchhechelten. Alle Drei waren Stadt bekannt, und fast jeder Bürger machte einen Bogen um sie.
Bärbel Schulze war klein und vollschlank, und sie hatte ein sogenanntes
„ Backpfeifengesicht.“ Sie wollte in Allem das Sagen haben. Ihr Ehemann Joseph hatte sehr unter ihrer Fuchtel zu leiden.
In Gesprächen sagte sie oft: „ Mein Alter ist zu dämlich Wäsche von der Leine abzunehmen, den schieße ich bald über den Jordan.“
Bei einer Begegnung mit ihr musste man sich die Nase zuhalten, denn ein Schwall von aufdringlichem Parfüm umgab sie. Es war das russische Parfüm,
der Marke „ Moskauer Frühling,“ und selbst die Hunde, die ihr begegneten,
machten ängstlich einen Bogen um sie.
Bärbel trank sehr gern Weinbrand, der Marke „ Waldfrieden“. Wenn sie in
„ Fahrt“ war, schimpfte sie über die Regierung, den Bürgermeister aber vor allem über Hochwürden Langrock. Der Pastor hatte sie einmal von der Kanzel zur Einsicht ermahnt. Bärbel Schulze sagte über ihn: „ Der Saufkopf solle besser seine Schäfchen bekehren.“
Bärbel arbeitete im städtischen Krankenhaus in der Neustadt.
Sie war fleißig und umsichtig und ihre Chefs der Reinigungsfirma „ Kunterbunt“ achteten sie.
Kunigunde Fröhlich war das ganze Gegenteil. Sie war groß, zirka zwei Meter, und sie war spindeldürr. Sie hatte ein normales Aussehen, jedoch ihre Fistelstimme brachte viele Leute zur Verzweiflung. Sie war lebenslustig, freundlich, und sie sang im Kirchenchor. Ihr Mann Oskar war schon vor
einigen Jahren verstorben. Kunigunde Fröhlich besaß einen kleinen Schreibwarenladen, den sie mit großer Umsicht führte.


- 1 -


Ingrid Sauer war, wenn man so sagen will, das Bindeglied zwischen den
Beiden. Sie hatte ein liebevolles Oma-Gesicht, auf dem immer ein freundliches Lächeln zu sehen war.
Ingrid war den Kindern zugetan, und die Kinder nannten sie „ Tante Ingrid.“
Sie war trotz ihres Alters, von fünfzig Jahren, Jugendhaft, und immer modern
gekleidet. Ingrid hatte die Angewohnheit bei jedem Treffen die Frage zu stellen, Kinder was gibt es Neues?
Männer und auch Jugendliche schauten ihr oft nach, und ihre Gesichter verrieten Staunen und Anerkennung. Sie fanden sie irgendwie „ knorke.“
Alle Drei wohnten im Haus Nr. 12, in der Industriestraße. Da das Wetter so
regnerisch und kalt war, trafen sie sich regelmäßig im Hausflur.
Im Hausflur wurde dann geschwatzt, und diskutiert, und das oft über Stunden.
Es war an einem Freitag im November. Draußen stürmte und regnetet es,
und im Regen waren kleine Schneeflocken zu sehen.
Die drei Frauen saßen auf einem Treppenabsatz, und Ingrid hatte eine Flasche Birnenlikör mitgebracht. Sie ließen sich den Likör schmecken, und sie waren alle „ gut drauf.“
Bärbel hatte in der Backröhre einen Entenbraten zu stehen.
Ingrids leckerer Gemüseeintopf köchelte auf dem Herd vor sich hin.
Kunigunde hatte auf dem Herd einen Topf mit Kochwäsche stehen.
Mitten in der Unterhaltung rief Kunigunde ganz aufgeregt, es riecht irgendwie
verbrannt! Alle Drei hasteten die Treppe hoch zu ihren Wohnungen.Aus Bärbels Backröhre quoll schwarzer Rauch. In ihrer Küche machte sich ein Geruch von verbranntem Fleisch breit.
Sie schrie auf, und Tränen flossen über ihr „ Backpfeifengesicht.“
Ingrids Gemüseeintopf hatte sich über den Herd verteilt. Im Topf war nur noch eine geringe Menge vorhanden. Sie säuberte den Herd, und setzte einen Topf mit fertiger Pilzsuppe, also Beutelsuppe auf.
Kunigunde war so aufgeregt, so das sie erst nach vielen Versuchen ihre
Wohnungstür öffnen konnte.
Sie eilte zum Topf und als sie die verkohlte Wäsche sah, rief sie mehrmals
„Maria,“ „Maria.“ Ihre gesamte Nachtwäsche war zu reiner Kohle geworden. Doch wo war ihr Kater Purzel? Der hatte doch vorher in der Küche auf dem Sofa geschlafen.
Kunigunde lief durch all ihre Zimmer und rief ihn, doch nirgendwo war der Kater zu sehen. Den Verlust der Wäsche konnte sie verschmerzen, jedoch der Kater war ihr ein und alles. Sie ging wieder in ihre Küche und da sah sie die Schwanzspitze von Purzel unter dem Sofa hervorgucken.






2 -


Ingrid öffnete ihr Küchenfenster, und sie schaute hinaus. Da sah sie ihren
Mann Helmut kommen. Flugs lief sie ins Bad, und lies heißes Wasser in die Badewanne laufen.
Helmut stand schon unerwartet im Flur, und zwar nass wie ein Pudel.
Wo Helmut stand, hatte sich eine Pfütze gebildet.
Ingrid half ihm aus den nassen Kleidern, und sie sagte: „ Helmut, ich habe dir
schon warmes Wasser in die Badewanne laufen lassen.“
Er sagte: „ Ich habe eben eine liebe Frau, du bist mein Schnuckelchen.“
Schnell hatte er sich nach dem Baden warme Sachen angezogen, und er fühlte sich wohl in diesen.
Helmut fragte nach dem Mittagessen. Ingrid erwiderte, heute gibt es kein Mittagessen, ich hatte wieder meine Schwindelanfälle.
Helmut meinte, dass mit den Schwindelanfällen geht doch schon eine ganze Weile, wann suchst du endlich einen Arzt auf?
Er ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Bier, und setzt sich
in den alten Ohrensessel.
Bei Bärbel war die Situation eine Andere: Ihr Mann Eberhard betrat den Flur, worauf Bärbel gleich los zeterte, du setzt ja unsern ganzen Flur unter Wasser. Eberhard zog seinen Kopf ein, und machte sich kleiner.
Er ging ins Bad, und kam geföhnt und trocken aus diesem.
Seine Frau hatte sich ins Wohnzimmer begeben und sie schaute Fernsehen.
Sie machte für ihren Mann „ selten einen Finger krumm.“
Eberhard machte sich in der Küche sein Mittagessen, und er dachte dabei, wie konnte ich bloß diese Frau heiraten!


Nachwort: Manche Frauen können das Schwatzen nicht lassen, sie sind vergleichbar mit den Straßenspatzen!












- 3 -


© Jürgen


0 Lesern gefällt dieser Text.




Kommentare zu "So ein Schietwetter"

Es sind noch keine Kommentare vorhanden

Kommentar schreiben zu "So ein Schietwetter"

Möchten Sie dem Autor einen Kommentar hinterlassen? Dann Loggen Sie sich ein oder Registrieren Sie sich in unserem Netzwerk.